Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM Hacks. Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Institutes, euer Gastgeber. In unserer heutigen HRM Hacks Folge spreche ich mit Daniel Mühlbauer zu People Analytics Hacks. Daniel Mühlbauer ist totaler HR-IT-Experte, würde ich mal so sagen. Co-Founder von functionHR, einem Start-up in München, das es heute immer noch erfolgreich gibt. Er ist danach in seiner weiteren Karriere bei Klüber Lubrication, einem Hersteller für industrielle Schmierstoffe, im HR-Projektmanagement unterwegs gewesen. Und jetzt seit über einem Jahr bei Siemens Experte für People and Organization IT Solutions. Also das, was man so HR-IT nennt. Stefan Scheller, Persoblogger und auch hier im Podcast ja schon mehrfach dabei gewesen, hat Daniel Mühlbauer mal als einen der größten Experten zum Thema KI People Analytics und Datenanalyse mit Blickrichtung auf HR im deutschsprachigen Raum bezeichnet. Und das finde ich, beschreibt es ziemlich gut. Daniel ist Blogger mit seinem Datenliebe-Blog, Keynote Speaker, war dieses Jahr unter anderem in Köln auf der HR Tech Keynote Speaker und ich freue mich, dass du heute bei uns bist. Herzlich willkommen, Daniel Mühlbauer.

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Dr. Daniel Mühlbauer: Ja, vielen Dank für die nette Intro. Ich freue mich auch, dabei zu sein.

Alexander Petsch: Ja, unser heutiges Thema ist People Analytics und das ist ja gefühlt ein bisschen ein Buzzword, wie auch zum Beispiel KI. Und wir stellen mal wieder fest, überall wo KI draufsteht, ist gar nicht unbedingt unter der Haube auch KI drin. Wie ist denn das mit People Analytics, Daniel? Wie siehst du das? Ist da überall das drunter, was oben drauf versprochen wird?

Dr. Daniel Mühlbauer: Ja, natürlich nicht. Das ist klar, dass es auch gerade im Sales und auch von Anbieterseite dann viele Feinheiten gibt, die da zu beachten sind. Ich antworte eigentlich immer ganz gerne mit einem meiner Lieblings-Tweets von Mat Velloso zum Thema KI – das kann man auch hier anwenden – der gesagt hat: „Machine learning happens in Python, AI happens in PowerPoint.“ Und das ist eigentlich hier genauso. Predictive Analytics happens in Python oder in R oder in anderen sehr, sehr mächtigen Statistikpaketen. People Analytics und Predictive People Analytics oder HR Talent Intelligence, all diese Namen, die da draußen rumfliegen, die sind dann eher für die Sales Pitches und PowerPoints dieser Welt.

Alexander Petsch: Schönzusammengefasst, auf dem Punkt. Wie würdest du denn einsteigen? Was sind denn so… Heute geht es ja um Hacks zum Thema People Analytics. Wie würdest du dich dem Thema nähern? Und was würdest du da empfehlen?

