Digitalisierung, Agilität und eine neue Kultur der Zusammenarbeit, die häufig unter dem Schlagwort New Work subsumiert wird, erobern die Arbeitswelt. Ein zentraler Aspekt bleibt meist noch außen vor: das Vergütungssystem. Wie sich dies ändern lässt, darum geht es bei „New Pay“. Einige Unternehmen erproben bereits Ansätze wie Gehaltsformeln, Wunschgehälter oder Teambewertung. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen müssen dabei kein Hindernisgrund sein.

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Foto von Jordan Rowland

Die Ausgangslage

Flexibilität ist heute ein Schlagwort, das Arbeitgeber gerne für sich und ihre Arbeitnehmer in Anspruch nehmenund gleichermaßen erwarten wie verfolgen. Viele Vergütungssysteme und -prinzipien sind hingegen schon vor Jahren entstanden und haben sich trotz neuer äußerer Umstände kaum geändert. Während größere Unternehmen Tarifverträge aushandeln oder klare Gehaltsbänderdefinieren, zwischen denen nur sehr bedingt Wechselmöglichkeiten bestehen, regiert in nicht tarifgebundenen Organisationen häufig das Gesetz des Stärkeren: Der beste Verhandlungskünstler verdient am meisten.

Diese Praxis ist zunehmend riskant. Denn in Sachen Vergütung ist letztlich entscheidend, ob die Beschäftigten diese als gerecht empfinden. Zumindest, wenn es um gesuchte Fachkräfte geht, sollte dies Unternehmen nicht egal sein. Dabei spielen zwei Aspekte eine Rolle: die Verteilungsgerechtigkeit – d. h. wie der Gehaltskuchen unter den Arbeitnehmern aufgeteilt wird – und die Verfahrensgerechtigkeit, bezogen darauf, nach welchen Regeln ein Unternehmen die Vergütung bestimmt.

Derzeit ändern sich in der Arbeitswelt zahlreiche Rahmenbedingungen, die Einfluss auf die gefühlte Gerechtigkeit von Vergütungssystemen haben:

  • Berufsfelder im Umbruch: Neue Jobprofile, etwa in Sachen Internet der Dinge, künstliche Intelligenz oder Data Science sowie neue Anforderungen für vorhandene Berufsbilder entstehen.
  • Arbeitsmarktsituation: Die Marktsituation ändert sich aufgrund von lokalen Präferenzen der Arbeitnehmer sowie einer Neudefinition der Kompetenzvoraussetzungen (Absolventen ohne Praxiskenntnisse versusStudienabbrecher mit nötigen Skills) rasant.
  • Gesellschaftlicher Wertewandel: Gestaltungsmöglichkeiten, Flexibilität oder mehr Zeit fürs Privatleben gewinnen neben dem rein monetären Verdienst an Bedeutung – Grundelemente von New Work oder agilem Arbeiten werden selbst Währungen im Entlohnungsmix.
  • Plattformen pushen Transparenz: Glassdoor, Xing, salary.com oder Google for Jobs tragen dazu bei, dass Gehaltsinformationen immer transparenter werden.

Neue Vergütungsformen sind also allein schon aufgrund dieser äußeren Rahmenbedingungen gefragt. Wer nun zudem die Art der Zusammenarbeit verändert, wer Führung neu unter den Beschäftigten verteilt und auf Selbstverantwortung setzt, landet eher früher als später bei der Frage: Passt das hergebrachte Gehaltsgefüge noch zur Unternehmenskultur? Steuern Arbeitgeber mit ihrem Vergütungssystem in eine andere Richtung, sind Störgefühle und Unzufriedenheit der Mitarbeiter vorprogrammiert.

Was ist New Pay?

