E-Learning-Trends

man standing in front of group of men
Foto von Austin Distel

Den Vätern und Müttern des heutigen World Wide Web, allen voran Tim Berners-Lee (2001), schwebte ein Internet als “Semantisches Web” vor, das Inhalte im Internet für Maschinen besser lesbar und interpretierbar macht. Bekanntermaßen ist das neue “Web 2.0” aber ein “Social Web” (Josef Kolbitsch, Hermann Maurer, 2006), das rund eineinhalb Milliarden Internet-Nutzern mit selbst beigesteuerten Inhalte, Meinungen und Kommentare prägen: Aus dem Internet der Fakten und Marketingbroschüren ist ein Netz der Anschauungen und Gerüchte geworden. Die derzeitigen Entwicklungen und ihre Konsequenzen für das Online-Lernen sind vielschichtig. Das zeigen folgende Aussagen zu Bildungsangeboten im Web (Zitate aus dem LearnTec Newsletter Nr. 2 vom Dezember 2006):

  • “Es bedarf eines konfrontativen, sozialen Lernens. E-Learning ist hier ähnlich unwirksam wie Vorträge”, meint Prof. Rolf Arnold von der Technischen Universität Kaiserslautern.
  • “Im Internet werden Lern-Communitys entstehen, die teilweise die Bedeutung von Universitäten annehmen”, schrieb Axel Föry von Cisco Systems.
  • Der Wissenschaftsjournalist Joscha Remus, der ein Buch zur “Infonautik” (Remus, 2005) geschrieben hat, erklärt: “Das Internet hat mobile Endgeräte erreicht – “Microlearning” heißt das neue Zauberwort”.

Searchware

Vielleicht markiert die Übernahme des Videoportals “YouTube” durch die Such- und Werbemaschine Google für rund 1,65 Milliarden US-Dollar am besten den aktuellen Wandel im Internet. “Web-Drachen” wie Google und Yahoo werden zukünftig nicht mehr nur allein mit ihren Stichwortsuchen und -verzeichnissen den Zugang zu Informationen im Internet dominieren (Ian H. Witten, Marco Gori, Teresa Numerico, 2007) – und das hat seine Gründe:

    • Suchmaschinen sind zu langsam. Der Google Searchbot braucht zwei bis vier Wochen zur Indizierung eines Blogeintrags, darauf spezialisierte Portale wie Technorati oder Blogger nur etwa eine Stunde (Gilad Mishne, Natalie Glance, 2005).

 

  • Einfache Textsuche reicht nicht mehr aus, weil sie zu viel Expertenwissen zur Eingabe von Suchbegriffen und zur Bewertung und Kombination von Suchergebnissen erfordert (Bernard J. Jansen, Amanda Spink, 2005). Spezielle Suchmaschinen finden auf viele einfachere und bessere Weise Bilder, Videos, Musik, aber auch Meinungsbilder, Orte und ehemalige Schulkameraden: mit einer “sozialen Suche” (social search, Jaime Teevan u.a., 2004).

 

 

  • Im Web 2.0 vernetzen sich Spezialisten und ersetzen dadurch vielfach die allgemeine Indexierung durch Suchmaschinen. Die in so genannten Mashups (Internetdienste, die durch die Mischung von anderen Internetdiensten entstehen) gespeicherten Nutzerprofile und Nutzerdaten werden zunehmend automatisch ausgewertet, erweitert und verknüpft: Statt ein Portal für das Speichern von Lesezeichen, eines für berufliche Kontakte, eines für private Kontakte, eines für Videos und wieder ein anderes für Fotos zu nutzen, stellen “Meta-Mashups” zentrale Sammelstellen für unsere sozialen Kontakte und die von uns verwalteten oder verantworteten Inhalte zur Verfügung (Tony Hammond u.a., 2005).

