Wenn Sie einem Mitarbeiter krankheitsbedingt kündigen wollen, müssen Sie zunächst prüfen, ob in Ihrem Betrieb das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate tätig war und der Betrieb kein Kleinbetrieb ist. Um einen Kleinbetrieb handelt es sich nur dann, wenn in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind (Azubis zählen nicht mit). Fallen Sie unter das KSchG? Dann muss eine fristgerechte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Das ist sie dann, wenn entweder betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe vorliegen.

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Foto von Sarah Shaffer

Vier Fälle von „Krankheit“

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist der wichtigste Unterfall der Kündigung aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Sie kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Krankheit den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann. Dabei unterscheiden die Gerichte zwischen vier „Krankheitsfällen“:

  • häufige Kurzerkrankungen: Der Arbeitnehmer ist immer wieder für kürzere Zeit arbeitsunfähig krank.
  • dauernde Arbeitsunfähigkeit: Der Arbeitnehmer ist auf Dauer arbeitsunfähig krank und eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist ausgeschlossen.
  • langandauernde Krankheit: Der Arbeitgeber weiß wegen einer länger andauernden Krankheit nicht, ob und wann mit einer Wiederherstellung zu rechnen ist.
  • krankheitsbedingte Leistungsminderung: Auf Grund der Krankheit bleibt der Arbeitnehmer erheblich hinter den zu erwartenden Leistungen zurück.

Drei Voraussetzungen

Gleichgütig, welche der Krankheitskonstellationen vorliegt, für eine wirksame Kündigung müssen die drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Sie müssen eine „negative Gesundheitsprognose“ erstellen. Das heißt, Sie müssen zum Zeitpunkt der Kündigung Tatsachen darlegen, die es rechtfertigen, anzunehmen, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin in gleichem Umfang arbeitsunfähig ist.
  2. Sie müssen belegen, dass die zu erwartenden Fehlzeiten bei Ihnen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen führen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es auf Grund der Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu Störungen im Betriebsablauf oder zu erheblichen Kostenbelastungen (Beispiel: Entgeltfortzahlungskosten) kommt.
  3. Zu guter letzt müssen die Interessen gegeneinander abgewogen werden. Das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes steht gegen Ihr Interesse, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dabei müssen Sie alle Aspekte in die Waagschale werfen, die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind wie z. B. die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Ursachen der Krankheit, die Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer, das Lebensalter des Arbeitsnehmers, Entgeltfortzahlungskosten, Störungen im Betriebsablauf usw.

Negative Gesundheitsprognose

Die negative Gesundheitsprognose lässt sich im Falle einer langandauernden Krankheit nur schwer erstellen. Die Rechtsprechung bietet hier wenig Hilfe, da keine klaren Grenzen gezogen wurden. So ist nicht geklärt, was es im Einzelnen bedeutet, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit längerer Zeit arbeitsunfähig erkrankt sein muss. Was heißt „seit längerer Zeit“? Meistens wird verlangt, dass es sich um einige Monate der Arbeitsunfähigkeit handeln muss. Wenige Wochen reichen oft nicht aus. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Krankheit zum Zeitpunkt der Kündigung voraussichtlich für längere oder für nicht absehbare Zeit andauern wird. Einen genau festgelegten Zeitraum gibt es nicht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die folgende Grenze als Orientierungshilfe gezogen: Liegt ein Attest vor, aus dem sich ergibt, dass mit einer Genesung in den nächsten 24 Monaten nicht zu rechnen, dann kommt diese Ungewissheit einer krankheitsbedingten dauernden Arbeitsunfähigkeit gleich (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Az.: 2 AZR 148/01). In Fällen einer dauernden Arbeitsunfähigkeit ist eine Kündigung in aller Regel gerechtfertigt, da feststeht, dass der Arbeitnehmer nicht mehr eingesetzt werden kann. Allerdings hilft die vom BAG gezogene 24-Monats-Grenze kaum weiter, denn ein Arzt wird sich für einen so langen Zeitraum nur selten festlegen können und wollen. Deshalb kann auch schon ein kürzerer Zeitraum der Ungewissheit eine Kündigung rechtfertigen.