Häufigere und radikalere Anpassungen des Vergütungssystem scheinen vor diesem Hintergrund unvermeidlich. New Work braucht New Pay – fordern deshalb Sven Franke, Nadine Nobile und Stefanie Hornung (Mit-Autorin dieses Beitrags) im Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“. Dabei verstehen wir „New Pay“ als Prozess rund um die Entwicklung neuer Gehaltsprozesse in sich schnell wandelnden Organisationen. Es geht um die Suche nach einem Vergütungssystem, das zur eigenen Unternehmenskultur passt und dem dynamischen Umfeld sowie aktuellen Wertevorstellungen gerecht wird. Das Ziel ist eine individuelle Lösung für die eigene Organisation, die über entsprechende Aushandlungsprozesse in bestimmten Abständen immer wieder auf ihre Stimmigkeit überprüft wird. In der Praxisspielen dabei nach unserer Beobachtung vor allem die folgenden Prinzipien eine Rolle:

  1. Fairness: Mehr gefühlte Gerechtigkeit durch nachvollziehbare, angemessene und verlässliche Prozesse.
  2. Transparenz: Offene Prozesse und/oder Gehaltssummen (nach innen oder außen).
  3. Selbstverantwortung: Das eigene Gehalt oder das der Kollegen lässt sich selbst mitbestimmen, Gehalt berücksichtigt neue Verteilung von Führung.
  4. Partizipation: Mitarbeiter gestalten das Modell der Gehaltsfindung mit.
  5. Flexibilität: Zeit ist Geld – Freizeit, Flexibilität und Wahlfreiheit gehören zum Entgelt.
  6. Wir-Denken: Alternative Anreize, die auf Unternehmenszweck einzahlen, ersetzen starre Boni. Sinnhafte Arbeit wird Teil der Entlohnung.
  7. Permanent Beta: Das Gehaltsmodell ist immer im Übergang und offen für Veränderung.

Bei den Unternehmen, die bereits an dem Thema arbeiten, konnten wir bislang 18 verschiedene Vergütungsansätze erkennen. Je nach Zielsetzung kombinieren die Organisationen diese miteinander, um dadurch Vor- und Nachteile auszugleichen. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt.

  • Einheitsgehalt: Alle Arbeitnehmer erhalten den gleichen Lohn, auch bei unterschiedlichen Tätigkeiten.
  • Mitarbeiterbeteiligung: Hierzu gehört nicht nur die Beteiligung der Beschäftigten in Form von Aktien, sondern auch durch Team- oder Unternehmensprämien.
  • Wunschgehalt: Die Mitarbeiter legen selbst fest, was sie gern verdienen würden und alle arbeiten gemeinsam im Unternehmen daran, das Wunschgehalt zu erreichen.
  • Bezahlung nach Rollen und Kompetenzen: Nicht feste Position oder Leistung bestimmen das Gehalt, sondern die tatsächliche Entwicklung und das Aufgabenfeld eines Arbeitnehmers.
  • Gehaltsformeln und -rechner: Beschäftigte – und teilweise auch Bewerber – können direkt anhand bestimmter Kriterien errechnen, was sie verdienen.
  • Gewählte Gehaltsvertreter: Das Unternehmen (Gesellschafter, Geschäftsführung oder Führungskräfte) legt ein Budget für Gehaltserhöhungen fest und die Mitarbeiter bestimmen Vertreter, die das Budget verteilen.
  • Partizipation: Geschäftsführung und HR entwickeln gemeinsam mit den Arbeitnehmern auf Augenhöhe ein neues Gehaltsmodell.
  • Mitentscheidung bei der Gehaltshöhe: Erweitertes Gehaltsgespräch, bei dem nicht nur die direkte Führungskraft, sondern auch ausgewählte Peers und Unternehmensvertreter an Gehaltsverhandlungen teilnehmen.
  • Entlohnung mit Freizeit: Arbeitszeitverkürzung im Unternehmen auf bis zu 25 Stunden die Woche bei vollem Lohnausgleich.
  • Entlohnung durch Flexibilität: Kann von Wahl zwischen Zeit und Geld (individualisierter Tarifvertrag) bis hin zu völliger Zeitsouveränität und „Urlaubsflat“ reichen.
  • Eingeschränkte Gehaltsspanne – gedeckeltes Chefgehalt: Das höchste Gehalt darf höchstens x-mal so viel (Definition eines maximalen Multiplikators) wie das niedrigste Gehalt betragen.
  • Bezahlung nach Purpose (Unternehmenszweck): Gehaltsbestandteil oder Peereinschätzung zur Passung der Leistung mit Firmeninteressen (z.B. gemessen an Kundenzufriedenheit).