Dr. Daniel Mühlbauer: Also wann immer ich in Kontakt zu verschiedenen Unternehmen bin und wir uns austauschen darüber, wie man das datenbasierte Personalmanagement – was häufig als Rahmendefinition für People Analytics benutzt wird – aufzieht, ist eigentlich ein Hack, der sich so selbstverständlich anhört, dass man ihn schnell mal überliest. Aber die Power, die dahinter steckt, halt wirklich nicht… Ja, so schnell richtig einzuschätzen vermag. Da ist nämlich wirklich mit der Business-Fragestellung zu beginnen. Und nicht alles, was wir in HR, was wir im People Management für eine relevante Business-Fragestellung halten, ist tatsächlich auch businessrelevant. Ich kann gerne mal aus dem Nähkästchen plaudern, von mir, aus meiner privaten Erfahrung, so ein persönlicher Fail sozusagen, der dahinter steckt. Ich habe mal, als ich noch bei functionHR war, habe ich mal in einem Pitch, da ging es durchaus auch darum, sales-relevant in irgendeiner Weise dann zu einem Abschluss zu kommen oder zumindest in einer weiteren Beauftragung… Ich habe in einem Erstgespräch ganz, ganz stolz mal einen Pitch zusammengebaut, der für mich auch unheimlich solide war zum Thema Exit Prediction. Also die Vorhersage von möglichen freiwilligen Kündigungen und Wahrscheinlichkeiten, Kündigungswahrscheinlichkeiten entlang der existierenden Belegschaft. Und dann habe ich das super, wie ich fand, hergeleitet mit einem Business Case, die Kosten dieser Fluktuation, die Kosten der Neubesetzung der Stelle, insbesondere auch die arbeitsmarktbezogenen Kosten, die dann durch Vakanzen und so weiter entstehen. Und das läpperte sich auf ein schönes Sümmchen, wo ich gesagt hätte, na ja, das ist im Milionenbereich, das hat ja Relevanz. Das hatte gar keine Relevanz für dieses Unternehmen. Weil die halt einfach Gewinn nach Steuern mehrere Milliarden im Jahr gemacht haben und für die war das, so hart sich das anhört, in dem Moment ja die dritte Nachkommastelle am Gewinn. Da war viel relevanter – war auch ein produzierendes Unternehmen – dass man zum Beispiel Stillstand am Fließband vermeidet um jeden Preis, weil der pro Minute schon so viel kostet. Bei den vielen, vielen, vielen Produktionsfließbändern in der Welt, war das halt ein viel größeres Businessproblem. Und ich aus meiner HR-Brille habe dieses Fluktuationsproblem für so riesig gehalten, weil es im Kontext des HR eine der kostentreibendsten Faktoren ist, aber für das Business… Zum einen will ich gar nicht die Fluktuation auf null kriegen und zum anderen so teuer ist das hier jetzt auch nicht. Und das wirklich zu durchdenken und zu verstehen, wo das Business herkommt, wirklich die Kennzahlen im Business zu verstehen und daran aufgehängt, dann auch analytische Fragestellungen ins HR zu tragen, das ist die hohe Kunst, die sehr häufig noch übersehen wird.

Alexander Petsch: Ja, aus meiner Wahrnehmung tut sich da HR auch noch sehr schwer. Also allein mal den eigenen Business Case richtig zu verstehen, ist ja schon… Oder kann schon herausfordernd sein.

Dr. Daniel Mühlbauer: Absolut. Das ist auch etwas, wo wir vielleicht nicht originär immer exzellent drin trainiert sind. Ich rede jetzt aus meiner Vergangenheit auch als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität, da war das auch nicht unbedingt so… Ich sage es mal ganz plakativ, es gab zwei Seiten der BWL-Ausbildung: die eine war Finanz-BWL und die andere war marktorientierte BWL. Finanz-BWL war die etwas härtere Schiene, mathematisch. Und die marktorientierte BWL, da waren die etwas softeren Fächer drin und eben auch HR. Und diese Selbstselektion an Studierenden dann im Studium, die hat natürlich schon dazu geführt, dass eher die Leute, die auch Spaß hatten, an den eher softeren Themen natürlich auf der marktorientierten Seite BWL gelandet sind. Wenn die dann bei uns in die Vorlesung gekommen sind, waren die häufig überrascht, dass es doch recht knackig mathematisch und statistisch zugeht. Und das war schon, glaube ich, so ein Mismatch, der sich dann häufig natürlich auch weiterträgt. Für das Thema People Analytics ist das sicherlich nicht hilfreich, für das Thema People Management ist es extrem hilfreich, dass wir nicht nur so Technokraten da sitzen haben. Oder nicht nur so Nerds, wie mich jetzt zum Beispiel, die Zahlen, Daten, Fakten über alles lieben. Du hast über Datenliebe ja auch schon gesprochen. Sondern dass man eine gute Mischung aus Menschen, die andere Menschen verstehen können und die auch die Lebensrealitäten von Menschen gut verstehen können, die sehr empathisch sind und Menschen, die gleichzeitig das Daten- und Zahlenmaterial dahinter sauber aufbereiten können. Also so eine cross-funktionale Zusammenarbeit wäre gleich schon Hack zwei.

Alexander Petsch: Cross-funktionale Zusammenarbeit. Da müssen wir hier mal kurz darüber nachdenken. Was meinst du damit oder wie kann man das verbessern?