Betriebliche Interessen

Die wirtschaftlichen Interessen eines Betriebs sind bei Langzeitkranken kaum beeinträchtigt, da der Entgeltfortzahlungszeitraum nach sechs Wochen endet. Kosten entstehen für den Arbeitgeber dann zunächst keine mehr. Als Arbeitgeber bleibt Ihnen deshalb nur die Möglichkeit, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darzulegen, die organisatorischer Natur sind. Das können beispielsweise Probleme sein, die sich bei einer befristeten Besetzung des fraglichen Arbeitsplatzes ergeben. Wenn es um eine hoch qualifizierte Position geht, werden Sie unter Umständen Schwierigkeiten haben, überhaupt jemanden zu finden, der bereit ist, einen befristeten Vertrag zu unterschreiben. Solche Schwierigkeiten müssen Sie dokumentieren und am besten belegen.

Checkliste: Krankheitsbedingte Kündigung

  ok
Haben Sie die Kündigungsfristen beachtet?  
Haben Sie die Kündigungshindernisse (Mutterschutz, Elternzeit, Schwerbehinderung, Betriebsratsmitglied, Auszubildender, Wehrdienst/Zivildienst) geprüft?  
Gibt es krankheitsbedingte hohe Fehlzeiten?  
Besteht eine ungünstige Zukunftsprognose?  
Liegt eine erhebliche Betriebsbeeinträchtigung vor?  
Sind die Überbrückungsmaßnahmen ausgeschöpft?  
Haben Sie den Betriebsrat angehört?  
Ist der Zugang der Kündigung sichergestellt?  

Interessenabwägung

Bei der Interessenabwägung werden die Gerichte prüfen, ob Ihnen als Arbeitgeber die dargelegten Beeinträchtigungen noch zuzumuten sind oder ob Sie sich auf Grund der Belastungen vom Arbeitnehmer trennen dürfen. Hier kommt es vor allem darauf an, ob der Arbeitgeber schon alle erdenklichen Überbrückungsmaßnahmen ausgeschöpft hat, die ihm möglich und zumutbar sind. Solche Maßnahmen können die Neueinstellung eines Vertreters, die Anordnung von Überstunden, eine personelle Umorganisation, eine organisatorische Veränderung, der Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer Personalreserve usw. sein. Wenn solche Überbrückungsmaßnahmen für den Arbeitgeber nicht möglich, nicht mehr möglich oder unzumutbar sind, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht. Selbstverständlich kommt es im Rahmen der Interessenabwägung auch auf die soziale Situation des Arbeitnehmers an. Deshalb müssen folgende Kriterien berücksichtigt werden:

  • Alter des Arbeitnehmers
  • Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers
  • etwaige betriebliche Ursachen für die Erkrankung
  • Dauer des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses
  • Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
  • Situation auf dem Arbeitsmarkt

Achtung: Wie bei jeder anderen Kündigung scheitert der Arbeitgeber auch mit einer krankheitsbedingten Kündigung, wenn der Betriebrat nicht oder nicht ordnungsgemäß angehört wurde.

Häufige Kurzerkrankung

Häufige Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers führen im Betrieb letztendlich zu einer erheblichen Abwesenheit. Hier liegen die Anforderungen an die negative Gesundheitsprognose aber etwas anders. Zunächst sollte der Arbeitgeber einen Zeitraum von 24 Monaten zur Beobachtung nutzen. Ist der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum wegen Kurzerkrankungen insgesamt mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig krank, dann dürfen Sie davon ausgehen, dass er auch weiterhin oft krank sein wird. Häufige Kurzerkrankungen sind für den Arbeitgeber teuer, da immer wieder für bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung geleistete werden muss, ohne dass eine Arbeitsleistung erbracht wird. Wichtig: Beruhen die Beeinträchtigungen der Interessen des Arbeitgebers allein auf der Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten, müssen diese nach der Rechtsprechung pro Jahr für ca. 45 bis 60 Krankheitstage anfallen und damit erheblich über dem Sechswochenzeitraum liegen.

Quelle: LohnPraxis