 

 

Das Internet breitet sich zunehmend in unsere gesamte Lebenswelt aus, indem etwa Handy-Kameras kleine 2D-Barcodes erkennen (Markierungen wie auf den selbst ausgedruckten Fahrscheinen der Deutschen Bahn) und als Einstieg in Internet-Informationen nutzen. Ein Beispiel ist das 2005 in Wien gestartete und mittlerweile weltweit erfolgreiche Semapedia: Der Dienst bietet die Möglichkeit, Einträge aus dem Internet-Lexikon “Wikipedia” mit Hilfe des Handys geographisch zu verorten und durch Lesen eines solchen Barcodes, die beispielsweise an einem Gebäude oder Denkmal klebt, direkt mit dem Handy abzurufen (www.semapedia.org). Die Open Universiteit der Niederlande nutzt in ihrem Projekt “Campus Memories” eine ähnliche Technik, mit deren Hilfe Studierende Lerninhalte, Stundenpläne und Kommentare überall auf dem Campus speichern und abrufen können (Andreas Zimmermann u.a., 2005).

Selfware

Prominent ist im Internet vermutlich bald schon nicht mehr, wer eine hohe Trefferrate in Google hat, sondern wer an den richtigen Netzwerken teilnimmt. Diese Netzwerke werden in enormer Geschwindigkeit zusammenwachsen. Sie dringen zudem mit dem Internet in unsere gesamte Lebensumwelt vor. Der Begriff “Selfware” stammt von einer Ausstellung junger Künstler zur Eröffnung der neuen Kunsthalle in Graz im Jahr 2003 (www.selfware.at). Er macht deutlich, wie sehr es einige Internetnutzer bereits nach wenigen Jahren gewohnt sind, sich als softwareartigen Teil eines umfassenden Computernetzwerks zu sehen.

Trendbeispiel: Azubiportal “pawe”

Im europäischen Vergleich liegen deutsche Jugendliche bei der Online-Nutzung vorne, wie eine Studie des Verbandes BITKOM aus dem Jahr 2007 (mit Zahlen von Eurostats aus dem Jahr 2006) zeigt. Deutsche belegen Platz 1 im Online-Shopping, denn schon jeder Zweite (48 Prozent) der 16- bis 24-Jährigen kauft privat im Internet ein. Vor allem Musik bestellen viele online und fast jeder zweite Käufer ist dabei jünger als 30 Jahre. Die seit vielen Jahren jährliche durchgeführte “Kinder- und Medienstudie” (KIM) wies nach, dass der Einstieg von Kindern in die Computernutzung immer früher erfolgt: 81 Prozent der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren zählen bereits zu den Nutzern. Der Computer ist Teil des Alltags von Jugendlichen geworden: 32 Prozent der Kinder beschäftigen sich fast täglich damit, 54 Prozent ein- oder mehrmals pro Woche und nur 16 Prozent seltener. Außerdem kam die KIM-Studie zu dem Ergebnis, dass die Internetnutzung bei Kindern insgesamt zunimmt. 2006 konnten 81 Prozent der 6- bis 13- Jährigen zu Hause das Internet nutzen, ein Jahr vorher waren es noch 74.

Das Internet dient vor allem als Kommunikationsplattform. Fast alle Jugendlichen verwenden Chats, Messaging oder Foren als Austauschmöglichkeit – rund die Hälfte setzen dabei auf Web-2.0-Angebote wie MySpace oder Facebook. Jugendliche erledigen häufig ihre Hausaufgaben mithilfe des Web 2.0, insbesondere greifen sie auf das Online-Lexikon “Wikipedia” zu, das Lexika auf CD-ROM, wie Brockhaus multimedial oder Microsoft Encarta, weitgehend abgelöst hat.

