Deus ex machina bedeutet
unzeitgemäßes Hau Ruck!-Verfahren

man sitting near window holding phone and laptop
Foto von bruce mars

Für mich ist klar: Einer einseitig technikaffinen Lernarchitektur à la Deus ex machina fehlt jedweder praktischer Umsetzungsbezug. Ich spreche ihrem Design echte Lerneffekte ab. Wir sollten das Kind beim Namen nennen: Was in den Köpfen betroffener Beschäftigter geschieht, ist reine Informationsverarbeitung. Bestenfalls wächst nur das intellektuelle Wissen.

Besonders fatal wird es dann, wenn Gewöhnungstäter auf diese Weise ihr Wissen ausbauen. Gewöhnung ist im Spiel, wenn wir in einer Konferenz möglichst immer auf dem gleichen Stuhl sitzen, morgens mit der gleichen Bahn fahren und auch dort immer im gleichen Wagen sind. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Lernen tun wir dabei logischerweise nicht. Das liegt daran, dass wir lediglich neuronale Verschaltungen im semantischen Gedächtnis aktivieren. Es ist aber das episodische Gedächtnis, das unser Erfahrungslernen steuert. Warum müssen angehende Autofahrer in die Fahrschule, warum können sie Fahren nicht am Bildschirm mit Fragenkatalogen lernen? Weil nur in der Fahrschule das episodische Gedächtnis angesprochen wird. Sie zweifeln noch? Sind Sie denn aus dem Stand in der Lage,  einem Nicht-Autofahrer das Fahren so zu erklären, dass er in den PKW steigt und loskurvt?  

Aus all dem folgt eine Kardinalfrage für jeden der im Bildungsgeschäft zu tun hat:

Wollen wir, dass unsere Mitarbeiter Informationen verarbeiten
oder
wollen wir ihre Kreativität und Agilität fördern?

Jetzt Gravitationsgesetze überholter Bildungsdenke aufheben

     Lassen Sie uns künftig die Bildung aufheben; im dialektischen Sinn.

>> Lassen wir altes und überholtes Bildungsdenken emotional los,
     suchen wir uns dazu Erlebnismöglichkeiten, um umzulernen.
>> Bewahren wir Traditionen auf, die ihre Ursache ins Lebensgesetzen haben.
>> Entwickeln wir, was Beschäftigte als für sich wirksam erleben.

Damit wir uns nicht missverstehen. Ich blase nicht in dasselbe Superlative-Horn wie allzu technikgläubige Fachleute. Und ich kenne auch nicht die Lösungen. Ich gebe nur weiter, was ich an Ansätzen kennengelernt habe in meinem Bildungsgeschäft. Vielleicht ist es auch dafür an der Zeit: Weniger Verallgemeinerungen, mehr persönliche Erfahrungen.

Lassen Sie uns doch erforschen,

>> wie Lernräume wirken
>> was der Paradigmenwechsel vom Lehrer zum Lernbegleiter bedeutet, 
>> welche methodischen und didaktischen Simulationen in welchen Gebieten sinnvoll sind.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Tom Thomison, einem Partner und Mitbegründer von Holacracy One: „Es ist nicht die Aufgabe der Organisation, Menschen zu entwickeln, sondern den Menschen wird durch die Arbeit in der Organisation die Gelegenheit gegeben, sich zu entwickeln.“

Habe ich Ihren Widerspruch geweckt oder Ihnen aus dem Herzen gesprochen. Dann schreiben Sie mir an Heiko.Miedlich@wbstraining.de
Ich freue mich, wenn ich erleben darf, was mein Text mit Ihnen macht.

Selbstsabotage: Lebensgesetze verrücken wollen

Sie können nun einwenden: Gut, die Praxis ist teilweise suboptimal. Aber was wäre denn die besseren Alternativen im Spiel um Quoten, Vertriebserfolge und Strategieziele?

Meine Antwort: Lassen Sie uns hinter die Technik zurückgehen. Echte Lernmotivation läuft über Emotionen. Die Werbungbranche weiß dies schon lange und kein guter Werbespot kommt ohne eine emotionale Komponente aus. Herz und Bauch müssen adressiert werden. Die Erkenntnis, dass diese beiden Organe ebenso wichtige Nervenzentren wie das Gehirn sind, ist unter Forschern noch nicht so alt.

