(Anschluss an BFH-Urteil vom 9. Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427)

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EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3, Urteil vom 23. April 2009 VI R 39/08

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 5. Juni 2008 3 K 55/07

Gründe

I. Der im Streitjahr (2000) alleinstehende Kläger und Revisionskläger (Kläger) war für seinen Arbeitgeber, einen Einzelunternehmer, seit Januar 1995 als Marktleiter eines Lebensmitteleinzelhandels tätig. Der Arbeitgeber gehörte im Streitjahr einer regionalen Genossenschaft (G) an, die neben einer KG zu 50 Prozent an einer Handelsgesellschaft mbH (GmbH) beteiligt war, die wiederum als Großhändler auch den vom Kläger geleiteten Markt belieferte. G war außerdem an der KG beteiligt und Mitglied im Verband (V), einem Prüfungsverband im Sinne von § 54 des Genossenschaftsgesetzes. V schrieb unter anderem Beurteilungen der Persönlichkeit und der Leistungen des Bewerbers enthalten.

Aufgrund seiner Bewerbung wurde dem Kläger im Juni 2000 der Nachwuchsförderpreis in der Kategorie Marktleiter verliehen und der ausgelobte Preis ausgezahlt. In seiner Einkommensteuererklärung 2000 machte der Kläger hierzu keine Angaben.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) durch die Prüfungsmitteilung aufgrund einer in den Jahren 2002 und 2003 bei V durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung im Januar 2003 von der Preisverleihung an den Kläger erfahren hatte, erließ er am 26. Februar 2003 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2000, in dem er das an den Kläger gezahlte Preisgeld in Höhe von 10 000 DM als Arbeitslohn behandelte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, der Kläger habe den Preis für seine Leistungen erhalten, die er als angestellter Marktleiter seit 1995 bis zur Bewerbung um den Nachwuchsförderpreis im Streitjahr erbracht habe. Vom Bewerber sei eine ausführliche Darstellung seiner Leistungen als Marktleiter gefordert worden. Diese hätten die Entscheidung über die Preisverleihung maßgeblich beeinflusst. Der Arbeitgeber des Klägers und die GmbH hätten die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistungen des Klägers zusammenfassend gewürdigt und diesen für den Nachwuchsförderpreis empfohlen. Auch soweit die Persönlichkeit des Klägers gewürdigt worden sei, stehe dies im Zusammenhang mit dessen Arbeitsleistungen. Bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse des Streitfalls stelle sich der Förderpreis als Frucht der Arbeitsleistung des Klägers dar, auch wenn nicht der Arbeitgeber, sondern ein Dritter den Preis verliehen habe.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 26. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2003 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das dem Kläger verliehene Preisgeld unter den im Streitfall vorliegenden Umständen als Arbeitslohn anzusehen ist.

1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen.

a) Vorteile werden “für” eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.

Der Annahme von Arbeitslohn steht auch nicht entgegen, wenn die Zuwendung durch einen Dritten erfolgt, sofern sie ein Entgelt “für” eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass die Zuwendung des Dritten sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (zum Beispiel Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20. November 2008 VI R 25/05, BStBl II 2009, 382; vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826; vom 10. Mai 2006 IX R 82/98, BFHE 213, 487, BStBl II 2006, 669; vom 19. August 2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076; vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545).

b) Kein Arbeitslohn liegt allerdings vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2005 VI B 30/04, BFH/NV 2005, 884; vom 28. Juni 2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870, jeweils m.w.N.; BFH-Urteile vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509; vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; in BStBl II 2009, 382; in BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076; Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 19 Rz 29).

c) Auch Preise, die dem Steuerpflichtigen verliehen werden, können zu Erwerbseinnahmen und damit auch zu Arbeitslohn führen.

Für Betriebseinnahmen hat der IV. Senat des BFH (Urteil vom 9. Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427, m.w.N.) entschieden, dass nicht nur solche Einnahmen als betrieblich veranlasst zu werten sind, die aus der Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Betriebseinnahmen können auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält. Voraussetzung ist allerdings stets, dass die Zuwendung einen wirtschaftlichen Bezug zum Betrieb aufweist. Es genügt nicht, dass sie lediglich in einem äußeren Zusammenhang dazu steht. Diese Grundsätze hat der IV. Senat des BFH auch auf Preise angewandt, die einem Steuerpflichtigen verliehen werden. Danach können sich die Betriebsbezogenheit einer Preisverleihung und die Wertung der damit verbundenen Dotation als Betriebseinnahme daraus ergeben, dass die Zuwendung unbeschadet ihres besonderen Rechtsgrundes (Auslobung nach § 657 des Bürgerlichen Gesetzbuches) wirtschaftlich den Charakter eines leistungsbezogenen Entgelts hat. Dies gilt z.B. bei einem Architektenwettbewerb, bei dem der Veranstalter typische Berufsleistungen eines Architekten zum Inhalt seiner Auslobung macht und auch ein besonderes wirtschaftliches Interesse an dem Ergebnis des Wettbewerbs hat. Als privat veranlasst sind dagegen Preise zu beurteilen, die für das Lebenswerk oder das Gesamtschaffen verliehen werden. Solchen Preisverleihungen liegt kein wirtschaftlicher Leistungsaustausch zugrunde. Die Auszeichnung wird dem Steuerpflichtigen auch nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsinhaber zuteil. Selbst wenn die Preisverleihung in einem äußeren Zusammenhang mit bestimmten beruflichen Leistungen steht, soll mit der Auszeichnung nicht in erster Linie die berufliche Leistung des Preisträgers gewürdigt, sondern seine Persönlichkeit geehrt werden.