Dr. Daniel Mühlbauer: Ja, es braucht immer… Es braucht immer Menschen, die sich gut in die Lebenslage und Arbeitslage anderer Menschen hinein versetzen können. Und das sind häufig nicht diejenigen – und das ist jetzt sehr stereotypisch, klar, das mag man mir bitte verzeihen – die so ganz gerne und tief auch gleichzeitig in die Datenwelt abtauchen. Sondern meistens sind das zwei unterschiedliche Personas. Die einen haben riesig Bock Zahlen, Daten, Fakten von links nach rechts zu drehen und sich da wirklich auch durch die statistischen Verfahren dahinter zu wühlen, die ja nun mal mit Blick auf die prädiktiven Analysen auch immer komplexer werden. Da hat man es wirklich mit handfester Statistik zu tun und das ist kein Selbstläufer. Und gleichzeitig auf der anderen Seite braucht man eben Menschen, die den Sinn hinter diesen Zahlen, Daten und Fakten besser einordnen können. Die verstehen, warum zum Beispiel ein Recruiting Prozess an der einen oder anderen Stelle länger dauert, wenn der Zahlenmensch vielleicht immer sagen würde, ja, Time-to-Hire optimieren, bitte. Während der empathischere Mensch im Team dann versteht, hey, warte mal, hier gibt es gute Gründe, warum wir uns mehr Zeit lassen, weil wir wollen nicht einen schnellen Hire machen, wir wollen den besten Hire machen. Ja, und deswegen brauchen wir ein bisschen länger, aber dafür machen wir eine bessere Entscheidung, weil wir das noch mal von links nach rechts drehen, auch im zwischenmenschlichen Bereich. Und diese Zusammenarbeit, die ist oft aufgrund der unterschiedlichen Mindsets schon nicht so einfach. Und das eine ist sehr technokratisch, jetzt hart ausgesprochen. Vielleicht ein bisschen freundlicher gesagt, sehr technisch, sehr datenseitig, sehr logisch, sehr deterministisch in manchen Fällen. Und die andere Seite, da geht es eben eher um Empathie und um sich in die Lebenslage von Menschen hineinversetzen können, um Daten dann im Kontext von Menschen richtig deuten zu können. Und dass diese Fähigkeitsprofile, ob die nun in einem Menschen, zwei Menschen oder 15 Menschen zu finden sind, sei dahingestellt, dass die gut miteinander vermittelt arbeiten können in einem Team, dass sich um People Analytics kümmert… Das ist eine… Das ist auch, wie gesagt, zweiter Hack. Das ist, glaube ich, dann sogar etwas, dass die Masse von den wirklich erfolgreichen People Analytics Teams trennt.

Alexander Petsch: Also sich gegenseitig befruchten und gut zuhören. Wie geht’s dann weiter? Was ist so… Was wäre der nächste Punkt, den du auf deiner Agenda hast?

Dr. Daniel Mühlbauer: Ja, auch wieder etwas, wo man sagt, wenn man es hört, ist doch klar. Aber das in der praktischen und operativen Umsetzung einfach ein richtig dickes Brett: die Daten sinnvoll zu integrieren. Wir stehen eher immer vor der Herausforderung im HR-Bereich mit zunehmender Digitalisierung, dass wir einen ganzen bunten Strauß an Tools und Lösungen einsetzen. Die meisten davon kaufen wir wahrscheinlich ein, an der einen oder anderen Stelle als Unternehmen entlang des Employee Lifecycles. Und so ist das zumindest bei vielen Unternehmen, mit denen ich spreche, dass sie eben diese Tools einkaufen. Ein paar Recruiting Tools, etc., etc., ein paar Talent Tools, Learning Tools, dann das klassische Backend-System für HR-Administration und so weiter. Und in den seltensten Fällen hat man da wirklich dann nur einen Tool-Anbieter im Einsatz. Sondern das sind viele verschiedene. Und es ist nicht automatisch ein Selbstläufer, dass die Daten im Hintergrund dann auch miteinander sprechen. Dahinter liegt eine Hierarchie, auch eine Entscheidungs- und Ownership-Hierarchie in den Unternehmen. In den meisten Fällen gehören die Daten unterschiedlichen Menschen, unterschiedlichen Domänen, die erst miteinander integriert werden müssen. Und da muss man natürlich auch ein paar Datenschutz- und Privatheitshürden nehmen. Das ist also so dieser Idealzustand des automatischen, im Hintergrund laufenden Data Flows, von Pre-Hire bis Retire, wo man wirklich alle Daten zu jedem Zeitpunkt direkt unter den Fingern der fähigen Data ScientistInnen dieser Welt hat. Das ist eine Vision und die Realität dahinter ist deutlich schwieriger.