Neben der Frage, welche Gehaltsansätze bzw. welche Kombination derselben den Werten und Arbeitsweisen eines Unternehmens am besten entsprechen, spielen auch arbeitsrechtliche Fragen in vielen Fällen eine zentrale Rolle: Passen derartige Ansätze von New Pay zum deutschen Arbeitsrecht? Wie viel Flexibilität besteht im Rahmen von Arbeitsverhältnissen?

Planbare Lebensgrundlage

Das Grund- oder Fixgehalt bildet die Basis jedes Vergütungssystems: Arbeitgeber vereinbaren mit ihren Mitarbeitern einen festen Betrag, der nicht von der Leistung des Arbeitnehmers oder dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt. Mit dem Grundgehalt können die Beschäftigten also fest rechnen und entsprechend ihre regelmäßigen Ausgaben kalkulieren.

Früher war die Sittenwidrigkeit die einzige gesetzliche Grenze, die für die Höhe der Vergütung bestand. Seit 2015 liefert das MiLoG genauere Vorgaben. In den meisten Fällen liegt das Grundgehalt allerdings höher als der Mindestlohn – entweder, weil der Arbeitsvertrag dies so regelt oder weil ein Tariflohn gilt, der darüber hinausgeht. Betriebsvereinbarungen sind hingegen für die Höhe des Grundgehalts irrelevant. Das Gesetz sieht vor, dass Betriebsvereinbarungen keine Regelungen treffen dürfen, die in Tarifverträgen bereits abschließend geregelt sind oder üblicherweise dort geregelt werden, § 77 Abs. 3 BetrVG.

Wie fix ist das Fixgehalt?

Das Fixgehalt ist demnach dafür da, den Mitarbeitern Sicherheit für ihre Lebensplanung zu geben. Dürfen Arbeitgeber also am Fixgehalt überhaupt nicht rütteln? Im Grunde ist das so. Allerdings sind immer einvernehmliche Änderungen möglich. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn Unternehmen das Grundgehalt erhöhen – dabei ist von einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer auszugehen, auch wenn sie sich nicht dazu äußern oder eine Änderungsvereinbarung unterschreiben. Es ist nach § 151 Satz 1 BGB als Zustimmung anzusehen, wenn sie das erhöhte Entgelt entgegennehmen. Schwieriger wird es naturgemäß, wenn es darum geht, das Fixgehalt zu reduzieren. Dies gilt zwar als Tabu, könnte aber mit der Einführung neuer Vergütungssysteme oder bei der Übernahme einer neuen Rolle im Unternehmen künftig durchaus häufiger vorkommen. Doch geht das rein rechtlich überhaupt?

Auch hier gilt: Mit Zustimmung der Beschäftigten ist das möglich, grundsätzlich auch ohne Schriftform, wobei diese unbedingt zu empfehlen ist. Denn warum sollten Mitarbeiter einer Reduzierung ihres Fixgehalts zustimmen? Das tun sie meist nicht gern und üblicherweise nur, wenn sich auch die Arbeitszeit reduziert oder der Arbeitgeber überzeugend erklären kann, dass ansonsten der Arbeitsplatz ernsthaft gefährdet ist. Selbst die Option einer höheren variablen Vergütung und damit auch eines insgesamt höheren Zielgehalts sehen die meisten Arbeitnehmer erfahrungsgemäß nicht als guten Tausch an.

Rollenbasierte Bezahlung

Rollenbasierter Bezahlung und z.B. einer Reduzierung des Festgehalts in Krisenzeiten ist gemein, dass sie meist nicht auf lange Dauer angelegt sind. Eine mögliche Lösung könnte sein, dass Arbeitgeber das Fixgehalt nur für einen begrenzten Zeitraum erhöhen und so indirekt bei Bedarf reduzieren. Ist das arbeitsrechtlich zulässig?

Grundsätzlich ja. Die strengen Voraussetzungen des TzBfG sind dabei nicht unmittelbar anwendbar. Ein Anhaltspunkt für die Gerichte ist dabei jedoch die Frage, ob die Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses auch gerechtfertigt wäre. Das kann z.B. der Fall sein, wenn Beschäftigte eine Zusatzaufgabe während eines befristeten Projekts, die Vertretung einer Kollegin oder eine neue Aufgabe bzw. Rolle übernehmen. Auch eine rollenbasierte feste Vergütung, die sich danach richtet, welche Rolle ein Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt ausübt, kann rechtlich zulässig sein, sollte aber transparent und klar geregelt werden. Rollenwechsel können damit auch zur Flexibilisierung des Fixgehalts führen.

