I) Begrüßung und Erläuterung der Agenda (Dauer: ca. 10 Minuten)

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Foto von ThisisEngineering RAEng

In den ersten zehn Minuten bereitet die HR-Leiterin die Kandidaten so gut wie möglich auf die gemeinsamen Stunden vor. Sie erklärt die verschiedenen Stationen und deren Dauer. Außerdem werden die Beobachter den Kandidaten vorgestellt, darunter der Vorstandsvorsitzende, der Finanzvorstand und der Technikvorstand, Fachverantwortliche und Kollegen, die eng mit den künftigen Mitarbeitern zusammenarbeiten werden, sowie eine externe Beraterin.

II) Vorstand und Fachverantwortliche (Dauer: 45 Minuten)

Zu Beginn bereiten die Teilnehmer kurze Eigenpräsentationen vor. Darüber hinaus lösen sie je eine Aufgabe aus ihren Fachbereichen, die Sie meist schon eine Woche vor dem AC-Termin erhalten haben. Beides präsentieren sie unter anderem vor dem Vorstand und Fachverantwortlichen aus dem Unternehmen.

So erhalten die Entscheider einen Eindruck von den Persönlichkeiten und fachlichen Qualifikationen der Bewerber.

III) HR-Abteilung mit externer Personalberaterin (Dauer: 45 Minuten)

In der nächsten Runde geht es darum, die sozialen Kompetenzen der Kandidaten unter die Lupe zu nehmen. Dabei unterstützt die externe Personalberaterin, die dazu eigens entwickelte Kompetenzprofilkarten verwendet.

IV) Mitarbeiterrunde (Dauer: 45 Minuten)

In der Mitarbeiterrunde lernt der Kandidat Kollegen aus der Abteilung kennen, mit denen er gegebenenfalls arbeiten würde. Hinzu kommen Mitarbeiter aus Fachabteilungen, die zukünftig eng mit ihm zusammenarbeiten würden. In dieser Runde muss der Bewerber keine Aufgaben lösen. Ziel ist ein offenes Gespräch, in dem die Kollegen den Kandidaten über Aufgaben und Inhalte der Position, über das Arbeitsklima und das Team informieren – und versuchen, sich selbst einen Eindruck von den fachlichen und persönlichen Kompetenzen des Bewerbers zu verschaffen.

V) Individuelle Aufgabe (Dauer: 45 Minuten)

Je nach Position lassen sich in einer weiteren Runde zusätzliche Aspekte wie zum Beispiel Englisch-, IT- oder Buchhaltungskenntnisse durch Praxisbeispiele überprüfen. So könnte ein Kandidat, der sich für eine Position in der Windkraftanlagenüberwachung beworben hat, die Aufgabe erhalten, nach dem Ausfall einer Windkraftanlage einen „Mühlenwart“ anzurufen, der ausschließlich Englisch spricht. Dafür erhält der Kandidat Unterlagen mit technischen Details zur betreffenden Windkraftanlage sowie Informationen zu Inhalt und Ziel der Aufgabe. Die englischen Fachbegriffe werden ihm zur Verfügung gestellt. Die Aufgabe nennt eine Ansprechperson mit Kontaktdaten – und der Kandidat erhält ein Telefon. Die Rolle des Mühlenwarts übernimmt ein W.E.B-Mitarbeiter mit guten Englischkenntnissen. Dieser informiert HR in der Entscheidungsrunde über den Gesprächsverlauf beziehungsweise die Englischkenntnisse des Bewerbers.

VI) Gruppenaufgabe (Dauer: 25 Minuten)

Zum Abschluss stellt W.E.B häufig eine Gruppenaufgabe, in der deutlich werden soll, wie teamfähig, durchsetzungsstark und konsensorientiert ein Kandidat ist. Die Bewerber lösen diese Aufgabe direkt vor allen AC-Teilnehmern. Anschließend erfolgt die Präsentation – und alle Teilnehmer können ein persönliches Statement darüber abgeben, wie zufrieden sie mit der Gruppenentscheidung sind. Den Abschluss bilden eine kurze Feedbackrunde zum AC sowie eine Information bezüglich der weiteren Vorgehensweise.

