Podiumsdiskussion von SAGSAGA:
“Planspiele für Wissenstransfer und Kompetenzentwicklung”

man standing in front of people sitting beside table with laptop computers
Foto von Campaign Creators

Moderation: Prof. Dr. Willy Kriz

Wann und Wo:
Messe Zukunft Personal, Koelnmesse
22. September 2009
15.30 – 16.15, Forum 7, Halle 5.2

Herr Prof. Dr. Kriz, „Gamebased Learning“ bezeichnen in letzter Zeit viele als einen neuen Trend. Sehen Sie das auch so?
Ich beobachte zunehmendes Interesse an dem Thema. Denn Spiele, die zum Lernen eingesetzt werden, eignen sich unter bestimmten Bedingungen wirklich optimal dazu, Kompetenzen und ihre Anwendung am Arbeitsplatz zu üben. Und das ist in Schulungen immer mehr gefragt. Außerdem sehen viele Unternehmen Computerspiele nicht mehr nur als Freizeitbeschäftigung von Kindern und Jugendlichen, sondern erkennen das Potenzial fürs Lernen. Computerspiele für Schulungen zu nutzen, ist aber eine rein „technische“ Entwicklung.

Was meinen Sie damit genau?
Früher konnte man bestimmte Dinge nicht machen, weil die entsprechende Hard- und Software fehlte. Trotzdem ist heute mit neuen Möglichkeiten der Web Based Games, Online-Spiele oder der digitalen Lernspiele die Grundidee und Methode quasi gleich geblieben. Die Begriffe, die nun dafür verwendet werden, sehe ich deshalb eher als eine Art Modewelle. Nehmen Sie zum Beispiel die Planspiele: Das Prinzip besteht seit mehr als 50 Jahren. Wenn heute viele von Serious Games sprechen, dann ist das ein Marketinginstrument. Der Begriff ist übrigens auch schon mehr als 25 Jahre alt, aber eben gerade wieder besonders in Mode.

Planspiel hört sich zu altmodisch an?
Anscheinend ja. Doch im Grunde hängt das stark von der Zielgruppe ab. Manche Unternehmen berichten: „Planspiele dürfen wir nicht sagen, denn das hört sich für unsere Mitarbeiter zu sehr nach Spiel an und könnte kindisch und unseriös wirken. Wir verwenden Lernprogramm oder Simulation.“ Andere sind überzeugt, dass die Mitarbeiter eine „Simulation“ als etwas Mathematisches oder Theoretisches betrachten könnten und bevorzugen den Spielbegriff. Die Unternehmenskultur spielt also eine große Rolle bei der Bezeichnung. Prinzipiell finde ich jedoch den Begriff „Serious Games“ schwierig, denn ich wüsste nicht, wo die Abgrenzung zwischen ernsthaften und nicht-ernsthaften Spielen sein sollte. Denken Sie mal ans Fußballspiel. Ist das denn kein Serious Games angesichts der Summen, die dabei teilweise im Umlauf sind?

Da ist etwas Wahres dran. Aber gibt es vielleicht doch einen inhaltlichen Unterschied zwischen Planspielen und Serious Games?
Beide Begriffe werden oft für alle Arten von Lernspielen gebraucht. Aber die Bezeichnung Serious Games hat sich im Umfeld der Computerspieltechnik und von digitalen Lernspielen entwickelt und dabei geht es auch darum, dass der Einzelne allein spielen kann. Beim klassischen Planspiel haben wir immer eine Gruppensituation mit gemeinsamen Entscheidungen und Rückmeldungen der anderen Teilnehmer. Ein international anerkannter Sammelbegriff ist „Gaming Simulation“. Planspiele aller Art, alle Formen von „Gamebased Learning“ und das, was heute gerne als „Serious Games“ bezeichnet wird, sind Teilbereiche davon.

