Es gibt wohl derzeit kaum ein Unternehmen, das gegen die wirtschaftliche Entwicklung immun ist. Das bekommt die Personalabteilung an vorderster Front zu spüren. Beispiel Microsoft: Der Elektronikkonzern hatte in den vergangenen Monaten Stellenkürzungen und ein umfangreiches Sparprogramm angekündigt. Dennoch legt der IT-Riese Wert darauf, weiterhin in seine Belegschaft und damit in die Zukunft des Unternehmens zu investieren. „Wir entwickeln für jeden Beschäftigten einen individuellen Karriereplan, von dem wir Entwicklungsschritte und Weiterbildungen ableiten“, so Brigitte Hirl-Höfer, Director Human Resources von Microsoft Deutschland, in der Pressekonferenz der Messe. Auch das Recruiting liege nicht völlig brach. Erst im Januar startete Microsoft Deutschland ein Traineeprogramm mit 20 Nachwuchskräften. Denn: „Irgendwann ist diese wirtschaftliche Phase vorüber und dann beginnt der Wettbewerb um die besten Köpfe erst richtig.“

An open empty notebook on a white desk next to an iPhone and a MacBook
Foto von JESHOOTS.COM

Neue Wege erproben

Über personalwirtschaftliche Kriseninstrumente diskutierten auch die Teilnehmer einer Gesprächsrunde, zu der die Fachzeitschrift Personalwirtschaft geladen hatte. Angesichts der Wirtschaftslage müssten Personaler den Mut aufbringen, neue Wege zu gehen, unterstrich Siegfried Baumeister, Personalleiter des Autozulieferers Voss Automotive: „Eine Krise wie diese haben wir alle noch nicht erlebt – und daher müssen wir uns neue Instrumente und Methoden überlegen, mit denen wir sie bewältigen können.“ Als sein Unternehmen erste massive Umsatzeinbrüche verzeichnete, reagierte Baumeister prompt und entwickelte mit seiner HR-Abteilung einen Eskalationsplan. Darin definierte sein Team personalwirtschaftliche Instrumente, die auf verschiedenen Eskalationsstufen zum Einsatz kommen sollen – und von Gehaltsverzicht über Kosteneinsparungen bis hin zu Vertragsänderungen reichen.

Auch Karl-Heinz Stroh musste als Personalvorstand der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte neue Wege gehen. Sein Unternehmen hat erst kürzlich als erster Betrieb der Handelsbranche Kurzarbeit für 80 seiner 200 Märkte angemeldet. Die HR-Abteilung betrat damit Neuland. Denn während Kurzarbeit in der produzierenden Industrie und der Automobilbranche ein übliches Mittel der Krisenintervention bei Auftragseinbrüchen ist, schaffte Praktiker für den Handel einen Präzedenzfall: „Wir mussten neue Kriterien definieren, um der Bundesagentur für Arbeit nachzuweisen, dass unser Geschäft konjunkturell bedingt eingebrochen ist“, so Stroh. „Diese Kriterien wurden genauestens geprüft und die BA kontrolliert monatlich, ob wir sie einhalten.“ Auch Voss Automotive hat bereits zum Mittel der Kurzarbeit gegriffen. „Uns ist es zum Beispiel in einem Werk in Polen gelungen, alle Leute weiterzubeschäftigen, indem wir Arbeitszeiten und Gehälter um 20 Prozent reduziert haben“, berichtet Baumeister.

Konsens herrschte in der Runde darüber, dass Unternehmen alle Möglichkeiten der Flexibilisierung ausschöpfen sollten, bevor sie betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Bereits vor der Messe hatten die führenden HR-Organisation, die HR-Alliance und die DGFP, in eigenen Stellungnahmen zur Krise diese Ausrichtung gefordert. „Wir wollen mit unserem Positionspapier zeigen, dass Personaler vor der betriebsbedingten Kündigung noch andere Mittel haben – nämlich die flexibilitätsorientierte Personalarbeit – eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, der Vergütung und der Qualifizierung“, betonte Prof. Gerold Frick von der DGFP. Er räumte jedoch ein, dass sich diese Tools in der Krise nicht von heute auf morgen aus dem Hut zaubern ließen. „Einige Unternehmen haben es also verschlafen, solche Instrumente aufzubauen“, fasste Moderator Erwin Sticklung, stellvertretender Chefredakteur der Personalwirtschaft, zusammen.

