Das war, etwas überspitzt formuliert, jahrzehntelang das Credo in vielen Unternehmen. Allein, diese Haltung hilft uns in einer Welt des Permanent Beta nicht mehr wirklich weiter. Wo Schnelligkeit den Markt bestimmt und der Wettbewerber, der dich morgen aus dem Spiel nimmt, heute noch gar nicht gegründet ist, können Unternehmen sich diesen Perfektionismus schlicht nicht mehr leisten. Und das bedeutet: Wir müssen die Angst vorm Fehlermachen ablegen, die uns spätestens in der Grundschule eingeimpft wird.

Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht
Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht

Und wie das so ist, wenn jahrzehntealte Gewohnheiten nicht mehr gefragt sind und wir Neues adaptieren: Wir konvertieren und übertreiben euphorisch. Wo Fehler gestern noch das schlimmst Denkbare waren, wird Scheitern heute zum Ausweis von Qualität. Auf einmal sind Magazine und Bücher voll von Geschichten über Epic Fails und Menschen erzählen sich auf Partys von wunderbaren Momenten des Scheiterns.

Das ist Quatsch. Denn es geht gar nicht ums Scheitern. Es geht darum, Fehler zuzulassen auf der Suche nach dem Richtigen. Scheitern kann nicht das Ziel sein. Nach wie vor geht es um Erfolg. Und auch Fehler sind nur dort sinnvoll, wo sie Ausweis von Lernen und Experimentieren sind und dazu führen, dass wir einen Schritt näher ans Ziel kommen. So schön es ist, dass alle Welt jetzt von Fehler-Kultur spricht und ebendiese einfordert: Das führt am Ziel vorbei. Denn das Ziel heißt nicht Fehlermachen.

Es stimmt – Thomas Edison hat hunderte Versuche, eine funktionierende Glühlampe zu bauen, in den Sand gesetzt. Aber jeden Versuch nur einmal. Und immer mit dem einen klaren Ziel, die Glühlampe zu erschaffen. Von Edison können wir nicht lernen, wie toll es ist, hundert Mal nicht zum Ziel zu kommen, sondern wir lernen: Neues entsteht, wenn wir den Freiraum haben, eine Idee zu verfolgen. Und dabei nicht sofort das Ergebnis zu erreichen. Es geht nicht um die Freiheit, Fehler machen zu dürfen, sondern um die Freiheit von Angst.

Das Gegenteil von Angst heißt Mut. Fehler-Kultur ist der erste Schritt heraus aus einer Angst-Kultur. Doch was wir wirklich brauchen, ist eine Mut-Kultur.

Klingt gut. Doch was meinen wir damit? Die Menschen in einem Unternehmen sollen den Mut haben, etwas Neues zu probieren, eine vermeintlich verrückte Idee in die Tat umzusetzen oder ein gewagtes Projekt anzustoßen.

Tiefschläge und Niederlagen gehören dazu. Sie sind eine Selbstverständlichkeit. Es geht aber nicht darum, Prozesse zu etablieren, um mit diesen Niederlagen umzugehen. Wir müssen vielmehr eine Kultur schaffen, die solche Rückschläge als Teil des Weges betrachtet. Als etwas Normales. Die Unternehmenskultur muss Mitarbeitern in den Organisationen die Sicherheit geben, dass sie couragiert Neues wagen können.

„The comeback is always stronger than the setback“, heißt es im Sport. Genau diese Einstellung speist die Mut-Kultur. Tiefschläge gehören zu Erfolgen. Nur wer wieder aufsteht, den Mund abwischt und mit Motivation weitermacht, kommt langfristig zum Erfolg. Wir lernen aus Fehlern, wir lernen aus dem Scheitern. Aber wir lernen vor allem aus dem Weitermachen, aus den zweiten und dritten Versuchen. „Machen“ ist das Stichwort. Und dafür brauchen wir Mut. Und die Räume, in denen wir mutig sein können. Eine Mut-Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen offen und ehrlich miteinander umgehen.

Doch wie schaffen wir eine Unternehmenskultur, die Mut erzeugt und fördert? Was können wir tun? Aus unserer Sicht beruht eine Mut-Kultur auf fünf Säulen:

1. Visionen

In Zeiten von Unsicherheit und schnellen Veränderungen nimmt die Risikofreude von Menschen stark ab und die Angst vor Fehlern tendenziell zu. Wenn wir wie Kaninchen auf die berühmte Schlange nur auf die gegenwärtigen Probleme schauen und überlegen, was der nächste beste Schritt sein könnte, entstehen ziemlich sicher keine innovativen Ideen. Wenn wir uns aber vorstellen, was möglich wäre, setzt das ungeahnte Kräfte frei und macht die Mitarbeiter mutig und motiviert sie, Verantwortung zu übernehmen. Elon Musk hat etwa die SpaceX-Vision nicht „Wir bauen die besten und günstigsten Raketen der Welt“ genannt, sondern „Wir machen die Menschen zu einer interstellaren Spezies“. Das hat eine ganz andere Schlagkraft.