VII) Entscheidungsprozess (Dauer: ca. 1 Stunde)

Wenn die Kandidaten verabschiedet sind, folgt die Entscheidungsrunde, an der alle beteiligten Windenergie-Mitarbeiter teilnehmen. Gestartet wird mit einem Brainstorming: Wie erfolgreich war die Englisch-Aufgabe? Welchen Eindruck haben die Kollegen im Mitarbeitergespräch gewonnen? Wie gelungen war die Selbstpräsentation und wie gut hat der Kandidat die Aufgabe aufbereitet? Für die W.E.B ist es wichtig, nicht nur Führungskräfte, sondern auch Mitarbeiter in die Entscheidung einzubeziehen. Sie können so intervenieren, wenn sie sich zum Beispiel einen Kandidaten gar nicht in ihrem Team vorstellen können.

Stufe 5: Onboarding

Ist ein neuer Mitarbeiter ausgewählt, beginnt das Onboarding. In dieser Phase will die W.E.B den neuen Mitarbeitern einen möglichst guten Start im Unternehmen ermöglichen, um frühen Abgängen entgegenzuwirken. Im ersten Schritt ist es wichtig, den Dienstvertrag innerhalb kürzester Zeit zu unterschreiben und bei langen Kündigungsfristen im telefonischen Kontakt mit dem zukünftigen Mitarbeiter zu bleiben. Gegebenenfalls werden die „Neuen“ auch zu Hauptversammlungen oder anderen Veranstaltungen des Unternehmens eingeladen.

HR- und Fachabteilung legen im Vorfeld fest, welchen Arbeitsplatz und welche Ausstattung der Mitarbeiter bekommen soll – vom Computer inklusive spezifischer Software über das Smartphone bis hin zum Firmenwagen. Diese Arbeitsmittel stehen dem Beschäftigten gleich am ersten Tag zur Verfügung. Neben diesen praktischen Dingen erhält jeder neue Mitarbeiter eine Rose auf den Schreibtisch.

Alle zwei Wochen erhält die Belegschaft eine interne E-Mail-Aussendung mit Informationen zum Unternehmen. Darin informiert W.E.B unter anderem auch über die personellen Neuzugänge. Ab dem ersten Arbeitstag werden die neuen Mitarbeiter auch auf der Website präsentiert – mit ihrem Werdegang und einem persönlichen „Lebensmotto“.

Ein weiterer wesentlicher Faktor im Onboarding ist die fachliche Einführung, die der Vorgesetzte oder ein Kollege übernimmt. Jeder neue Mitarbeiter erhält zudem einen Mentor. Dabei handelt es sich um einen Kollegen, der schon lange im Unternehmen ist und sehr viel über die Geschichte der Organisation und ihre Abläufe erzählen kann. Teilweise wählt W.E.B auch bewusst Mentoren aus anderen Abteilungen aus, die sehr eng mit dem neuen Kollegen zusammenarbeiten.

Fazit

Mit einem gezielten und gut geplanten Recruiting will W.E.B unter anderem die Durchlaufzeit von der Inseratschaltung bis zur Unterzeichnung des Dienstvertrages möglichst gering halten. Aktuell liegt diese Zeitspanne bei 2,08 Monaten. Doch nicht nur die Geschwindigkeit des Recruitingprozesses ist entscheidend. Indem das Unternehmen Mitarbeiter, Führungskräfte und externe Experten in den Personalauswahlprozess involviert, kann es die Qualität der getroffenen Entscheidungen deutlich steigern. Der fünfstufige Prozess des Recruitings ist für W.E.B der richtige Weg, jene Mitarbeiter zu finden, die zur Organisation passen.

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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 6 November/Dezember 

Im Jahr 1995 errichtete Andreas Dangl, CEO der W.E.B Windenergie AG, unter der Beteiligung von knapp 100 engagierten Bürgern in Michelbach bei St. Pölten die erst dritte Windenergieanlage in Österreich. Heute betreibt die W.E.B 182 Windkraftanlagen, elf Photovoltaik-Anlagen sowie drei Kleinwasserkraftwerke. Ende 2013 beschäftigte das Unternehmen 85 Mitarbeiter. W.E.B sucht vorwiegend Spezialisten in Bereichen wie Finanzen, Technik, Recht, Projektierung oder Kommunikation. Einige dieser Positionen sind nicht einfach zu besetzen – insbesondere, wenn der Fit zum Unternehmen stimmen soll.