Doch was nun? „Es ist ganz wichtig, klar zu kommunizieren – etwa dass auch Instrumente wie Kurzarbeit kein Allheilmittel sind“, stellte Karl-Heinz Stroh heraus. Außerdem bestehe gerade jetzt die Chance Modebegriffe wie Employer Branding mit Leben zu füllen. Das umfasse sowohl den Umgang mit den Mitarbeitern als auch den Kontakt zu potenziellen Mitarbeitern und Absolventen. „Was wir jetzt tun können, ist zum Beispiel Praktika anbieten, bis wir wieder in der Lage sind, Leute einzustellen“, so der Personalvorstand. Es ginge schließlich um diejenigen, die morgen schon wieder alle dringend suchen. „Am Umgang mit diesem Thema beweist sich, ob Unternehmen wirklich strategische Personalarbeit betreiben oder Schönwetterpolitik“, ist der HR-Manager überzeugt.

Den Kopf nicht in den Sand stecken

Einig waren sich viele Akteure auf der PERSONAL2009: Der Personalabteilung müsse in der Krise vor allem eine Coachingfunktion für Führungskräfte zukommen. Dafür sollten HR-Manager jedoch erst einmal selbst wissen, was Führung in turbulenten Zeiten erfolgreich macht. In einer Podiumsdiskussion der Zeitschrift PERSONAL erklärte Dr. Bettina Daser: „Verunsicherung geistert derzeit durch die Unternehmen – egal ob man darüber spricht oder nicht.“ In ihrer Dissertation hat die wissenschaftliche Assistentin des Lehrstuhls für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie der Goethe-Universität Frankfurt, eine Fusion in der Bankbranche empirisch erforscht, um Emotionen messbar zu machen. Mit einer gezielten Kommunikation und vor allem mit einem klaren Zeithorizont für Veränderungen ließe sich in der Krise die Gefühlslage positiv beeinflussen, führt Dr. Daser aus. Dabei dürfte die Art und Weise der Kommunikation schlechter Nachrichten auf keinen Fall trainiert wirken. „Wenn jemand sich als Schauspieler darstellt, wird er nicht erst genommen“, so die Wissenschaftlerin.

„Mitarbeiter bekommen es mit, wenn Führungskräfte schauspielern“, meinte auch Oliver T. Maassen, Head of Human Resources der UniCreditGroup. Das sei ein wichtiges Indiz dafür, dass Führungskräfte nicht für ihren Job geeignet seien. „Wenn eine Führungskraft nicht die DNA zum Führen hat, muss man sie austauschen“, fordert der Personalchef. Eine Trennung von schlechten Führungskräften honoriere die Belegschaft. „Aber beim wie kann man viel falsch machen“, hakte Dr. Wolfgang Brezina, Personalvorstand der Allianz Deutschland, nach. Denn am Ende könne der Eindruck bleiben: „Wenn die mit dem Chef schon so umspringen, was wird dann aus uns?“

Die eigentliche Schwierigkeit für Führungskräfte in der Krise besteht laut Dr. Daser jedoch darin, dass sie Sicherheit ausstrahlen müssen, obwohl sie selbst unsicher sind. Außerdem müssten Leader auch von Zielen oder Ideen Abschied nehmen können, wenn sie feststellten, dass sie nicht mehr realistisch seien. Oliver T. Maassen findet es hingegen wichtig, antizyklisch zu führen, auch wenn mit Widerständen zu rechnen ist. „Gerade jetzt müssen wir mehr Azubis ausbilden und das Talentmanagement fördern“, ist er überzeugt. Fraglich sei dabei lediglich, ob sich das dem Vorstand gegenüber immer durchsetzen ließe. Auch Dr. Brezina hat hier Zweifel: „In der Krise Veränderungen anzustoßen, also auch Entlassungen, ist relativ leicht.“