Die Finanzkrise und der dadurch ausgelöste wirtschaftliche Abschwung haben uns deutlich vor Augen geführt, dass die globale Wirtschaftswelt immer komplexer wird. Wie wirkt sich das auf die Welt der Lernspiele aus?
Seit einigen Jahren kommt in Planspielen zunehmend die wirtschaftliche Globalisierung als Modell der Realität vor. Da werden Märkte anders simuliert als noch vor zehn Jahren – sowohl von der Trainingsumgebung als auch vom Planspielmodell her. Die Wirtschaftskrise bewirkt nun eher, dass Unternehmen die Einsatzmöglichkeiten erkennen: In der realen Welt müssen Mitarbeiter und Führungskräfte mit einer großen Unsicherheit umgehen und sie können nicht immer von Vornhinein sagen, was passieren wird. Planspiele können darauf vorbereiten, die beste Lösungsmöglichkeit zu finden – mehr als alle anderen Methoden. Authentische Lernumgebungen kommen sehr nahe an die Komplexität der Realität heran, mit dem Vorteil, dass man dort aus Fehlern lernen kann, ohne dass sie reale Folgen haben. Das ist ja einer der Gründe, weshalb Planspiele seit jeher im Militär oder bei Katastrophenhelfern eingesetzt werden.

Wie können Planspiele bei der richtigen Entscheidung helfen?
Führungskräfte können unterschiedliche Szenarien und Handlungsoptionen mit ihren Folgen simulieren. Je nach Ergebnis haben sie die Möglichkeit, nach bestem Wissen und Gewissen ihre Entscheidungen zu treffen. Damit bieten Planspiele konkrete Anhaltspunkte, auf die sich Manager stützen können. Sie müssen sich nicht aus einem intuitiven Bauchgefühl heraus entscheiden.

In Planspielen muss die Komplexität der realen Welt notwendigerweise auf das Wesentliche reduziert werden. Können Unternehmen schwierige Situationen dabei überhaupt realistisch üben?
In Simulationen, die auf ein Unternehmen zugeschnitten sind und rein der Entscheidungsfindung dienen, können sie jeglichen Grad an Komplexität vorsehen. In Schulungen hängt das jedoch stark von der Zielgruppe ab, welches Vorwissen sie hat und welche Erfahrung sie mitbringt. Es gibt Spiele mit unterschiedlichen Komplexitätsgraden und unterschiedliche Spiele für verschiedene Komplexitätsgrade. In einer Schulung muss das Spiel immer mit dem Wissen der Zielgruppe gekoppelt sein. Wenn es zu kompliziert wird, sind die Spieler überfordert und lernen nichts. Dann probieren sie nur wild etwas aus und können die Erfolge nicht wirklich mit einer realen Situation verknüpfen. Wenn es zu wenig komplex ist fühlen sich die Leute unterfordert. Die Kunst besteht darin, den richtigen Komplexitätsgrad zu finden, damit das Spiel herausfordernd, motivierend, realistisch und trotzdem zu bewältigen ist. Dabei kommt es vor allem auf den Trainer an. Das tollste Planspiel nützt nichts, wenn der Trainer schlecht ist.

Welche Aufgabe hat der Trainer genau?
In der Regel muss er eine Einführung geben und erklären, worum es geht, was die Ziele sind und wie das Ganze vom Setting her abläuft. Manchmal muss er bestimmte Materialien bereitstellen und die Leute in Rollen einführen. Es kommt dabei sehr auf die Vorbereitung an, denn das Planspiel an sich ist noch keine Lernumgebung, sondern nur ein Teil davon. Während des Spiels hat der Trainer dann die Aufgabe, die Spieler zu unterstützen, ihnen mehr oder weniger zu helfen. Je nachdem kann er das Planspiel schwerer oder leichter machen. Außerdem muss er entscheiden, wie die Gruppe das Planspiel dann weiter reflektieren soll. Es gilt zu überlegen: Was mache ich mit den Teilnehmern, damit sie ihre Erkenntnisse auf das Unternehmen übertragen und dort dann auch umsetzen können?