Flexible Arbeitszeit und Fixgehalt?

Die Arbeitszeit steht häufig in einem bestimmten Verhältnis zur Vergütung – egal, wann der Arbeitnehmer arbeitet. Arbeitgeber können also eine regelmäßige tägliche, wöchentliche oder auch monatliche Arbeitszeit als Basis annehmen oder generell flexible Arbeitszeiten einplanen, z. B. im Rahmen von Gleitzeit oder einem Jahresarbeitszeitmodell. Generell gilt: Arbeitet jemand in der Summe weniger, erhält er oder sie auch weniger Geld.

Rechtlich erscheint es denkbar, eine feste Vergütung zuzusagen, ohne stets eine bestimmte Arbeitszeit zu verlangen. Ebenso ist es möglich, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu reduzieren. Einige Unternehmen tun dies bereits. Sie lassen sich von dem Gedanken leiten, dass es auf die Arbeitsergebnisse ankomme und nicht auf die dafür notwendige Arbeitszeit. Ein nachvollziehbarer Ansatz, der jedoch abseits von akkordlohnfähiger Arbeit schnell mit dem vorherrschenden Verständnis vom Vergütungsanspruch im Arbeitsverhältnis kollidieren kann – ein Angestellter schuldet gerade keinen bestimmten Erfolg (Arbeitsergebnis), sondern lediglich die vertragsmäßige Tätigkeit. Problematisch wird es bspw., wenn eine effizientere Mitarbeiterin weniger arbeitet als andere. Das BAG meint dazu prägnant: Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann (Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AuA 2/04, S. 44). Ist jemand daher schneller, effizienter oder schlicht besser, ist er auch verpflichtet, diese – entsprechend bessere – Leistung zu erbringen und kann nicht darauf verweisen, dass er nur so gut arbeiten muss wie die Kollegen.

Ein beliebtes Modell, Arbeitszeit nicht direkt mit Vergütung zu koppeln, besteht darin, unbegrenzt Urlaub zu gewähren. Derartige „Urlaubsflats“ führen allerdings nur bedingt dazu, dass Beschäftigte mehr Urlaub nehmen – das ist eine Frage der Unternehmenskultur und des Verantwortungsgefühls der Mitarbeiter. Es kann auch das Gegenteil eintreten. Deshalb schiebt die neuere Rechtsprechung Missbrauch einen Riegel vor: Der Arbeitgeber soll darauf achten, dass die Arbeitnehmer mindestens den gesetzlichen Urlaub nehmen – auch, um Abgeltungsansprüche zu vermeiden (EuGH, Urt. v. 6.11.2018 – C-619/16, AuA 1/19, S. 52; v. 6.11.2018 – C-684/16, NZA 2018, S. 1474).

Variable Vergütung

Raum für Flexibilität lässt das Arbeitsrecht vor allem bei variabler Vergütung. Grenzen bilden hier insbesondere der Anspruch auf Transparenz und der Grundsatz, dass Unternehmen Mitarbeitern durch bereits erbrachte Arbeit Verdientes nicht wieder entziehen können.

Variable Vergütung ist selten in Tarifverträgen ausgeprägt geregelt. Damit ist der Weg weitgehend frei für innerbetriebliche Lösungen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Vergütungsgrundsätzen. Dazu gehören z.B. Bonus- und Kommissionsvereinbarungen, aber auch sonstige variable Vergütungsbestandteile. Der Arbeitgeber kann zwar einseitig das Volumen festlegen, das er für variable Vergütung zur Verfügung stellt, also den „Bonustopf“. Wie dieser verteilt wird, darüber müssen sich Unternehmen und Arbeitnehmervertreter jedoch einigen.

Praxistipp

Gibt es keinen Betriebsrat im Unternehmen, können Arbeitgeber die variable Vergütung individuell mit jedem Beschäftigten vereinbaren oder durch Gesamtzusage oder betriebliche Übung kollektiv verankern.