HR-Markt bleibt stabil

Unabhängig davon, für welchen Kurs sich Unternehmen in der Rezession entscheiden, sind personalwirtschaftliche Instrumente und Lösungen gefragt. Das zeigt auch die Entwicklung der Messe PERSONAL: Gegen den Trend verzeichnete die Fachmesse für Personalarbeit in Süddeutschland keinen Einbruch bei den Aussteller- und Besucherzahlenzahlen, sondern konnte sogar zulegen. 4.316 Fachleute für Human Resources kamen an die Stände von 249 Ausstellern in den vier Messehallen des Veranstaltungscenters M,O,C,. „Der Markt für HR-Dienstleistungen ist erstaunlich stabil“, betonte denn auch Alexander Petsch, Geschäftsführer des Veranstalters spring Messe Management, auf der Pressekonferenz.

„Als die Fachmesse 2005 erstmals unter unserer Leitung stattfand, starteten wir mit 1.642 Fachbesucher und 100 Ausstellern“, erzählt Projektleiterin Tina Engelhard. Vier Jahre später hat die Messe, trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten, einen neuen Besucherrekord erreicht. Außerdem lobten viele Aussteller die hohe Qualität der Besucher. „Wir haben sehr gute Gespräche geführt, die teilweise sehr lang waren und konkret in tiefere Ebenen gingen – eigentlich schon einen Schritt weiter als das für Messegespräche normal ist“, berichtet beispielsweise Kerstin Witt, Prokuristin und Vertriebsleiterin des Bremer Rechenzentrums (BRZ). Mit dem Angebot von Outsourcing-Lösungen für Personalabteilungen gehört BRZ zu den „Gewinnern“ der Krise. „Viele Unternehmen erwägen im Moment, die Fixkosten in der Entgeltabrechnung zu variablen Kosten zu machen“, beobachtet Witt. Auch Lisa Widmann, Marketingverantwortliche der aconso AG, zeigte sich von der Resonanz auf der PERSONAL2009 sehr begeistert. „An unserem Stand war an beiden Tagen ein hohes Besucheraufkommen zu verzeichnen“, erklärt sie. „Einer der Gründe dafür ist sicherlich, dass die Digitale Personalakte, das Kernprodukt der aconso AG, aktuell sehr stark nachgefragt wird.“ Viele Unternehmen, die noch keine Digitale Personalakte eingeführt haben, entscheiden sich angesichts der dadurch möglichen Prozessoptimierungen derzeit für diese Form der Personalverwaltung.

Indikator für die aktuellen Top-Themen des Personalmanagement waren auch die Workshops des Online-Netzwerks HRM.de. Vor allem arbeitsrechtliche Fragen, mit denen sich die Netzwerkgruppe HR-RoundTable München auseinandersetzte, und das Thema Recruiting 2.0 füllten die Workshop-Area des Online-Portals bis zum letzten Platz. Auch andere Vorträge über Recruitingtrends stießen auf überdimensionales Besucherinteresse. „Im ersten Moment könnte man denken, dass Rekrutierung angesichts von vermehrtem Stellenabbau aktuell kein zentrales Thema ist“, sagte Alexander Petsch, Geschäftsführer des Veranstalters spring Messe Management, in der Pressekonferenz der Messe. „Doch Unternehmen haben große Probleme, im Mittel- und Top-Management Kandidaten zu rekrutieren, weil diese nicht wechselwillig sind. Zudem kommen gerade in der Krise Fehlbesetzungen viel stärker zum Tragen“, ergänzt Petsch. Deshalb liefen bei Dienstleistern im Rekrutierungsbereich die Geschäfte im Moment gut.