Es kommt für den Lernerfolg also nicht nur auf das Spiel an, sondern vor allem auf diesen Reflexionsprozess?
Ja, richtig. Im Idealfall ist die Reflexion der umfangreichste Teil einer solchen Weiterbildung. Über diese Verknüpfung von Lerninhalt und Anwendung in der Praxis machen sich viele Unternehmen noch zu wenig Gedanken. Das hat aber weniger mit Planspielen zu tun als eher mit der Einstellung von Personalentscheidern, die glauben, sie können ihre Leute auf eine Schulung schicken, damit sie dort etwas lernen und wenn sie zurückkommen, haben sie bestimmte Kompetenzen, die die Mitarbeiter dann auch einsetzen. Das funktioniert aber nur bedingt. Planspiele sind oft ein Einstieg, um bestimmte Problemstellungen bewusst zu machen. Manchmal sind das lediglich zwei Tage Schulung und dann ist alles vorbei.

Unternehmen nehmen sich also nicht die dafür nötige Zeit?
Das hat sich sehr stark gewandelt. Während sich vor zehn Jahren vielleicht noch mal ein Planspielseminar mit drei oder vier Tagen gut verkaufen ließ, kann man das heutzutage fast vergessen. Da werden die meisten Unternehmen eher eineinhalb, maximal zwei Tage einplanen. Und wenn Sie nicht vernünftig mit den Teilnehmern reflektieren können, wirkt sich das negativ auf die Kompetenzentwicklung aus. Spielen alleine kann kurzfristig zwar etwas bewusst machen und die Motivation fördern, langfristiger Kompetenzerwerb und Kompetenzeinsatz kommt aber nicht durch pures Spielen.

Inwiefern kommen Unternehmen mit Simulationsspielen von der Stange aus?
Planspiele für reine Schulungen gibt es schon sehr viele mit unterschiedlicher Spieldauer. Am deutschen Markt sind rund 2000 verschiedene Spiele erhältlich. Schwieriger wird es bei Planspielen, die Entscheidungen unterstützen sollen. Dafür muss die Simulation immer an das Unternehmen angepasst sein, denn es geht um eine einmalige Situation eines bestimmten Unternehmens, die ich abbilden möchte. Das sollte immer individuell angepasst werden.

Das ist dann ja wahrscheinlich auch eine Preisfrage?
Ja, das stimmt. Aber Unternehmen sollten sich auch immer im Klaren sein, was die Alternative ist, wenn sie dabei zu sehr sparen. Manchmal kann man bestimmte Planspielelemente verwenden, die es schon gibt, sogenannte halboffene Planspielsettings, die schon teilweise vordefiniert sind und mit konkreten Fällen aus der Organisation angepasst werden können. Dafür muss man schon von einigen zehntausend Euro ausgehen. Doch es kommt immer darauf an, wie umfangreich die Entwickler ein System, das bedeutet ein Unternehmen, abbilden sollen. Geht es nur um einen bestimmten kleinen Teilbereich oder ist das ganze Unternehmen betroffen? Bei großen Projekten oder wenn es wirklich hundertprozentig maßgeschneidert sein muss, können Interessierte vielleicht noch einmal mit einer Null mehr rechnen – einem sechsstelligen Preis also. Gute Planspielprodukte für reine Schulungszwecke gibt es hingegen schon für ein paar Tausend Euro.

Ich höre immer wieder von Leuten, die privat Computerspiele spielen, dass sie Planspiele langweilig finden. Liegt das daran, dass die Unternehmen zu viel gespart haben?
Natürlich ist das eine Kostenfrage. Computerspiele zum privaten Gebrauch sind heute einfach sehr professionell gemacht. Wenn ich wirklich so eine perfekte Simulation für Schulungszwecke entwickle, dann wäre das schnell eine sehr teure Angelegenheit, die sich wenige Unternehmen leisten. Doch wenn jemand in einer Schulung deshalb von einem Planspiel enttäuscht ist, kann das auch daran liegen, dass falsche Erwartungen und Ziele da sind. Natürlich sollen und können auch digitale Lernspiele und Planspiele aller Art Spaß machen und spielendes Lernen ermöglichen. Aber in guten Planspielen gibt es auch Phasen von Frust und Unzufriedenheit, die herausfordernd und deshalb motivierend wirken. Es sollte ganz klar sein: Prinzipiell verfolgen herkömmliche Computerspiele einen ganz anderen Zweck – zumindest nicht primär den, dass ich dabei etwas lerne.

Interview: Stefanie Hornung