Ziele und Zielerreichung

Eine variable Vergütung ist meist daran gebunden, dass Mitarbeiter bestimmte Ziele erreichen. Welche das sind, legt entweder der Arbeitgeber einseitig fest oder beide Seiten vereinbaren dies gemeinsam. Die Bandbreite ist groß und reicht von individuellen, „harten“ Zielen mit messbaren Kennziffern bis hin zu „weichen“ Zielen, deren Beurteilung eine Wertung voraussetzt, etwa Führungskompetenz, Kundenfreundlichkeit oder kommunikative Fähigkeiten. Die variable Vergütung kann auch an Team-, Unternehmens- und/oder Konzernziele gebunden sein, was insbesondere im New-Pay-Umfeld besser zum Gedanken der Kollaboration passt. Die Ziele müssen in jedem Fall klar und verständlich sein – und zu Beginn des Bemessungszeitraums feststehen. Das ist regelmäßig nicht der Fall: Oft beginnt das Bonusjahr im Januar und die Ziele werden erst Monate später besprochen. Das Risiko liegt hier dann häufig beim Arbeitgeber: Hat er die Ziele vorwerfbar nicht festgelegt und kann er nicht nachweisen, dass eine niedrigere Zielerreichung eingetreten wäre, sind für Zeiträume ohne Zielfestlegung 100 % zu zahlen.

Heikel kann es insbesondere bei weichen Zielen werden, wenn das Unternehmen nicht umfassend erklären kann, wie es die Zielerreichung ermittelt bzw. mit welchen Ergebnissen es sie festgestellt hat. Spielräume bei der Ermittlung sind kein Problem, sofern diese allen Beteiligten vorher abstrakt klar sind. Modelle, in denen ein Team gemeinsam die Wertbeiträge aller Mitglieder festlegt oder die Zielerreichung durch 360-Grad-Feedback ermittelt, sind arbeitsrechtlich erlaubt. Wichtig ist aber, dass alle vorher wissen, was am Ende dabei entscheidend ist – und dass das betreffende Verfahren konsistent und nachvollziehbar umgesetzt ist.

Freiwillig oder widerruflich?

Boni nach „Gutsherrenart“ zu vergeben, ist jedenfalls immer problematisch. Die Vorgabe von Zielen oder konkreten Bonusbeträgen, kombiniert mit dem Hinweis, dass die Zahlung eines Bonus freiwillig sei, passt nicht zusammen. Das hat das BAG längst sehr deutlich entschieden (Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, AuA 2/08, S. 115). Die Entscheidung ist eigentlich auch im Sinne der Arbeitgeber: Kein Unternehmen kann Ziele vorgeben wollen, um dann bei Zielerreichung mitzuteilen, dass es trotzdem keinen Bonus zahlt. Das wäre fatal für die gefühlte Gerechtigkeit auf Seiten der Beschäftigten.

Sinnvoller – und typischerweise vom Arbeitgeber auch gewollt – ist es, den Bonus an das Unternehmensergebnis zu koppeln: Geht es dem Unternehmen gut, zahlt es den Bonus, geht es ihm schlecht, soll kein Geld fließen, auch wenn die Arbeitnehmer ihre individuellen Ziele erreichen. Das kann ein legitimer Punkt sein, der sich auch ohne vermeintliche „Freiwilligkeit“ rechtlich sauber abbilden lässt: indem Unternehmen rechtzeitig eine wirtschaftliche Kennziffer als Bonusvoraussetzung festlegen. Wenn diese erreicht wird, fließt bei individueller Zielerreichung auch der individuelle Bonus.

Ansonsten kann eine wirtschaftliche Schieflage ein wichtiger Grund sein, vereinbarte Bonusansprüche für die Zukunft zu widerrufen. Das können die Mitarbeiter meist nachvollziehen. Auch hier heißt es: die möglichen Widerrufsgründe angemessen wählen und vorher transparent machen.

Beteiligungsmodelle

Arbeitgeber, die mit neuen Arbeitsformen experimentieren, verfolgen häufig das Ziel, ihre Beschäftigten zu echten Entrepreneuren zu machen und unternehmerisches Handeln und Denken auf allen Ebenen zu fördern. Börsennotierte Unternehmen versuchen dies durch Mitarbeiteraktienprogramme oder indirekte, am Aktienwert ausgerichtete Programme, wie Virtual Shares.