Stufe 1: Vorbereitung

Daher legt W.E.B Wert auf ein passgenaues Recruiting, das eine gründliche Vorbereitung erfordert. Wenn der Vorstand eine Stelle freigegeben hat, erarbeitet HR mit dem Fachverantwortlichen einen Stellenplan. Letzterer beschreibt die Anforderungen an die Stelle und listet die Aufgaben des zukünftigen Mitarbeiters auf. Die Personalabteilung gibt der Führungskraft aus dem Fachbereich ein Gefühl dafür, welche Leute derzeit am Markt verfügbar sind. Gemeinsam legen HR und Fachabteilung fest, welche Kanäle sie nutzen wollen, um die Stelle zu bewerben – zum Beispiel Inseratschaltungen im Internet, Hochschulmarketing, Recruitingmessen oder externe Personalberater. Die besten Erfahrungen hat das Unternehmen mit Online-Inseraten gesammelt, sowohl auf der eigenen Homepage als auch auf externen Jobbörsen. Für ganz spezielle Positionen, zum Beispiel bei der Suche für das Ausland, setzt W.E.B auf Headhunter.

Um die Höhe des Gehalts zu ermitteln, zieht das Unternehmen einen externen Benchmark Spezialisten heran, der für alle Funktionen im Unternehmen ein Gehaltsbenchmark durchgeführt hat. Sobald die Ausschreibung steht, fixieren HR und Fachabteilung den zeitlichen Ablaufplan (Wann schalten wir die Inserate? Was sind mögliche Termine für Bewerbungsgespräche? Auf welchen Termin legen wir das Assessment-Center?).

Stufe 2: Auswahl

Die über das Online-Bewerbungstool auf der Homepage eingehenden Bewerbungen landen direkt in der Datenbank des Unternehmens. Bewerbungen, die W.E.B per E-Mail oder postalisch erreichen, tragen HR-Mitarbeiter in die Software ein. Die Fachverantwortlichen werden per E-Mail über eingehende Bewerbungen informiert und können an die HR-Abteilung ein erstes Feedback zur Bewerberakte abgeben. Einmal wöchentlich stimmen sich HR und Fachabteilung darüber ab, welche Bewerber zu einem Gespräch eingeladen werden und wer eine Absage erhält. Somit ist eine schnelle Rückmeldung gewährleistet.

An den Erstgesprächen nehmen die HR-Leiterin und ein Fachverantwortlicher teil. Sie beschreiben dem Bewerber die Assets des Unternehmens sowie Arbeitsinhalte der zukünftigen Position. Ein Credo der W.E.B ist, dass eine Bewerbung immer beidseitig erfolgt. Nicht nur Unternehmen möchten die besten Mitarbeiter gewinnen, auch Bewerber wollen in den besten Unternehmen arbeiten. Im Erstgespräch werden die Bewerber auch über die weiteren Schritte informiert. Sie erhalten den Termin für das Assessment-Center und erfahren, was sie dort erwartet. Da die W.E.B das AC im Vorfeld plant, kann sie den Kandidaten bereits zu diesem Zeitpunkt darüber informieren, wann sie mit einer Entscheidung (Absage oder weiterer Auswahlprozess) rechnen können.

Stufe 4: Assessment-Center

Auch das AC soll dazu beitragen, dass sich Kandidaten und Unternehmen besser kennenlernen. Normalerweise durchlaufen die Teilnehmer sechs Stationen in der Konzernzentrale, bevor in der finalen Entscheidungsrunde über ihre Aufnahme in das Unternehmen entschieden wird. Die W.E.B organisiert die Assessment-Center selbst – und passt sie individuell an die Positionen an. Für die EDV-Lehrlingsposition entwickelte HR zum Beispiel einen eigenen Test, der IT-Kenntnisse, Mathematik, Englisch und Allgemeinwissen abfragte. Hinzu kamen eine kurze Selbstpräsentation in der Vorstandsrunde sowie ein Gespräch mit den Kollegen.