Ich gehe noch viel weiter:

Herz- und Bauchentscheidungen bringen uns unserem Lebensglück näher. Die Werke  von Ken Wilber, Otto Scharmer, Frederic Laloux u.v.a. belegen dies eindrucksvoll. Auch wenn es Menschen gibt, die diese Erkenntnisse ignorieren und leugnen. Wie auch immer Sie das Kribbeln im Bauch und auf der Haut erklären, das eintritt, wenn Sie emotional ergriffen sind. Es ist ein Phänomen, das zu uns gehört und wenn wir diese Tatsachen akzeptieren, können wir sie auch nutzen. Akzeptieren wir die Tatsache nicht, sabotieren wir uns selbst.

                      ZITAT >> “Das Herz erzeugt Magnetfelder mit einer Stärke von
                               der Größenordnung von 50 
pT. Dies entspricht etwa
                                              dem 0.000 001 Teil des Erdmagnetfeldes, dies ist
                                    aber mindestens 2 Größenordnungen stärker als die Felder
                                                       des Gehirns (MEG).” <<

 

                      Aus einer Vorlesung zur Medizinphysik der
                      Uni Dortmund (Elektrische und magnetische Felder).

Sie lesen jetzt diesen Text. Damit halten Sie schon inne. Bilder lenken Sie nicht ab, keine Videos flimmern, Sie befinden sich in Ihrer gedanklichen Welt. Obwohl Sie gerade online sind, tun Sie etwas, das Millionen Menschen in Millionen Stunden an Büchern getan haben. Sie arbeiten an Ihren Erkenntnissen. Will heißen: Nur, weil Sie ein modernes Werkzeug – also Ihr digitales Endgerät einsetzen, ändern Sie nichts an einem grundlegenden Prozess für Ihre Entwicklung. Und ganz generell gesprochen: Moderne Tools verändern Prozesse nicht zwingend. Vielleicht ist ein Prozess anders, aber es ist immer noch derselbe Prozess. Das ist doch erst mal eine beruhigende Nachricht: Wir lernen noch immer, wie schon Konfuzius sagte. Und mit Einstein können wir ein wenig moderner formulieren:

„Lernen ist Erfahrung, alles andere ist einfach nur Information.“
Lassen Sie uns von diesem Satz ausgehend erkunden, warum
Planen eine Sache ist, das Lernen aber eine andere.

Die inzwischen oft bemühte Hirnforschung eines Manfred Spitzer oder Gerald Hüther soll uns auch in diesem Text den Weg weisen: Kein Zweifel! Erfahrungen sind die Ursache tiefer Überzeugungen. Damit beginnt praktisch unser Leben. In der frühkindlichen und kindlichen Entwicklungsphase lernen wir – angetrieben durch unsere Neugier – ausschließlich durch das, was wir erleben. Andere Menschen tun etwas, wir beobachten sie dabei und es regt uns an. Arglos machen wir sie nach, weil auch wir können möchten, was sie tun. Das Probieren führt uns zum Ziel.

Später lernen wir auch dadurch, dass wir ganz einfach nachdenken. Unser Prüfstein für das Lernen bleibt allerdings ausschließlich die Praxis. Gelernt oder nicht, zeigt sich am Handeln und Verhalten.

Der Mensch ist ein Wunder,
bis die Planwirtschaft kommt


Vielschichtig lernen, komplex lernen, stark persönlichkeitsverändernd lernen oder auch subtil – all das macht das Wunder „Mensch“ aus; so lange, wie der Einzelne nicht in Systemen landet, in denen sich vor allem Andere für ihn ausdenken, was zu lernen ist. Es ist in unserer Gesellschaft eine gängige Kulturtechnik, dass Experten bestimmen, womit Einzelne ihrer Zeit und Zukunft gewachsen sind. Seit der Aufklärung läuft der Hase nicht anders: Veredelung, Befreiung, Aufrüstung, Anpassung – das sind die Richt-Parolen.