Für alle anderen kleineren, nicht börsennotierten Unternehmen gilt es dabei, zwei Hürden zu nehmen:

  • Zum einen müssten sie zur Berechnung eine Unternehmensbewertung vorlegen, die aufwendig ist und leicht zum Streit führen kann.
  • Zum anderen erlangen Arbeitnehmer bei einer echten Beteiligung die Stellung eines Gesellschafters. Endet das Arbeitsverhältnis, können die Interessen auseinanderdriften – etwa, wenn jemand zum Wettbewerber wechselt und als Gesellschafter weiterhin alle relevanten Informationen seines ehemaligen Arbeitgebers hat.

Auch bei Modellen wie Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften, Genossenschaften oder Genussscheinen besteht oft ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen sowie gesellschaftsrechtliche Tücken.

Eine einfachere Alternative ist daher die Gewinnbeteiligung. Dabei sind Beschäftigte am Gewinn des Unternehmens direkt beteiligt. I.d.R. verteilen Arbeitgeber einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns nach bestimmten Kriterien unter den Arbeitnehmern. Bei der Art der Verteilung haben sie viel Gestaltungsspielraum, vorausgesetzt, das System ist transparent. Wer erhält wie viel vom Gewinntopf? Wer legt das fest – die Führungskraft, der Mitarbeiter selbst oder das Team? Sind für eine Partizipation bestimmte Teilnahmekriterien relevant und wenn ja, welche? Hier ist vieles denkbar und zulässig, solange die Parameter klar definiert sind.

Praxistipp

Wie Unternehmen den Gewinn genau bestimmen, was passiert, wenn der Gewinn sich aufgrund unerwarteter Ereignisse deutlich erhöht oder reduziert, z.B. durch Investitionen oder den Verkauf von Unternehmensteilen, sollten Arbeitgeber vorausschauend durchdenken und regeln. Dann kann eine Gewinnbeteiligung ein sinnvoller Weg sein, die Kollaboration im Team und die Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Unternehmen zu fördern.

Fazit

Erste Ansätze von New Pay kommen aktuell vor allem aus kleineren Organisationen. In größeren Unternehmenzeigt sich: Es wird nicht nur ein Vergütungssystem geben, sondern häufig bestehen mehrere Ansätze parallel – je nach Arbeitsbereich, Team und Arbeitsweise. Es kommen dabei auch arbeitsrechtlich einige Herausforderungen auf die Arbeitgeber zu, die Fachexpertise erfordern, aber nicht unlösbar sind.

Am Ende ist bei allen Vergütungsmodellen die Zielsetzung entscheidend: Für was möchte das Unternehmen die Arbeitnehmer bezahlen? Was genau möchten sie incentivieren? Nicht immer finden Organisationen auf Anhieb die passende Methode. Gerade dann ist wichtig zu wissen: Befristungen erlauben es, Modelle zu testen und zu prüfen, ob der gewünschte Effekt eintritt oder andere Probleme auftauchen, die man vorher nicht bedacht hat.

Die Grundsätze Transparenz und Konsistenz sind in rechtlichen Vergütungsfragen immer das A und O. Selbst wenn Mitarbeiter wissen oder jedenfalls ahnen, warum sie nicht den vollen Bonus bekommen – ein Gericht weiß es nicht und die Darlegungs- und Beweislast liegt zumeist beim Arbeitgeber. Kommunikation gegenüber den Beschäftigten ist daher entscheidend. Ebenso wichtig ist es, den Betriebsrat einzubinden, nicht nur aufgrund seiner Mitbestimmungsrechte, sondern auch, weil er Anregungen der Belegschaft aufnehmen und als Sprachrohr die Regelungen zurückspielen kann.

Das Arbeitsrecht zwingt Arbeitgeber also in gewisser Weise, ihre Zielsetzungen und die Auswirkungen eines Vergütungsmodells genau zu durchdenken und transparent zu kommunizieren. Genau das sind auch Ziele von neuen Vergütungssystemen im Umfeld von New Work. Arbeitsrecht ist also kein Feind von New Pay.

Mit freundlicher Genehmigung des AuA (Ausgabe 11/2019, S. 666ff).