Ähnlich gelagert, aber ein wenig komplexer wäre eine strukturelle Koppelung einzelner Organisationseinheiten zu einem (möglicherweise sogar standortübergreifenden) Planungsverbund. Wenn beispielsweise in einer Bank mit größeren und kleineren Filialen regionale Filialverbünde etabliert werden, die jeweils große mit zwei bis drei kleineren Filialen strukturell verbinden, kann der Arbeitgeber die Vertretungsplanung nach den jeweiligen Qualifikationsprofilen ausrichten und damit eine bessere Abdeckungsreserve für knappe Ressourcen erzielen. Ein Szenario zeigt Abbildung 3.

photo of dining table and chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi

 

Was zeigt die Analyse?

Für jede Qualifikation ist dargestellt, wie viele Mitarbeiter es jeweils gibt und wie viele mindestens erforderlich sind, um die Aktivitäten am Laufen zu halten („Min.“). Die große Filiale 1 hat im Schnitt ausreichende Reservekapazitäten in allen erforderlichen Qualifikationen. Die ganz kleine Filiale 3 ist ohne Unterstützung gar nicht in der Lage, eine Vertretung zu organisieren. Aber auch die mittelgroße Filiale 2 kann ohne Hilfe weder die Leitung noch die Sachbearbeitung („SB“) in ausreichendem Maß abdecken. Selbst wenn im Sinne einer Mehrfachqualifikation der beste der drei Berater die Leitung temporär übernimmt und alle Berater auch in Kassa und Sachbearbeitung aushelfen, bleibt es für die mittelgroße Filiale extrem schwierig, alle Abwesenheiten abzufangen. Spätestens beim Zusammenfallen eines geplanten Urlaubes mit einem nicht planbaren Krankenstand stößt sie an die Grenzen des Darstellbaren. Dagegen zeigt das Gesamtbild (unter der Annahme, dass die Mitarbeiter entsprechend flexibel sind, auch in anderen Filialen zu arbeiten), dass ausreichende Reservekapazitäten vorhanden sind. Dass es auch bei allen derartigen Modellen fallweise zu Überstunden kommen kann, sei hier nur der guten Ordnung halber erwähnt.

Externe Lösungsansätze können das Bild abrunden. Besonders im Zusammenhang mit einer geordneten Urlaubsplanung lässt sich oftmals die Lösung darin finden, in der Haupturlaubszeit zusätzliches Personal in Form von Leihkräften in die Planung einzubeziehen. In manchen Branchen leisten gerade auch in den urlaubsintensiven Perioden Ferialarbeiter oder Saisonkräfte wertvolle Beiträge.

Alles in allem ist die Reserveplanung also eine sehr anspruchsvolle Aufgabe der Dienstplanung, für die ganz speziell betriebsspezifische Lösungswege erarbeitet werden sollten (Abbildung 7). 

In Summe also: kein einfacher Prozess, der eine gute Kenntnis der betrieblichen Abläufe sowie Sorgfalt und viel Erfahrung benötigt. Aber so schwierig das auch auf den ersten Blick erscheint, es lohnt sich Zeit und Energie in diese Planung zu investieren. Mitarbeiter und Kunden werden dankbar sein für eine bessere Struktur in der Planung von abwesenheitsbedingten Änderungen. Die „goldenen Regeln“ dabei sind:

1.         Erkennen beziehungsweise errechnen Sie Ihren Reserveabdeckungsbedarf.

2.         Analysieren Sie die im Unternehmen vorhandenen Daten und Fakten.

3.         Denken Sie in Alternativen (sowohl zeitlich als auch in Einsatzfeldern und Qualifikation).

4.         Trauen Sie sich, einmal etwas Neues auszuprobieren.

5.         Evaluieren Sie sorgfältig und passen Sie den Plan dynamisch an die Erfahrungen an.

Viel Erfolg dabei!

Diese kurzfristige Flexibilität hat normalerweise ihren Preis in Form von Zulagen oder Zeitzuschlägen als Gegenleistung dafür, dass die Mitarbeiter zustimmen, erst kurzfristig zu erfahren, wann genau sie zur Arbeit kommen müssen. Vorteil besteht jedoch darin, dass in der Regel vorgeplant ist, wer als Vertreter herangezogen wird, so dass für die Mitarbeiter unangenehme „überraschende“ Dienstplanänderungen unterbleiben. So wird der „variable Vertretungsdienst“ für die Betroffenen berechenbarer. Wenn Unternehmen diese Dienste dann noch gleichmäßig an alle Mitarbeiter verteilen, können Modelle entstehen, die eine feine Abdeckung der erforderlichen Abwesenheitsreserve einerseits bei guter Akzeptanz der Mitarbeiter andererseits ermöglichen. Abbildung 6 zeigt das Beispiel eines derartigen Schichtplans.