Optimistische Weiterbildner

Auch die Weiterbildungsbranche ist bisher vor einem Einbruch verschont geblieben. Auf der PERSONAL2009 konnte die Weiterbildungshalle sogar einen starken Zuwachs an Ausstellern verzeichnen: Während im vergangenen Jahr in Stuttgart nur 48 Weiterbildungsinstitute auf der Messe waren, zeigten nun 86 Aussteller ihr Angebot. „Die Weiterbildner berichten uns, dass sie noch sehr stark ausgelastet sind und optimistisch in die Zukunft schauen“, sagt Messemacher Alexander Petsch. Die PERSONAL2009 bestätigte dieses Bild. „Vor allem die Aktionsflächen Training und die Vorträge zum Thema Weiterbildung waren sehr gut besucht“, berichtet Felix Schauerte von next level consulting. „Dies galt auch für unseren gemeinsamen Vortrag mit den SemiNarren über kreative Ansätze in Changeprojekten.“ Insgesamt sei die komplette Produktpalette des Unternehmens von Training über Coaching und Beratung im Projekt- und Prozessmanagement von Besucherinteresse gewesen.

Differenzierter fiel die Nachfrage bei anderen Ausstellern in der Weiterbildungshalle aus. „Wir stellen fest, dass momentan einige Branchen aufgrund der wirtschaftlichen Situation sehr verhalten bis gar nicht ordern“, erklärt Cord-H. Solle, Geschäftsführer des Trainingsanbieters roots. Insbesondere in der Automobilindustrie und im Maschinenbau spüre das Unternehmen die wirtschaftliche Flaute, im IT- und Mediensektor sei die Nachfrage aber dafür relativ stark. Außerdem verschiebe sich die Produktverteilung: „Während bei klassischen Trainings, beispielsweise bei Qualifizierungsmaßnahmen und Teamentwicklungen, die Anfragen abnehmen, steigen sie bei der Begleitung von Veränderungsprozessen“, beobachtet Solle. Unternehmen, die sich jetzt aufgrund der wirtschaftlichen Situation stark und schnell verändern müssten, bewerkstelligten das in der Regel auf fachlicher Ebene selbst, etwa wenn sie Verkaufsregionen zusammenlegen. Das Know-how von roots komme auf der zwischenmenschlichen Ebene zum Einsatz: Eine wichtige Aufgabe bestehe darin, die Mitarbeiter als Experten zu behandeln und so die emotionale Intelligenz der Organisation für den Veränderungsprozess zu nutzen. Für einige Unternehmen qualifiziert roots sogenannte Change Agents als interne Multiplikatoren. „Sie sollen insbesondere bewirken, dass auf allen Unternehmensebenen eine positive und konstruktive Grundhaltung für das Durchführen von Veränderungsprozessen entsteht“, erklärt der Geschäftsführer.

Abwartende Haltung der Personalabteilungen

Doch viele Aussteller berichten, dass mögliche wirtschaftliche Konsequenzen auf dem HR-Markt stark von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhingen. „Das Interesse ist da, lediglich bei Investitionsentscheidungen zeigen sich die Personalmanager momentan zögerlich“, bemerkt Projektleiterin Tina Engelhard. Das spüren zum Beispiel Dienstleister für internationale Personalarbeit wie Hanseatic Lloys Informationssysteme. „Das Paket für Auslandsentsendung, das wir gemeinsam mit HDI-Gerling anbieten – vom Arbeitsrecht über Umzug (Relocation) bis hin zu interkulturellen Trainings – leidet etwas unter mangelnden Kaufentscheidungen der Firmen“, erzählt Vertriebsleiter Wolfgang Witt. „Unternehmen sind im Entsendungsgeschäft aktuell sehr zurückhaltend. Vorhaben, wie Geschäftsstellen im Ausland zu eröffnen, werden noch zurückgestellt oder verschoben“, so Witt.

Weitere Informationen zur Fachmesse PERSONAL sind unter www.personal-messe.de erhältlich.