Nach Auffassung des erkennenden Senats sind diese Grundsätze für die Beurteilung, ob Vorteile “für” eine Beschäftigung gewährt worden und damit als Arbeitslohn anzusehen sind, entsprechend heranzuziehen.

d) Die Beantwortung der Frage, ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden (BFH-Urteile in BStBl II 2009, 382, und in BFH/NV 2007, 898; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1870). Gleiches gilt für die Beurteilung, ob die Zuwendung eines Dritten sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Auch die Würdigung, ob Preisgelder eher die berufliche Leistung des Preisträgers honorieren oder vornehmlich dessen Persönlichkeit ehren sollen, ist in erster Linie eine tatrichterliche Aufgabe. Die Tatsachenwürdigung des FG ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des FG, dass der streitbefangene Preis im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Klägers stehe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das FG hat seine Würdigung, dass die Zahlung des Nachwuchsförderpreises durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst gewesen sei und dass die Persönlichkeit des Klägers zwar bei der Preisvergabe mit berücksichtigt worden sei, jedoch nicht im Vordergrund gestanden habe, umfassend dargelegt. Dabei hat es wesentlich auf die auch im Rahmen der Bewerbung des Klägers darzustellenden Leistungen als Marktleiter abgestellt und ausgeführt, dass der Preis gerade für diese fachlichen Leistungen vergeben worden und damit als Frucht der Arbeit des Klägers anzusehen sei. Die Würdigung, der Preis sei maßgeblicher Ausfluss der vom Kläger erreichten betriebswirtschaftlichen Ziele und seiner Fähigkeiten in Personalführung und Marketing gewesen, ist möglich. Gleiches gilt für die Einordnung und Gewichtung der Persönlichkeit des Klägers im Rahmen seiner beruflichen Aktivitäten. Die Auffassung des FG, die Persönlichkeit des Klägers könne im Streitfall nicht losgelöst von dessen Arbeitsleistungen gesehen werden, ist jedenfalls nachvollziehbar. Dass es sich bei V –historisch begründet– um einen genossenschaftsrechtlichen Prüfungsverband handelt, schließt nicht aus, dass V auf übergeordneter Ebene durch Förderung qualifizierten Personals wirtschaftliche Interessen der beteiligten Genossenschaften und der an diesen Genossenschaften beteiligten Einzelhändler –darunter der Arbeitgeber des Klägers– verfolgt hat. Vielmehr spricht der Umstand, dass es sich bei dem Preis ausdrücklich um eine “Nachwuchsförderung” im Rahmen eines auf kommerzielle Interessen ausgerichteten größeren Verbundes von Einzel- und Großhandelsunternehmen gehandelt hat, gerade dafür, dass die Bewertung der Fähigkeiten des Klägers im Rahmen der wirtschaftlichen Zielverfolgung innerhalb seiner nichtselbständigen Arbeit und nicht die von der Berufsausübung des Klägers losgelöste Ehrung der Persönlichkeit im Vordergrund gestanden hat. Auch das Alter des im August 1974 geborenen Klägers spricht eher dafür, dass nicht bereits im Streitjahr mit der Preisverleihung ein “Lebenswerk” habe gewürdigt werden sollen.

b) Ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der streitbefangene Preis ein Entgelt “für” eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbracht hat, so steht der Annahme von Arbeitslohn nach den genannten Maßstäben auch nicht entgegen, dass dem Kläger das Preisgeld nicht von seinem Arbeitgeber, sondern von einem Dritten zugewendet worden ist.

c) Zu Recht ist jenseits der Frage, ob der an den Kläger verliehene Preis zu Arbeitslohn geführt hat, zwischen den Beteiligten nicht streitig, ob die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgelegen haben, nachdem das FA erst im Januar 2003 von der Preisverleihung im Jahr 2000 erfahren hat.

3. Ob das streitbefangene Preisgeld auch die Voraussetzungen von (sonstigen) Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Zwar ist eine solche Leistung jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im privaten Bereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. November 2007 IX R 39/06, BFHE 220, 67, BStBl II 2008, 469, m.w.N.). Entscheidend ist danach, ob die Gegenleistung (das Entgelt) –wofür im Streitfall auch einiges spricht– durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist; dafür genügt schon die Annahme einer für das Verhalten gewährten Gegenleistung (z.B. BFH-Urteile vom 21. September 2004 IX R 13/02, BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44, und vom 8. Mai 2008 VI R 50/05, BFHE 221, 157, BStBl II 2008, 868; in BFHE 220, 67, BStBl II 2008, 469). Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) jedoch nur Einkünfte aus Leistungen, soweit sie –anders als im Streitfall– weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 10. Juni 2009