Was ist die neuronale Mitarbeiterbindung und welche Rolle spielen Glückshormone am Arbeitsplatz? Welche PERMA-Faktoren der positiven Psychologie gibt es und warum ist Positive Leadership entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens? Welchen Einfluss hat Selbstverantwortung auf die neuronale Mitarbeiterbindung? Warum ist Teamsicherheit wichtig und wie sollten Führungskräfte mit heterogenen Teams umgehen?
Über das Thema neuronale Mitarbeiterbindung im Bereich Personalführung und Personalentwicklung spricht in der heutigen Podcast-Folge Alexandra Hagemann, Trainerin, Coach, Moderatorin und Geschäftsführerin von ah Trainings, mit HRM Hacks Gastgeber Alexander Petsch, CEO des HRM Instituts.
Was ist die neuronale Mitarbeiterbindung?
In einer Welt, die sich ständig verändert, sind Unternehmen gefordert, neue Wege zu finden, um ihre MitarbeiterInnen langfristig zu binden und zu motivieren. Denn traditionelle äußere Anreizsysteme wie Fitnessstudio-Mitgliedschaften oder andere Vergünstigungen reichen nicht mehr aus, um eine nachhaltige Mitarbeiterbindung zu gewährleisten.
Viel entscheidender ist es, dass sich MitarbeiterInnen an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen und ihre Stärken entfalten können. Warum dies so ist? Alexandra Hagemann erklärt, dass unser Belohnungssystem im Gehirn aufblüht, wenn wir in Bereichen arbeiten, die unseren Stärken entsprechen. Die Ausschüttung der richtigen Neurotransmitter und Hormone spielt dabei eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit.
Der Begriff „neuronale Mitarbeiterbindung“ mag zunächst abstrakt klingen, aber er beschreibt im Wesentlichen den Mechanismus, durch den MitarbeiterInnen dazu motiviert werden, positive Glückshormone auszuschütten, indem sie in Arbeitsbereichen tätig sind, die ihren Stärken entsprechen. Dieses Phänomen wird durch die Aktivierung des Mesotelenzephalis oder meso-kortiko-limbischen Systems im Gehirn erreicht, das für die Freisetzung von Neurotransmittern und Hormonen verantwortlich ist, die mit Glück und Erfüllung in Verbindung stehen.
Wenn MitarbeiterInnen in Bereichen arbeiten, die ihren Stärken entsprechen, fühlen sie sich nicht nur zufriedener, sondern sie sind auch motivierter und engagierter, was zu einer höheren Frustrationstoleranz und einem insgesamt positiven Arbeitsumfeld führt.
Positive Leadership als Schlüssel zum Erfolg
Laut Alexandra Hagemann ist Positive Leadership ein entscheidender Ansatz, um die neuronale Mitarbeiterbindung zu fördern und somit das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen zu steigern. Hierbei spielen insbesondere die PERMA-Faktoren aus der positiven Psychologie eine wichtige Rolle: Positive Emotionen, Engagement (Stärken einsetzen), Relationships (Beziehungen), Meaning (Sinn) und Accomplishment (Zielsetzung).
Indem Führungskräfte einen positiven Führungsstil anwenden und sich an den PERMA-Faktoren orientieren, können sie ein Umfeld schaffen, in dem MitarbeiterInnen aufblühen und eine starke Bindung zum Unternehmen entwickeln.
Führungskräfte, die diese Faktoren in ihren Führungsstil integrieren und einen Rahmen für MitarbeiterInnen schaffen, um ihre Stärken zu entwickeln, können nicht nur die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen steigern, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Unternehmens verbessern. Studien haben gezeigt, dass Unternehmen, die Positive Leadership anwenden, dreimal erfolgreicher sind als andere Unternehmen. Zudem verfügen sie über eine viermal höhere Energie bei ihren Best Performern, was sich sogar auf den Krankenstand und das Kaufverhalten der Kunden auswirkt.
PERMA-Lead-Studien haben außerdem herausgefunden, dass MitarbeiterInnen trotz eines gleichbleibenden Gehalts im Unternehmen bleiben, wenn ihre Führungskräfte Positive Leadership praktizieren und die PERMA-Faktoren hervorheben. Dieses Phänomen ist mit dem Heliotropen Effekt zu erklären, der besagt, dass sich Lebewesen Richtung Sonne wenden. Bei Menschen konnte der Effekt ebenfalls festgestellt werden, denn auch sie beschäftigen und umgeben sich gerne mit Leuten, die eine positive Energie ausstrahlen.
Selbstverantwortung und Handlungsfähigkeit sind essenziell
Ein weiterer wichtiger Aspekt der neuronalen Mitarbeiterbindung ist die Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen sowie ihre Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit. Indem MitarbeiterInnen Verantwortung für ihre eigenen Handlungen und Entscheidungen übernehmen, fühlen sie sich stärker mit ihrem Unternehmen verbunden, engagieren sich mehr für ihre Arbeit und bleiben länger beim Arbeitgeber.