Das Mediennutzungsverhalten hat sich also in den vergangenen Jahren durch die Allgegenwart des Internets tiefgreifend gewandelt: Die ab Mitte der 1990er-Jahre geborene Generation ist die erste, die vollständig mit Digitalgeräten und -netzen aufwächst. In den USA entstand daher der Begriff “Generation Y” als Folgegeneration der “Generation X”, den in den 1980ern geborenen Kindern der “Babyboomer” aus den 1960er-Jahren. Diese Generation zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Plugged-in: Sie sind stets in Kontakt mit Digitalgeräten (beispielsweise Laptop, Handy oder MP3-Player).
  • TV isn’t King: Sie verbringen mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher.
  • No Ads but Friends: Ihr Vertrauen in Werbeaussagen sinkt, persönliche Empfehlungen in Social Networks (wie Facebook, MySpace) werden wichtiger.
  • Work isn’t Everything: Work-Life-Balance gewinnt an Bedeutung.
  • Socially Correct: Sie machen sich Gedanken um Ethik und Umwelt.
  • Nachrichten lesen sie im Web, viele sehen auch Filme und Nachrichten online.

Die Erwartungen an Bildungstechnologie sind mithin:

  1.  Ausgeprägte Multimedialität mit Fotos, Filmen und Animation (Media Rich Internet).
  2. Sozial offene, meist auch öffentliche und wenig kontrollierte Treffpunkte.
  3. Verschmelzung von Bürosoftware und Web-Tools (Enterprise 2.0).
  4. Immer kürzere Aufmerksamkeitsspannen bei sehr schnellem Aufmerksamkeitswechsel.
  5. Zugang zu Information und Kommunikation nicht nur punktuell, sondern immer und überall.

Mit diesen Ansprüchen – oder besser: Nutzungsgewohnheiten – können die verwaltungsorientierten und schwerfälligen Lernverwaltungssysteme (Learning-Management-System = LMS) nicht mithalten. Ein gemeinsam von der Frankfurt School of Finance & Management und zeb/ entwickelter Entwurf für ein Azubi-Portal der Postbank zeigt, dass es auch anders geht:

    • Der Entwurf des Postbank Azubi Web, “pawe” (entlehnt aus der SMS-Kurzsprache, gesprochen wie das englische “power”), steht für ein Interaktionssystem, das auf aktive Ausbildende und Ausbildungsleiter setzt. Es vereint Funktionen von von Business Clubs (z. B. XING) und Sozialen Netzwerke (z. B. LinkedIn) mit eher jugendnahen Kommunikationsplattformen (z. B. facebook). Alle Nutzer stellen sich mit ihrem eigenen Profil vor, können zu anderen Kontakte knüpfen, zu Kontakten einladen und Kontakte empfehlen. In ähnlicher Weise können sie Inhalte erstellen, verknüpfen und empfehlen. Auszubildende lernen ihre Bank so als lebendiges soziales Netzwerk kennen und entwickeln und bewerten fortlaufend Ausbildungsinhalte.

 

  • Auszubildende der Generation Y wollen den Eindruck haben, dass sie immer dabei und “online” sind. Die neuesten Werkzeuge im Web 2.0 (z. B. www.lijit.com) erlauben eine Übersicht über Aktivitäten aller angemeldeten Nutzer in Echtzeit: Suchen, Fragen, Bewertungen und Empfehlungen werden sofort in einem Fenster angezeigt, wenn sie entstehen. Die Nutzer können Namen von Personen, Städten und Themen direkt anklicken und damit aufrufen. Azubis bekommen so eine Vorstellung von der Komplexität und Vielfalt der Aktivitäten, die Mitarbeiter miteinander koordinieren und abstimmen.

 

 

  • Die Informationsbereiche des Portals sind thematisch übersichtlich gebündelt und leiten in andere Bereiche des Portals weiter. Der Bereich “Tools” stellt Werkzeuge zur eigenen Medienentwicklung bereit. Azubis fühlen sich dadurch aktiv in die Gestaltung ihres eigenen Portals eingebunden und finden zahlreiche vorbereitete und freigegebene Hilfestellungen.

