In der Krise sind Werte en vogue. Unternehmen verweisen in diesen Tage gerne auf ihren Wertekanon, den sie nicht selten in lustigen, bunten Broschüren oder im Internet zur Schau tragen. Ein Revival der Werte, könnte man meinen. Doch wie sieht es eigentlich mit der Umsetzung aus? Licht in dieses Dunkel bringt nun eine gemeinsame Studie der „Wertekommision – Initiative für Werte Bewusste Führung“ und des „Deutschen Managerverbands“. Und ehrlich gesagt, bleibt es dabei ziemlich finster, denn die befragten „Jungmanager“ im Alter von 26 bis 40 Jahren haben der Befragung zufolge „Politik“ im Unternehmen satt. „Sie wollen nicht einen erheblichen Teil ihrer Arbeitskraft an Ränke, psychologische Spielchen, versteckte Konkurrenzen und das Rätseln über die Strategie des Unternehmens (und die Taktik der Vorgesetzten und Kollegen) verschwenden“, so die Studienmacher.

Mehr als 500 Nachwuchs-Manager haben in der zweiten Jahreshälfte 2008 die Wertefragen beantwortet – noch bevor die Krise so richtig an Fahrt gewann. So liest sie sich wie eine Analyse der gegenwärtigen Misere: Gerade einmal 14 Prozent der Teilnehmer behaupten von sich, dass sie jederzeit und ungehindert werteorientiert handeln können. 38 Prozent der Teilnehmer sagen, dass sie das Verhalten ihres direkten Vorgesetzten daran hindere, die Unternehmenswerte zu leben. Auch Profitorientierung und drohenden oder befürchteter Personalabbau geben sie als Haupt-Hindernis für einen werteorientierten Unternehmensalltag an.

Fast 40 Prozent der Befragten sind überzeugt, Unternehmen bezögen sich nur aus Marketinggründen auf Werte. Den Grund beleuchten weitere Frageblöcke: Gefragt nach dem Umgang mit Begünstigungen und Machtmissbrauch erklärten 28 Prozent derjenigen, die so etwas in ihrem Unternehmen beobachtet hatten, dass die Vergehen schlichtweg verschwiegen oder ignoriert wurden. Mehr als die Hälfte der jungen Führungskräfte hält Managemententscheidungen nicht für transparent und sauber dokumentiert. Der Wertebezug von Führung ist so nicht nachvollziehbar oder gar überprüfbar.

Aufschlussreich finde ich vor allem die Beobachtung der Studienverantwortlichen, dass die Werteorientierung im Team sehr wohl funktioniert. „In der direkten Begegnung und in der täglichen Kooperation sind Werte offensichtlich in einem ermutigend hohen Ausmaß handlungsleitend“, heißt es in der Studie. Je weniger komplex die Strukturen seien, desto besser funktionierten Werte, weil man sich ihrer Autorität hier nicht entziehen könne und fehlende Glaubwürdigkeit durch informelle und soziale Sanktionen bestraft werde. Die Kehrseite der Medaille: Hierarchie halte oft als Ausrede her, eigene Entscheidungen nicht an Werten abprüfen zu müssen. „Es kommt zu einer Unterbrechung
des Werte-Streams zwischen Top- und mittlerem Management, und die Kommunikation leistet wenig, um dies zu vermeiden oder zu überbrücken.“

Der Nachwuchs erklärt in der Studie folglich auch, wie es besser gehen könnte: Er will mehr Vertrauen, Verantwortung und Entscheidungsspielräume in Verbindung mit einer offenen, kritischen Beurteilungskultur. Gegen klare Vorgaben durch Vorgesetzte haben die jungen Führungskräfte nichts einzuwenden, solange sie so viel Flexibilität wie möglich bekommen, um Werte und Wertschöpfung zusammenzubringen. Der Weg dahin ist anscheinend noch weit.

Die Studie zum Download: http://www.wertekommission.de/content/pdf/kampagne/Fuehrungskraeftebefragung_2009.pdf

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Foto von Husna Miskandar