In diesem 6-Tage-Plan mit 5 Personen (durchlaufend von Montag 6 Uhr bis Sonntag 6 Uhr in insgesamt 18 Schichten) wird jeweils einem Mitarbeiter die Reserveschicht („R“) zugeordnet, der dann zustimmend zur Kenntnis nimmt, dass die Zeitlage an den mit R gekennzeichneten Tagen erst kurzfristig festgelegt wird. Hier dargestellt in einem 5 Wochen-Turnus zeigt der Plan eine völlig gleichmäßige Verteilung der Reserveschichten über alle fünf Mitarbeiter („Gruppen A-E“ mit jeweils 1 Person besetzt).

Inwieweit lässt sich der Reservebedarf im Voraus planen?

Der größte Teil des erforderlichen Vertretungsbedarfes sollte eigentlich relativ gut planbar sein. Abbildung 4 zeichnet das Gesamtbild der Abwesenheiten. Eine vorausschauende Urlaubsplanung unterstützt jedes Reservekonzept substanziell. Aber auch die vermeintlich nicht planbaren Abwesenheiten kommen nicht wirklich überraschend, so eigentümlich es klingen mag: Auch Krankenstände haben ihre Saisonalität. Abbildung 5 zeigt Krankenstände aus einem Verkehrsbetrieb aus sieben aufeinander folgenden Jahren. Hier wird deutlich, in welchen Perioden des Jahres mehr Bedarf an Krankenstandsvertretungen besteht. 


Wie lassen sich Reservedienste in einem Dienstplan berücksichtigen?

Trotz aller vorausschauenden Analysen bleibt die Frage, wie Dienstplaner strukturiert Vorsorge für die erforderliche Reserveplanung treffen können.

Ein bewährtes Modell sind Reservedienste, die als eigene Kategorie von Dienstarten in der Planung angelegt und im Verteilungsmuster (Rotationsplan) mit berücksichtigt werden. Dabei wird im Rahmen der vorausschauenden Planung vereinbart, dass solche Reservedienste auch kurzfristig in ihrer zeitlichen Lage verändert werden dürfen und somit an die Zeiten, in denen Mitarbeiter ausfallen, angepasst werden. Beispiel: Wenn ein Reservedienst („R-Dienst“) eingeteilt wird, so wird rechnerisch zum Beispiel eine Zeitlage von 8 bis 16 Uhr hinterlegt, die so lange als Richtzeit gilt, bis klar wird, in welcher Zeitlage ein Ausfall abgedeckt werden muss. Erst dann wird die genaue Lage der zu erbringenden Arbeitszeit fixiert. Wenn kein Vertretungsfall anfallen sollte, kommt der entsprechende Mitarbeiter in der hinterlegten Zeitlage als zusätzliche Person zur Arbeit oder verbraucht allenfalls vorhandene Zeitguthaben.            

Wie viel Reserve brauchen wir?

Wer umfassend planen will, sollte in die Reserveplanung alle Formen von Abwesenheit berücksichtigen. Neben dem gesetzlichen Urlaubsanspruch fallen darunter auch Krankenstände, Pflegefreistellungen, sonstige gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgeltfortzahlungsansprüche sowie gegebenenfalls auch betriebsbedingte Abwesenheiten wie Schulungen. Abbildung 1 vermittelt ein Gefühl für die Größenordnung. Dabei müssen Planer unter anderem die folgenden Aspekte berücksichtigen: 

  • Der gesetzliche Urlaubsanspruch erhöht sich statistisch gesehen relativ rasch auf mehr als die fünf Wochen Mindesturlaub. Besonders in größeren Unternehmen mit langjährig Beschäftigten, die durchaus schon in den Genuss der sechsten Urlaubswoche kommen, findet sich in der Praxis häufig im Schnitt ein Urlaubsanspruch von 5,5 Wochen.
  • Krankenstände liegen selten unter fünf Prozent, in vielen Unternehmen durchaus auch in der Größenordnung von sechs bis zehn Prozent.
  • Bei den sonstigen Dienstverhinderungen und Pflegefreistellungen messen viele Unternehmen (abhängig von der Belegschaftsstruktur) zwischen 0,5 und ein Prozent, und wenn man Studien über die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten folgt, dann investieren Unternehmen durchaus ein bis zwei Prozent der Arbeitszeit in interne Schulungen.
  • Abbildung 1 zeigt, dass die Summe der Abwesenheitswerte leicht eine Größenordnung von 15 bis 18 Prozent (manchmal sogar > 20 Prozent) erreichen kann. Ist dies der Fall, müssten die Planer den Personalbedarf brutto im Ausmaß einer entsprechenden Reserveabdeckung erhöhen.
  • Unternehmen, die einen Teil des Urlaubs in Form eines Betriebsurlaubes gewähren, können den Reservebedarf für die übrige Zeit des Jahres übrigens deutlich absenken (in Beispiel drei im Vergleich zu Beispiel zwei um circa fünf Prozentpunkte).