Alexander Petsch: Gib doch mal ein Beispiel, wie Daten unsinnig integriert sind. Oder wie du das so dagegen stellen würdest.

Dr. Daniel Mühlbauer: Eine ganz unsinnige Integration von Daten findet immer dann statt, wenn man Daten einfach als Selbstzweck integriert. Wenn man jetzt das, was ich gerade gesagt habe, hernimmt, um zu begründen, dass man möglichst alle Daten, die man hat, integrieren muss. Sofort. Und vorher darf man gar nicht anfangen mit Analysen oder so weiter. Fast das Gegenteil ist eigentlich der Fall. Also ausgehend von dem ersten Hack, den ich genannt habe mit der Business-Fragestellung. Da braucht man ja vielleicht zur Beantwortung eines gewissen Business-Problems gar nicht alle möglichen Daten, sondern vielleicht reicht es ja, wenn man jetzt… Ich greife jetzt mal eins raus, man möchte gern das Problem der Frühfluktuation im ersten Jahr nach Neueinstellung in den Griff bekommen. Dann braucht man nur bestimmte Daten aus dem Recruiting-System, vielleicht noch die Candidate Experience-Befragung und ein paar Onboarding-Daten und Daten aus dem HCM-System. Das sind dann irgendwie so drei Quellen, die man da zusammenschließen muss. Der Rest kann einem erst mal egal sein. Alles, was nach dem ersten Jahr passiert, kann einem erst mal egal sein, mit Blick auf diese Beantwortung der Frage. Und wenn ich jetzt einfach nur, weil ich vielleicht den Hack vorher zuerst nehme, erst mal alle Daten integrieren möchte, bevor ich überhaupt anfange, Probleme zu lösen, werde ich nie Power auf das Projekt kriegen, auf das Projekt People Analytics im Unternehmen, weil ich ja erst mal Jahrzehnte nur Kosten verursache, durch die Datenintegration, aber nie mal eine Lösung anbiete oder mal eine Beantwortung einer Frage anbiete. Und das Unternehmen, wo das fliegt, das muss mir erst noch gezeigt werden. Also das wäre tatsächlich wirklich völliger Unsinn, diese Dinge erst mal einfach nur zu integrieren, um der Daten willen.

Alexander Petsch: Also wäre ein weiterer Tipp eigentlich, lieber mit weniger Daten beginnen, relevanter Daten sozusagen, dadurch auch die Komplexität reduzieren und ja, mal schneller am Ergebnis sein.

Dr. Daniel Mühlbauer: Absolut. Und damit gleich irgendwie eine Richtschnur zu schaffen oder so ein Richtwert eines pilotierten Erstprojekts, das dann evaluiert werden kann mit Blick auf die Qualität der Antwort, die durch die Daten herausgefunden ist und wodurch sicherlich auch die Skalierbarkeit dann besser eingeschätzt werden kann. Ich kann also auch aus Fehlern, die ich in diesem ersten Projekt mache, viel besser lernen für die Skalierung einer gesamten People Analytics Funktion. Das ist glaube ich etwas, das man auch noch deutlich unterschätzt. Schnell zu lernen und damit besser zu werden über einzelne Teilprojekte, die aber sicherlich ein konkretes Problem lösen. Das würde ich definitiv empfehlen.

Alexander Petsch: Ja, jetzt haben wir sozusagen unsere ersten erfolgreichen Teilprojekte stehen. Wie geht es dann weiter? Was wären weitere Tipps, die du hast? Wie kriegt man Erfolg auf People Analytics?