Hierfür ist es jedoch entscheidend, dass sie ihre Rolle und Mission im Unternehmen kennen sowie die Ziele und den Sinn ihrer Aufgaben verstehen. Aus diesem Grund sollten Führungskräfte Rahmenbedingungen schaffen, die es den MitarbeiterInnen ermöglichen, Selbstverantwortung zu übernehmen, indem sie verständliche Leitlinien und Erwartungen festlegen und den Angestellten die Möglichkeit geben, sich aktiv einzubringen und an ihren Stärken zu arbeiten.
MitarbeiterInnen, die Verantwortung übernehmen dürfen und wissen, in welchen Bereichen sie handeln können, sind motivierter und zufriedener. Doch Selbstverantwortung bedeutet auch, klare Regeln und Strukturen zu haben. Flache Hierarchien und selbstorganisierte Teams sind wichtig, dürfen aber nicht bewirken, dass Führung und konkrete Richtlinien vernachlässigt werden. Fehler dürfen gemacht werden, solange daraus gelernt wird. Führungskräfte spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, MitarbeiterInnen dabei zu unterstützen, Selbstverantwortung zu übernehmen.
Dennoch umfasst Selbstverantwortung auch die Bereitschaft der MitarbeiterInnen, die Konsequenzen ihres Handelns oder Nicht-Handelns zu tragen. Denn wie von Alexandra Hagemann treffend formuliert: „Wenn ich die Verantwortung nicht übernehme, trage ich auch die Verantwortung. Wenn ich eine Entscheidung nicht treffe, dann bin ich immer noch verantwortlich dafür. Ob ich handele oder ob ich nicht handele, ich habe die Verantwortung.“
Teams geben Sicherheit
„Menschen verlassen ihre Führungskräfte, bleiben aber wegen des Teams,“ sagt Alexandra Hagemann. Forschungsergebnisse aus der positiven Psychologie zeigen, dass Menschen traumatische Situationen besser bewältigen können und dass sie sich wohler und sicherer fühlen, wenn sie ein starkes soziales Netzwerk haben. Auch in Unternehmen ist das Gemeinschaftsgefühl entscheidend für das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen.
Unternehmen sollten daher nicht nur auf materielle Anreize setzen, sondern auch Wert auf Zusammenhalt und Identifikation mit dem Unternehmen legen. Heterogene Teams können dazu beitragen, die Teamsicherheit zu stärken, indem sie unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten zusammenbringen. Es ist jedoch wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Motivationen der einzelnen Teammitglieder zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass sich alle wertgeschätzt und respektiert fühlen.
Zusätzlich sollen sie den Mehrwert der Zusammenarbeit und den Sinn der Aufgaben verstehen. Wichtig hierbei ist, dass „unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Stärken auch unterschiedlich geführt werden müssen,“ erklärt Alexandra Hagemann. Indem Führungskräfte die individuellen Stärken und Motivationen ihrer MitarbeiterInnen erkennen und fördern, können sie ein positives Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich jeder unterstützt fühlt. Denn eine sogenannte „artgerechte Haltung“ der MitarbeiterInnen bedeutet, ihre Individualität anzuerkennen und zu respektieren.
Eine Herausforderung an dieser Stelle ist herauszufinden, wie sich unterschiedliche Bedürfnisse auf die Motivation der unterschiedlichen MitarbeiterInnen auswirkt. Geld spielt zweifellos eine Rolle, jedoch ist es ebenso bekannt, dass einige MitarbeiterInnen bereit sind, ein Unternehmen zu verlassen, wenn ein Job mit geringerem Gehalt andere für sie wichtige Wünsche erfüllt.
Insgesamt zeigt sich, dass eine erfolgreiche neuronale Mitarbeiterbindung auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Positive Leadership, Selbstverantwortung, Zusammenhalt im Team und eine individuelle Stärkenförderung sind entscheidende Faktoren, um MitarbeiterInnen langfristig an das Unternehmen zu binden. Arbeitgeber, die diese Faktoren berücksichtigen und fördern, können nicht nur die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft ihrer MitarbeiterInnen steigern, sondern auch langfristig erfolgreich am Markt bestehen.
Zur Person: Alexandra Hagemann ist Trainerin, Coach und Moderatorin rund um die Themen Kompetenzen sichtbar machen sowie stärkenorientiertes und sicheres Präsentieren, Kommunizieren und Führen. Zudem ist sie Expertin für das 8S Stärkeprofil und Dozentin an der Blended Learning Hochschule für Angewandtes Management. Nach dem Motto „für die individuelle Weiterentwicklung kann, darf und muss Lernen Spaß machen“ bietet Alexandra Hagemann Trainings mit „ah-Effekt“ an und war damit doppelte Gewinnerin des Europäischen Trainingspreises 2023. Alexandra Hagemann kombiniert ihre didaktische und wissenschaftliche Kompetenz mit ihrem ausgeprägten Empathievermögen, um in Vorträgen und praxisorientierten Seminaren und Coachings die Teilnehmenden zu begeistern.