Alle Firmen präsentieren sich gewollt oder ungewollt in der Blogosphäre: Entweder direkt, indem sie einen Unternehmensblog aufbauen oder indirekt über die Aussagen einzelner Mitarbeiter. Zum Leidwesen der Unternehmen tendieren Mitarbeiter eher dazu, über negative Erfahrungen zu berichten als positive Erlebnisse zum Thema zu machen. Auch das freie Publizieren von Fotos oder Videos kann Firmen zum Verhängnis werden, wenn sie mit unvorteilhaften Nachrichten in den Blickpunkt geraten. So erging es der Firma Comcast als einer ihrer Servicemitarbeiter beim Kunden einschlief. Der Kunde zeichnete den Vorgang auf, kommentierte ihn entsprechend und stellte ihn auf YouTube.com der Öffentlichkeit zur Verfügung. Dort haben bereits im ersten Monat mehr als 700.000 Besucher das Video gesehen.

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Foto von ThisisEngineering RAEng

Steuern lässt sich die digitale Mund-zu-Mund Propaganda und das Mitarbeiterverhalten im Web 2.0 kaum. Abwehrverhalten oder Zensurversuche ahndet die Internet-Community zumeist mit weiteren negativen Schlagzeilen. Unangenehme Blogbeiträge können auch rein juristisch nicht einfach gelöscht werden. Die einzig mögliche Reaktionsform: Ernsthaft und unaufgeregt die Behauptungen dementieren.

Dem Personalmarketing wird es vor diesem Hintergrund kaum mehr gelingen, alle Informationen die über das Unternehmen erscheinen, zu kontrollieren. Ausgefeilte Karriereseiten oder Informationsmaterial wie Anzeigen und Broschüren, sind nicht mehr die einzigen Quellen, auf die potenzielle Bewerber zugreifen. Trotzdem birgt das Web 2.0 Chancen für das Recruiting. Unternehmen können sich aktiv ins rechte Licht rücken, wenn sie die Information in Podcasts oder Blogs authentisch halten. In Zeiten des User-Generated-Content ist nichts weniger gefragt als Imageproduktionen und Marketingjargon. Wichtiger ist eine stimmige Unternehmenskultur, die dazu führt, dass Mitarbeiter begeistert von den Herausforderungen am Arbeitsplatz berichten und so einen Mehrwert für erfolgreiches Employer Branding im Web 2.0 schaffen.

Googlability – wie glaubwürdig sind die Daten im Internet?

Umstritten ist hingegen, ob die Spuren im Netz auch als Auswahlkriterium für Bewerber dienen können. Unter Personalverantwortlichen ist es bereits weit verbreitet, den Namen des Bewerbers in Suchmaschinen einzugeben, um dessen Verhalten in Blogs und Diskussionsforen zu überprüfen. Nach dem Motto „wahr ist, was im Netz ist“ gleichen Personaler die Bewerbungsunterlagen mit den Informationen im Internet ab und versuchen Lebenslücken oder -lügen aufzudecken. Vergangenheit, Freizeitaktivitäten oder Meinungsäußerungen im Netz können die Kandidaten aus dem Bewerbungsprozess katapultieren. Doch ist das tatsächlich immer gerechtfertigt? Vielen Usern ist bewusst, wie leicht sie Spuren hinterlassen und schreiben deshalb unter Pseudonymen. Zudem ist es ein Leichtes unter falschem Namen, Meinungen zu äußern und auch Verleumdungen sind im Netz keine Seltenheit. Die Suche in Suchmaschinen wie Google ist insofern willkürlich, dass viele verschiedene Faktoren das Ranking der Trefferlisten beeinflussen. Deshalb sollten Personalverantwortliche, wenn Sie nach Kandidaten googlen, die Ergebnisse mit Vorsicht genießen.

Einen deutlichen Vorteil für das Recruiting bietet das Phänomen Web 2.0 jedoch insofern, dass potenzielle Bewerber zunehmend bereits sind, sich in Online-Netzwerken zu präsentieren. Plattformen wie LinkedIn machen Beziehungsnetzwerke sichtbar und diese können dazu genutzt werden, die Bewerber aktiv anzusprechen. Personalverantwortliche haben die Möglichkeit, sich selbst und ihr Unternehmen in Business-Communities zu präsentieren und dabei geeignete Bewerber kennen zu lernen. Das kann insbesondere über Fachinhalte geschehen, indem sich Human Resource Manager aktiv an Special-Interest-Blogs beteiligen.

Return on Communication

Die Kommunikationsbereitschaft geht bei manchen Unternehmen noch einen Schritt weiter. Diese Firmen lassen ihre Mitarbeiter nicht nur über Interna bloggen, sondern erlauben auch Kunden, sich an der Diskussion interner Themen zu beteiligen. Hinter dem Schlagwort „Crowdsourcing“ verbirgt sich die Tatsache, dass Unternehmen auch ihre Produktkommunikation und -entwicklung nach außen hin öffnen. Kunden können an Inhalten mitarbeiten - beispielsweise an Übersetzungen oder an der Entwicklung neuer Produkte. Die Kunden kollaborieren mit den Marken und gestalten sie nach ihren Vorstellungen mit. Der Beziehungsaufbau im Social Net dient dabei dem Social Commerce.

Seit mehreren Jahren praktiziert die Online-Buchhandlung Amazon dieses Prinzip: Von den Lesern selbst produzierte Inhalte steigern den Verkauf der online präsentierten Ware. Während die Konsumenten zu kreativen Mitgestaltern werden, steigt gleichzeitig die Akzeptanz der Kunden. Procter & Gamble lässt mehr als 90.000 Freizeitwissenschaftler an Forschungsaufgaben arbeiten, die unternehmensintern nicht gelöst werden können. Die Hobby-Forscher erhalten im Erfolgsfall ein Entgelt für ihre zeitliche Investition in ein Projekt.

Auf diesen Aspekt beziehen sich die Kritiker dieser Vorgehensweise. Nach dem Outsourcing sei das Crowdsourcing nur eine neue Methode, billige Arbeitskräft zu rekrutieren: „Remember outsourcing? Sending jobs to India and China is so 2003. The new pool of cheap labor: everyday people using their spare cycles to create content, solve problems, even do corporate R & D“, schrieb Jeff Howe im WIRED magazine. Die “user-centered innovation” stellt insofern ein gewisses Risiko für Unternehmen dar, in der Online-Welt einen schlechten Leumund zu haben. Doch sicher ist auch, dass sie mit dieser Methode ihre Risiken bei der Einführung neuer Produkte reduzieren. Wer genau weiß, was die Kunden sich wünschen, wird seltener einen Fehlschuss starten.

Der Kreis schließt sich dann, wenn es den Firmen tatsächlich gelingt, die Kunden mit den Aktivitäten im Internet zufrieden zu stellen. Denn die Kunden sind gleichzeitig potenzielle Bewerber. Hinter der technikaffinen Generation Web stecken die Mitarbeiter von Morgen, die dem Web 2.0 und seinen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossen agieren. Sie erwarten von einem Arbeitgeber, dass er neue Medien kreativ und glaubwürdig nutzt.