Dr. Daniel Mühlbauer: Ich würde tatsächlich, obwohl ich selber schon Autor eines solchen Artikel war, ich würde tatsächlich erst mal diese Reifegradmodelle, die bei fast jeder Art von Technologie und somit natürlich auch bei Analytics im Umlauf sind, die würde ich erst mal wegstellen. Denn die suggerieren, dass man irgendwie erst mal deskriptive Analysen machen muss. Und dann kann man überhaupt mal Diagnostiken machen, wo man nach dem Warum fragt und dann kann man prädiktiv arbeiten. Das ist in dem Sinne nicht korrekt. Mit den richtigen Daten kann man sofort prädiktiv arbeiten. Dabei fallen als Nebenprodukt dann deskriptive Daten raus. Also wenn du dich statistisch um die Frage kümmerst, unter welchen Bedingungen schaffen wir es, unsere selbstauferlegte Diversity-Quote im Mittelmanagement bis 2030 zu erreichen. Dann fällt dabei natürlich auch die heutige aktuelle Diversity-Quote auf dem mittleren Management ab als Nebenprodukt. Das ist ganz automatisch so, weil du die berechnen musst, da du sonst nichts vorhersagen kannst in irgendeiner Weise. Aber du musst nicht erst diese deskriptive Analyse vollständig durchlaufen haben, um in dieses Prädiktive einzusteigen. Und das ist häufig natürlich nicht ganz unbegründet von Beratungsseite ein Konzept, das da auch hereingetragen wird, weil sich entlang eines solchen Reifegradmodells natürlich auch ordentlich Geld verdienen lässt. Weil das Unternehmen will ja immer begleitet werden, auch durch einen solchen Zyklus. Und da bin ich mir nicht sicher, ob man sich darauf immer verlassen sollte, sondern dann lieber wieder Pilotprojekt bezogen, lieber gleich die Fragestellung adressieren. Und wenn die Fragestellung eine prädiktive Fragestellung ist, wie wird sich etwas entwickeln, dann kann man auch gleich mit prädiktiven Analysen beginnen. Wenn das eine deskriptive Fragestellung ist, haben wir einen Gender Pay Gap, dann braucht man erst mal nur eine deskriptive Antwort. Ja oder nein. Und unter welchen Bedingungen. Und warum haben wir einen, ist dann diese diagnostische Fragestellung, wofür man diagnostische Analytik braucht. Und das kann ich, glaube ich, auch vielen Zuhörerinnen und Zuhörern da draußen sagen, es kommt viel mehr auf diese Fragestellungen an. Also die Business-Problematik, die man lösen möchte. Und dann, ob sich aus dieser Business-Problematik eine eher deskriptive Fragestellung, eine beschreibende Fragestellung, eine Frage nach dem Warum oder eine Frage nach dem, was wird denn kommen oder sich entwickeln… Ja, das ist, glaube ich, entscheidend.

Alexander Petsch: Jetzt haben wir die Business-Frage verstanden oder den Business Case versucht zu verstehen, das cross-funktionale Know-how abgeholt. Was sind denn so die nächsten Schritte oder die nächsten Steine sozusagen auf dem Weg?