2. Inspiration und Kontext

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Mut-Kultur ist, die Mitarbeiter zu inspirieren und ihnen immer wieder die Chance zu geben, das Warum und Wozu ihrer Arbeit zu erkennen. Bei Haufe haben wir das Konzept der WHYral Transformation entwickelt. Mitarbeiter haben den Raum, die eigenen Antriebe (Personal Why) immer wieder mit dem Antrieb des Unternehmens (Company Why) abzugleichen. Die Überschneidung – das Shared Why – ist das, was Menschen motiviert, gerade für dieses Unternehmen zu arbeiten. Dazu gehört, dass Führungskräfte diesen Raum geben, mit dem eigenen Handeln inspirieren, die Unternehmenswerte vorleben. So schaffen sie es, die Arbeit jedes Einzelnen in Verbindung zur Strategie des Unternehmens zu bringen und eine Kultur des Ausprobierens zu fördern.

3. Neugierde

Neugierige Führungskräfte sind besser als clevere. Gute Führungskräfte sind bereit, andere Standpunkte einzunehmen, andere Sichtweisen zu übernehmen, wenn sie besser passen. Sie lassen Mitarbeiter in Führung gehen, ohne Rücksicht auf formale Positionen. Wir haben das unter dem Motto „Make your leaders even better followers“ manifestiert. Das heißt: Wenn Mitarbeiter unabhängig von der Hierarchiestufe die Initiative ergreifen, eigene Ideen vorantreiben und andere dafür begeistern, folgen die Führungskräfte. Weil sie den Menschen und ihren Fähigkeiten vertrauen.

4. Sicherheit

Nur in einer geschützten, psychologisch sicheren Arbeitsumgebung können Menschen ihr ganzes Potenzial entfalten. Wir sind überzeugt: Menschen wollen erfolgreich arbeiten, sich einbringen und gestalten. Sie brauchen dafür aber einen Rahmen, in dem sie das auch tun können und dürfen. Menschen dürfen und sollen Dinge ausprobieren, den richtigen Weg zum Ziel suchen. Und dabei auch einmal falsch abbiegen können, ohne dass sie Angst vor Sanktionen haben müssen. Und sie müssen Dinge offen aus- und ansprechen dürfen, die in ihren Augen nicht gut laufen. Auch wenn der Adressat der Kritik der Vorgesetzte sein sollte. Feedback ist enorm wichtig und es muss ehrlich sein dürfen.

5. Feedback

Eine Mut-Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen offen und ehrlich miteinander umgehen, nach Feedback fragen und Rückmeldung geben. Nicht um Fehler zu feiern, sondern um offen über Erfahrungen, Befürchtungen, Erfolge und auch Herausforderungen zu sprechen. Mit den Peers und auch mit den Vorgesetzten. Die Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion ist der beste Weg, sich weiterzuentwickeln und den Mut aufzubringen, weiterzugehen, auch wenn es schwierig wird.

Wir haben uns bei Haufe auf den Weg gemacht, eine solche Mut-Kultur zu schaffen. Mit vielen Dialog- und Gesprächsformaten, in denen Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenkommen, um über ihr jeweiliges Shared Why zu sprechen. In zwanglosen „Kamingesprächen“ mit der Geschäftsführung, die Fragen der Mitarbeiter beantwortet und sich mit ihnen austauscht. Wir haben mit selbstorganisierten Zellen gearbeitet, die innovative Produktideen bis zur Marktreife geführt haben. Und vor allem arbeiten wir alle gemeinsam an einer Unternehmenskultur, in der es selbstverständlich ist, Wissen zu teilen. In der jeder sagen kann, dass er Hilfe braucht. In der es das Normalste der Welt ist, anderen Feedback zu geben und Feedback von anderen zu erbitten. Und in der wir angstfrei Neues ausprobieren können.

Das läuft nicht immer gleich ab dem ersten Tag rund, doch wir tun es stets mit folgender Überzeugung: Wir werden Herausforderungen wie Transformation nur meistern, wenn wir Unternehmen zu Orten des offenen und ehrlichen Austauschs machen, in denen Wissen keine Herrschaft begründet, sondern geteilt wird. Zu Orten, in denen Menschen den Freiraum haben, ihre Ideen voranzutreiben. Und auf dem Weg zum Ziel Fehler machen können, ohne Angst vor Sanktionen. Fehler müssen passieren. Denn wer in unbekanntes Land aufbricht, muss den Weg erst entdecken. Aber Fehler sind nicht das Ziel, das Ziel lautet Erfolg. Und der gehört den Mutigen.