Jedes Unternehmen, das in diese Thematik einsteigen will, ist gut beraten, Berechnungen für die eigene betriebsspezifische Situation anzustellen.

Wo soll die Reservekapazität herkommen?

Unternehmen nutzen unterschiedliche Ansätze, die in der Praxis häufig auch in Kombination eingesetzt werden. Hier ein kurzer Überblick über die gängigsten Formen:

Abteilungs- und bereichsinterne Reservekonzepte

Unternehmen können zusätzliches Personal bereitstellen. Das garantiert allerdings nicht, dass es nicht doch tageweise zu größeren Engpässen kommen kann, da in der Berechnung ja immer nur auf den Durchschnitt abgestellt werden kann  - und Statistiker wissen, wie trügerisch das Arbeiten mit Durchschnitten sein kann. Für einige Unternehmen ist der erhöhte Personalstand allerdings auch nicht akzeptabel, in manchen Segmenten des Arbeitsmarktes ist es auch gar nicht so einfach, passende Experten zu finden.

Viele Unternehmen arbeiten mit zusätzliche Arbeitsstunden (Überstunden), was in einem verantwortungsbewussten Rahmen genutzt auch sehr sinnvoll sein kann.

Alternativ besteht die Möglichkeit, die Arbeiten so weit wie möglich zu reduzieren und auf die Anwesenden zu verteilen (Aufschiebbares verschieben, nur das Dringendste erledigen) und gegebenenfalls die Besetzungsstärken auf einzelnen Arbeitsplätzen auf das Mindestmaß reduzieren. Das wiederum setzt eine gute Kenntnis der Arbeitsprozesse und der kritischen Besetzungsstärken voraus. Beispiel: Wenn in einer Bankfiliale normalerweise zwei Mitarbeiter an der Kassa stehen, aber bekannt ist, dass in sechs von neun Stunden auch ein Mitarbeiter ausreicht, könnten einzelne  Kundenberater stundenweise an der Kassa aushelfen und dafür andere, weniger zeitkritische Arbeiten (Dokumentation, Ablage, Telefonate…) verschieben.

Mehrfachqualifikationen schaffen in vielen Bereichen die notwendigen Grundlagen für das Funktionieren von Reservekonzepten. Bleiben wir beim obigen Beispiel der Bank: Wenn das Bedienen des Kassenterminals sehr kompliziert ist  (oder eine spezielle Autorisierung braucht), dann benötigt ein Berater, der im Vertretungsfall aushelfen soll, eine entsprechende Einschulung, denn sonst ist sein Einsatz an der Kassa sinnlos.

Bereichs-/abteilungsübergreifende Reservemodelle

Sie betrachten im Unterschied zu den bisher dargestellten Ansätzen üblicherweise größere und zumeist verbundene Abteilungen oder Bereiche. Das Reservekonzept geht somit über die engeren Grenzen einzelner Organisationseinheiten hinaus.

Pools mit mehrfach qualifizierten und möglichst universell einsetzbaren Springern finden sich häufig in industriellen Organisationen. Dazu ein Beispiel aus einem papierverarbeitenden Betrieb: In dieser Fabrik sind vier unterschiedliche Produktionslinien in Verwendung, die an fünf Tagen in der Woche in drei Schichten durchlaufen. Jeder Anlage ist jeweils ein Servicetechniker pro Schicht zugeteilt. Es lässt sich rasch errechnen, dass der Nettopersonalbedarf zwölf Techniker ausmacht (4 Anlagen * 3 Schichten * 1 Techniker). Wenn man dann ermittelt hat, dass der Bedarf an Reservekapazität, die man vorhalten muss, um das Laufen der Anlagen zu sichern, gerundet 20 Prozent beträgt, dann ergibt sich der Vergleich, den Abbildung 2 darstellt.

Wenn jede der vier Anlagen mit 20 Prozent Reserve ausgestattet werden soll, dann braucht das Unternehmen dafür gerundet einen zusätzlichen Techniker für jede Linie, in Summe also 16 Techniker (davon vier als Reserve). Stellt der Planer dagegen eine kleine Gruppe von Springern aus erfahrenen Technikern zusammen, die alle vier Linien betreuen, dann könnte man die Reserve auch über den gesamten Nettobedarf errechnen und würde durchaus mit gerundet 15 Technikern (davon 3 Springer) das Auslangen finden können.