ArbG Stuttgart Urt. v. 24.09.2009 – 12 Ca 1792/09

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Foto von Scott Graham

Der Mitarbeiter des vorliegenden Falles, der mehr als 20 Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war, zeigte am 19. Februar 2009 an, dass er seine seit 2005 mit der Pflegestufe I pflegebedürftige Mutter in dem Zeitraum vom 15. Juni 2009 bis zum 19. Juni 2009 pflegen werde. Der Arbeitgeber bestätigte ihm die Pflegezeit.

Am 9. Juni 2009 kündigte der Arbeitnehmer einen weiteren Pflegezeitraum für zwei Tage vom 28. bis zum 29. Dezember 2009 an. Das Unternehmen lehnte dies mit dem Hinweis darauf ab, dass der Mitarbeiter bereits im Juni 2009 Pflegezeit in Anspruch nimmt. Zugleich bot es eine unbezahlte Freistellung an.

Dieses Angebot nahm der Arbeitnehmer nicht an und verlangte weiterhin für Ende Dezember 2009 Pflegezeit „nach § 3 PflegeZG“. Er war der Auffassung, dass der Anspruch auf Pflegezeit bis zum Erreichen der Pflegezeit-Höchstdauer auch mehrmals bis zur tatsächlichen Inanspruchnahme von insgesamt sechs Monaten geltend gemacht werden könne.

Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Mitarbeiter seinen Anspruch auf Pflegezeit nach § 3 PflegeZG bereits durch die Wahrnehmung im Juni 2009 vollständig erschöpft hatte. Insbesondere entschied es, dass die Pflegezeit-Höchstdauer von sechs Monaten nicht auf verschiedene Zeiträume aufgeteilt werden kann. Es begründete dies mit dem Wortlaut des Pflegezeitgesetzes, der Gesetzessystematik und vor allem der Zielsetzung des Gesetzgebers. Insbesondere machte das Arbeitsgericht darauf aufmerksam, dass die Inanspruchnahme von Pflegezeit keinen dauerhaften Sonderkündigungsschutz sicherstellen soll, was aber durch „geschicktes“ und langfristiges Ankündigen einzelner Pflegetage womöglich verteilt über das gesamte Arbeitsleben denkbar wäre.

Die Möglichkeit einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG kam ebenfalls nach Auffassung des Gerichts erster Instanz nicht in Betracht. Da die Mutter des Mitarbeiters bereits seit vier Jahren pflegebedürftig wäre, handle es sich nicht mehr um eine „akut“ erforderliche Pflegezeit in diesem Sinne.

Fazit:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart ist das erste zu dem im August 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz überhaupt – zumindest das erste veröffentlichte. Gegenwärtig können Arbeitgeber unter Verweis auf das Urteil eine zweite nicht „akute“ Pflegezeit nach § 3 PflegeZG ablehnen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis kommt.

Zu beachten ist, dass Arbeitnehmer bereits mit der Ankündigung, Pflegezeit in Anspruch nehmen zu wollen, Sonderkündigungsschutz erlangen. Mitarbeiter haben somit – in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs – die Chance, ihre Rechtsposition im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und etwaige Beendigungstatbestände zu verbessern. Wann von einem Rechtsmissbrauch auszugehen ist, damit haben sich die Arbeitsgerichte – ebenso wie mit einer Reihe anderer Probleme, die sich im Hinblick auf das Pflegezeitgesetz stellen – noch nicht beschäftigt. Bei der Auslegung der Vorschriften ist daher Vorsicht geboten.