 

 

  • Ausbildungsleiter und Akademie der Bank haben eigens Raum für Meldungen und Hinweise, die alle Auszubildenden betreffen. Sie können dort besondere Aktionen ankündigen: Preise, Auszeichnungen oder Wettbewerbe. Alle Hinweise sind mit Beiträgen auf folgenden Nachrichtenseiten verbunden oder leiten zu anderen Webseiten der Bank weiter. Die Beiträge sollen Auszubildende motivieren, an Ausbildungsaktivitäten selbstständig und selbstverantwortlich mitzuwirken. Azubis erfahren auf diese Weise Wertschätzung und Unterstützung durch die Geschäftsleitung und werden zur aktiven Mitarbeit herausgefordert.

 

 

  • Blogs sind “Tagebücher” mit kurzen Text- und Bildbeiträgen, die die Nutzer im Internet leicht erstellen und veröffentlichen können. Blog-Einträge enthalten Titel, Datum, Autorennamen, Verweise auf andere Webseiten und Schlagworte, die in einer “Trendwolke” nach Häufigkeit sortiert angezeigt werden. Die Leser haben die Möglichkeit, jeden Eintrag zu kommentieren, zu markieren und mit anderen zu verknüpfen. Blogeinträge aus verschiedenen Städten können auf einer Karte dargestellt und direkt ausgewählt werden (vgl. www.vlogmap.org und twittervision.com). Azubis nutzen somit neueste Medien auf sinnvolle Weise und erwerben dadurch berufsnahe Medienkompetenz.

 

 

  • Blogeinträge erstellen die Auszubildenden meistens per Tastatur am PC. Es ist jedoch auch möglich, die Blogs per SMS direkt mit dem Handy zu schreiben und ins Internet zu schicken (Micro Blogging). Die Einträge können nicht nur Text, sondern auch Fotos und Videos enthalten (z. B. Handy-Fotos und -Videos). Handy-Videos lassen sich zu kleinen Filmen weiterverarbeiten (z. B. Berichte aus einer Filiale). Azubis werden auf diese Art selbst aktiv und nutzen ihre “Spaß-Medien” (Handy, Video) auf beruflich sinnvolle Weise.

 

E-Learning-Trends in Banken

Web 2.0 ist in den Personal- und Bildungsabteilungen der Banken nicht beliebt. Doch die Herausforderungen sind heute größer denn je: Deutschland gilt immer noch als ‘overbanked’ und die Konsolidierungswelle rollt. Gleichzeitig stagniert der Anteil hochqualifizierter Schul- und Universitätsabgänger und die Anzahl junger Erwerbstätiger sinkt dramatisch. Schon gibt es Vorboten für den kommenden Nachwuchsmangel: Viele Banken klagen über Probleme beim Nachwuchs im Vertrieb und der Führung.

Doch trotz aller Bemühungen in der Personalarbeit sind die Erfolge eher mager: Zu groß die Konkurrenz um Vertriebstalente, zu gering die Gestaltungsspielräume in den Banken und Sparkassen und zu alt sind vielfach die Instrumente für Recruiting und Personalentwicklung. Erste Banken und Bankverbände beschreiten nun neue Wege, die gemeinsam mit zeb/ ein Personal-Service- und Steuerungssystem planen, das Hilfestellungen und Austausch zu allen Kernprozessen des Personalmanagements bietet. Dazu gehören auch Vergleichsdaten und Kennziffern, die eine sinnvolle Planung überhaupt erst möglich machen. Die Sparda-Akademie führt gemeinsam mit zeb/ schrittweise Web 2.0 Komponenten in das Vertriebstraining aller Mitarbeitergruppen vom Auszubildenden bis zum Manager ein.

Web-2.0-Werkzeuge werden – wie schon das Web-Based-Training zuvor – nicht die Hauptrolle übernehmen oder das Präsenztraining verdrängen. Web-2.0-Komponenten werden aber zum normalen Bestandteil von Bildungslösungen und helfen, Transfer und Umsetzung des Gelernten am Arbeitsplatz nachhaltig zu sichern.

Weitere Informationen:

E-Mail: JHasebrook@zeb.de

WWW: http://www.zeb.de