Dr. Daniel Mühlbauer: Eine Lernkurve, die… Und wie gesagt, bei solchen Dingen äußere ich hier immer meine persönliche Meinung und nicht etwa die Meinung der Unternehmen, in denen ich arbeite, sondern meine persönliche Meinung. Das, was ich bei vielen Unternehmen gesehen habe, im Austausch, auch auf Konferenzen und so weiter. Wenn Kolleginnen und Kollegen aus anderen Unternehmen mich dann fragen und ihre Situation schildern, was ich da häufig gesehen habe, sind zwei Dinge. Das eine ist, häufig wird HR Controlling und People Analytics oder HR Analytics, irgendwie so als Einheitsbrei zusammen angeboten. Ich würde von vornherein alles daran setzen, wenn ich so ein Projekt neu aufsetze, dass ich die Controlling-Fragestellung von den analytischen Data Science-Fragestellungen trenne und auch die Menschen, die daran arbeiten in dem Sinne trenne. Weil es wirklich unterschiedlichste Profile sind, die im Controlling, das eher vergangenheitsorientiert ist, wo es eher darum geht, bestimmte Kennzahlen zu definieren und diese auch im Zeitverlauf zu tracken und dann das Data Science, wo es eher darum geht, prädiktive oder diagnostische Fragestellungen, die sich vielleicht aus dem Controlling entwickelt haben, detailliert zu beantworten. Das sind auch wirklich am Arbeitsmarkt unterschiedliche Zielgruppen und das würde ich nicht zusammenschmeißen, sondern das würde ich im People Analytics Team von mir aus, aber dann trennen in Aufgabenbereiche, wo unterschiedliche Menschen dransitzen mit unterschiedlichen Leidenschaften. Und das Zweite, was ich… Das ist eigentlich eine fast automatische Lernkurve, wo irgendwann jedes Unternehmen landet, das ich bisher gesehen habe, das sich mit People Analytics befasst, ist das Thema der sogenannten Actionable Insights. Das Ziel von People Analytics ist eigentlich bei personalbezogenen Entscheidungen zu helfen und zu unterstützen. Wer wird rekrutiert aus denen, die sich beworben haben? Wer wird befördert? Wer wird in welches Team gesetzt? Wer geht und warum? Also nicht wird gegangen, sondern warum gehen die Menschen wieder? Was kann ich dagegen tun, dass Menschen gehen, wenn ich bestimmte Menschen halten möchte? Das sind alles verschiedenste Entscheidungen, die HR Professionals landauf, landab ständig treffen zusammen mit ihrem Business. Und es wird völlig unterschätzt, dass mit reinen deskriptiven Analysen eben häufig nur Dinge beschrieben werden, aber keine Entscheidungsgrundlage geschaffen wird. Ganz konkret, wenn ich weiß, dass ich ein Gender Pay Gap habe, weiß ich noch nicht, was ich dagegen tun kann. Und das genau ist dieser Schritt vom Deskriptiven hin zum Diagnostischen hin dann zu Actionable Insights, also Entscheidungsunterstützung am Punkt und Ort der Entscheidung. Und das ist ein Riesenpuzzle, weil man dafür ganz andere statistische Verfahren braucht und gleichzeitig kauft man sich da auch ein… Der Statistiker würde es nie Problem nennen… Man kauft sich da ein Problem ein, nämlich, dass man in den Bereich der Wahrscheinlichkeiten geht, in den Bereich der deskriptiven Statistik, da ist man im Bereich des Auszählens. Da kommt am Ende immer irgendwie 100 Prozent raus. Das kann man irgendwie halbwegs erklären. Im Bereich der Wahrscheinlichkeiten wird es sehr vage in dem Sinne, dass eine Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent, dass jemand das Unternehmen in sechs Monaten verlassen wird, kann trotzdem nicht eintreten. Die Person kann trotzdem bleiben noch 20 Jahre. Obwohl sie eine 99-prozentige Wahrscheinlichkeit hat, in den nächsten sechs Monaten zu gehen, statistisch. Diese Fälle gibt es eben, weil es sich um Wahrscheinlichkeiten handelt. Das ist wie bei der Wettervorhersage. Manchmal nimmt man den Schirm umsonst mit. Und das genau ist der Punkt, glaube ich. Eine völlig andere Art von Statistik und von Arbeiten mit Daten. Und das muss sich auch im Mindset bei den beteiligten Menschen tatsächlich verändern, dass man plötzlich als Mensch gefragt ist, trotz all dieser Daten und bestmöglicher Statistik und so weiter, ist man als Mensch am Ende gefragt, vielleicht im Team mit anderen Menschen, Entscheidungen zu treffen. Und das werden einem die Daten niemals abnehmen, egal wie gut man diese Statistik baut.

Alexander Petsch: Spannend. Ja, ist im Prinzip die Kehrseite deines ersten Hacks, nämlich businessfokusierte Fragen zu stellen und dann auch sozusagen umsetzbare Antworten zu liefern. Das ist eigentlich… Ich sage mal, die selbe Medaille, nur die andere Seite irgendwie.

Dr. Daniel Mühlbauer: Genau. Es ist im Grunde Full Circle. Wenn man Fragen stellt, dann will man sie auch beantworten und diese Beantwortung, die kann in unterschiedlicher Qualität erfolgen und Qualität heißt im besonders prädiktiven oder diagnostischen Fall dort, wo fortgeschrittene Statistik eingesetzt wird… Heißt eben dann niemals mit Sicherheit, sondern immer nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Das ist quasi das Tollste, was man kriegen kann, an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit.

Alexander Petsch: Ja, ich hätte jetzt gesagt, dein Business.

Dr. Daniel Mühlbauer: Absolut.

Alexander Petsch: Was hast du denn sonst noch für unsere Hörerinnen und Hörer im Gepäck an Hacks?