Würden wir die Modernität unserer Zeit an diesen Sätzen messen, so müssten wir den Propheten der Digitalisierung zurufen: Halt, wir sind noch nicht soweit! Es drückt uns ein hundert Jahre alter Schuh. Die Anzeichen dafür sind allzu deutlich; beginnend in der Schule: Diejenigen, deren Neugier sich zufällig mit den Inhalten der Schulen decken, absolvieren dieselbe und  ihre Ausbildung mit guten oder sehr guten Ergebnissen. Diejenigen auf der entgegen gesetzten Skala werden oft genug zu Außenseitern und bleiben im schlimmsten Fall auch noch auf der Strecke.

Studien und Statistiken zufolge steigt die Zahl der „nicht ausbildungsbereiten Jugendlichen“ ständig. Sollten wir uns nicht einmal abseits des „Reißt Euch zusammen“, „Wir konnten das ja auch“ die Frage stellen, woran diese Entwicklung liegt. Ich behaupte als ehemalige Lehrkraft und als der Bildungsexperte, der ich heute bin: Jedenfalls nicht an den Kindern und Jugendlichen. Stellt sie nicht an den Pranger.

Und nun zur Wirtschaft; denn wie unten so oben, lehrt uns ein altes Sprichwort. Ich erfahre – und bin daher überzeugt, dass in den allermeisten Organisationen das „Lernen“ noch nach einem „Deckungsprinzip“ geplant wird.

Gut gemeint ist auch halb daneben

Geschäftsführer und/oder Personalentwickler – vor allem in entsprechenden Abteilungen denken sich anhand ihrer eigenen Ziele aus, was Mitarbeiter zu lernen haben, damit sie den Aufgaben des Arbeitsalltages gewachsen sind. Und dafür gibt es nun machtvolle Tools. Das Zauberwort „Big Data“ suggeriert vielen Verantwortlichen Kontrolle in einem relativ „soften“ Terrain. Man setzt ausgeklügelte Algorithmen auf Mitarbeiter an, Trackingsysteme analysieren datengestützt vermeintliche „Lernerfolge“. Von diesen haben die technikaffinen Weiterbildner mathematisch klare Vorstellungen, wie zum Beispiel:

>> Wie oft wird die Maus während einer „Lernsequenz“ bewegt?
>> Wo schaut das Auge hin?
>> Wie oft muss eine Frage wiederholt werden, bis das richtige Antwortkästchen aktiviert wurde?

Ketzerische Frage: Wie sinnvoll ist es, dass Maschinen Menschen nach maschinellen und statistischen Maßgaben konditionieren? Wer stellt sich die Frage, auf welchen Lerngebieten die digitalen Techniken nützen und wo nicht? Was passiert eigentlich, wenn wir Mitarbeiter nicht fragen, was sie gern lernen und vor allem, wie sie es lernen wollen. Wie wird in allem aktuellen Technikhype die Kreativität und Schöpferkraft der Menschen als Motivation für ihr Lernen angesprochen? „Gamebased“ und Wettbewerbsmentalität sind keine Garantiescheine.  

> > ALLTAGSBEISPIEL „MISSLUNGENE GEPLANTE BILDUNG“
Arbeitsschutzbelehrung optimal günstig und falsch
gemacht.

Eine jährliche Belehrung über den Gesundheits-, Unfall- und Brandschutz im Unternehmen gehört vielerorts zur Routine. Da liegt es nahe, dieselbe kostengünstig zu gestalten. Gelingen sollte das mit einer Softwarelösung: Das Programm führt seinen User in verschiedenen Sequenzen durch die relevanten Themen, ein Lernerfolgstest beschließt jeden Abschnitt. Weiter geht es also immer nur, wenn richtige Antworten geklickt wurden. Zum Schluss attestiert die Software, man habe gelernt, mit einem Feuerlöscher Brände inmitten von Panik und Rauchentwicklung zu eliminieren. Der User hatte zwar noch nie einen zum Probieren in der Hand, aber was soll´s. Der Schein liegt vor. Was meinen Sie? Würden Sie sich auf so einen Schüler im Notfall verlassen? Was sagt Ihr Gefühl? Und jetzt schätzen Sie mal, in wie vielen Firmen es so abläuft. Egal, auf welche Zahl Sie kommen: In keiner Firma sollte das so laufen.

Fotos:

1) Gabi Schoenemann | pixelio.de
2) Jörg Brinckheger | pixelio.de