Dr. Daniel Mühlbauer: Das ist… Also etwas, was ich wirklich noch teilen möchte, weil mir das sehr nah am Herzen liegt. Ich bin selbst ausgebildter Ökonom, ich bin selber BWLer, ich bin selber jemand, der jetzt in der Schule nicht gut in Mathe war, ich bin selber jemand, der auch im Studium zwei Anläufe brauchte, um Statistik 1 und 2 dann auch wirklich zu schaffen. Man kann sich das tatsächlich autodidaktisch draufpacken, diese ganzen Themen. Also diese Hürde ist nicht so hoch, wie gerne suggeriert wird. Sie ist nicht klein, man muss schrittweise vorgehen und man muss den Mut und ständige Neugier mitbringen, um sich auch durch die trockeneren Themen durchzufräsen. Und ja, ich möchte gerne… Full Disclosure, ich hatte während meiner Doktorarbeit sicherlich auch Zeit und den Auftrag dort noch mal eine besondere Ausbildung irgendwie zu erhalten an der LMU, die sicherlich Maßstäbe setzt in Deutschland. Aber die Weiterbildungsmöglichkeiten, die es heute gibt, im E-Learning-Bereich einfach, da möchte ich jedem wirklich Mut machen, der heute oder die heute vielleicht denkt, oh, dieses Zahlen, Daten, Fakten, das war noch nie meine Stärke. Meine auch nicht und heute fühle ich mich sehr, sehr gut in dem Kontext und sehr wohl aufgehoben in dem Kontext und da würde ich mich freuen, wenn viel mehr diesen Schritt wagen und an die Grenze gehen, an die sie gehen wollen. Das war ja auch früher kein Problem und auch ich, ich bin ja jetzt schon sehr lange dabei und dennoch, wenn ich mich mit Expertinnen und Experten für Statistik unterhalte, dann muss ich 50% der Begriffe googeln.

Alexander Petsch: Gibt es einen People Analytics Status, wo man sagen würde, jetzt steht das sicher und rund oder ist das eigentlich, sich aufmachen zu einer Dauerbaustelle?

Dr. Daniel Mühlbauer: Baustelle nicht unbedingt. Wenn man es geschafft hat, stabile Prozesse für genau zwei Dinge zu etablieren, nämlich für den Inflow von Fragestellungen, die man dann entweder in Form strukturierten Reportings abfrühstückt oder in Form von Spezialaufträgen an Data ScientistInnen, die dann eben tief in diese Daten reinrücken. Und wenn man da eine gute Abstimmung auch zwischen diesen beiden Aufgaben hat, dass man sehr schnell weiß, oh, das ist eher eine Reporting-Fragestellung und das ist eher eine Data Science-Fragestellung und alles, was man im Data Science als Ergebnis produziert, dann auch versucht, in ein Standard-Reporting wieder zu überführen. Weil das lässt sich durchaus standardisieren, diese Dinge, die man dort dann mit fortgeschrittener Statistik macht. Wenn man das gut miteinander hat und dann vielleicht noch jemanden im Team hat, der im Data Storytelling, im Consulting sehr stark ist, der ausreichend viel von den statistischen Verfahren versteht, um diese an die Frau, den Mann im Business zu bringen, dann hat man ein Modell erreicht, wo man zumindest mit den Anfragen, die dann kommen und die werden nie aufhören, strukturiert umgehen kann. Und nicht in diese, was heute noch viele Unternehmen glaube ich, haben, in diesen ständigen Stress aus Datengetriebenheit wirklich kommt. Und das ist für mich auch im Wortsinn schon ein wichtiger Unterschied, wo ich wirklich drauf aufmerksam machen möchte für alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Es wird auch von Data Driven HR oder datengetrieben im HR gesprochen. Ich glaube, wenn man es geschafft hat, datenbasiert zu arbeiten und nicht mehr getrieben, dann hat man wirklich so einen Punkt erreicht, an dem man eine gute Well-Oiled Machine hat, um in dem Bild vom Anfang zu bleiben, mit meiner beruflichen Laufbahn.

Alexander Petsch: Ja, von den Schmierstoffen.

Dr. Daniel Mühlbauer: Richtig.

Alexander Petsch: Wir können hier Fuchs Petrolub aus Mannheim gleich auch noch erwähnen. Sie haben den Weltmarkt fast schon erschlagen.

Dr. Daniel Mühlbauer: Ich denke auch, ja.

Alexander Petsch: Ja, Daniel, herzlichen Dank für diese Einblicke in eine Welt, wo ich sagen muss, bin ich weit von entfernt, also meine Statistikscheine liegen ja… Not my strong point. Ja, schön, dass du da warst.

Dr. Daniel Mühlbauer: Herzlichen Dank für die Einladung und danke für das tolle Gespräch.

Alexander Petsch: Ja, und wenn ihr noch mal die Hacks nachlesen wollt, einfach auf HRM.de gehen. Da könnt ihr das Ganze noch mal finden. Glückauf und bleibt gesund und denkt dran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für euer Unternehmen.