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Das AGG schützt nicht vor jeder Benachteiligung, nicht generell vor „Mobbing“, sondern nur vor solchen Benachteiligungen, die aus den in § 1 AGG genannten Gründen erfolgen. Dies sind Gründe der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Dabei schützt das Gesetz vor unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung, insbesondere auch in Form der (sexuellen) Belästigung. Die meisten Fragen sind durch die Rechtsprechung mittlerweile geklärt und so ist das Gesetz für Arbeitgeber kalkulierbar geworden.

 

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe 07/2016 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

 

Auch die Vergütung nach Lebensaltersstufen ist unzulässig (BAG, Urt. v. 10.11.2011 – 6 AZR 481/09; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.8.2015 – 7 Sa 384/15) mit der Folge, dass die Vergütung dann nach der höchsten Lebensaltersstufe erfolgt. Dies gilt auch, wenn Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres unberücksichtigt bleiben (EuGH, Urt. v. 28.1.2015 – C 417/13) oder wenn bei einer Beschäftigungszeit von weniger als 25 Jahren nach der Vollendung des 55. Lebensjahres für die Anrechnung von Einkommenserhöhungen differenziert wird (BAG, Urt. v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14).

Dagegen kann die Arbeitszeit für Ältere (hier ab 58) kürzer als für Jüngere und ebenfalls nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG wegen eines altersbedingt gesteigerten Erholungsbedürfnisses gerechtfertigt sein (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.1.2016 – 17 Sa 84/15).

Altersdiskriminierung spielt auch eine Rolle bei der Befristung des Arbeitsverhältnisses. Zum einen bei der Befristung auf die Erreichung des Regelrentenalters. Zulässig ist dies, weil es durch „das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung“ gerechtfertigt ist, weil grundsätzlich Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente generell wirtschaftlich abgesichert sind (BAG, Urt. v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13; v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14; EuGH, Urt. v. 12.10.2010 – C-45/09, Rosenbladt, AuA 11/10, S. 672).

Auch die sachgrundlose Befristung älterer Beschäftigter bis zur Dauer von fünf Jahren (ab 52 Jahren, § 14 Abs. 3 TzBfG) ist jedenfalls bei erstmaliger Befristung keine verbotene Altersdiskriminierung (BAG, Urt. v. 28.5.2014 – 7 AZR 360/12).

Höchstaltersgrenzen (z. B. Beendigung mit 70 Jahren) die für bestimmte Berufe Ältere benachteiligen, weil diese dann in ihrem Job nicht mehr tätig sein dürfen, sind i. d. R. gerechtfertigt, z. B. für Prüfsachverständige (BVerwG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 CN 1.14). Für Flugkapitäne, die ab 65 Jahren nicht mehr als Pilot im gewerblichen Luftverkehr tätig sein dürfen, hat das BAG (Urt. v. 27.1.2016 – 5 AZR 263/15 [A]) die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem EuGH vorgelegt. Höchstaltersgrenzen für den Zugang (maximal 30 Jahre alt für den Polizeidienst) lassen sich meist nicht ohne Weiteres rechtfertigen, weder durch besondere Anforderungen an den Kandidaten, wenn sie nicht nachweislich mit dem Alter zusammenhängen, noch durch den Aufbau einer Ruhestandsversorgung (EuGH, Urt. v. 13.11.2014 – C 416/13).


Bereits bei der Stellenausschreibung können Arbeitgeber viel falsch machen. Richtet sich eine solche an „Berufsanfänger“, dann ist dies zunächst mittelbar diskriminierend, da Berufseinsteiger i. d. R. jünger sind als ältere Menschen. Das kann aber im Einzelfall gerechtfertigt sein. In mehreren Verfahren (Hess. LAG, Urt. v. 21.8.2014 – 5 Sa 98/14; v. 27.11.2014 – 9 Sa 577/14) akzeptierten die Gerichte die Argumente der Arbeitgeber, warum sie keinen erfahrenen Rechtsanwalt eingestellt haben, der dann Partner hätte werden wollen und höhere Kosten auslösen würde. Hingegen gab es keine sachlichen Gründe, warum für die Stelle eines Buchhalters nur ein Berufsanfänger gesucht wurde (LAG Düsseldorf, Urt. v. 9.6.2015 – 16 Sa 1279/14). Dagegen war die Suche nach einem „Junior Consultant“ und „Berufsanfänger“ (LAG Baden- Württemberg, Urt. v. 19.11.2015 – 6 Sa 68/14) bzw. für ein „junges hoch motiviertes Team“ (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.1.2016 – 19 Sa 27/15) nicht altersdiskriminierend, weil sowohl der Junior Consultant als auch das junge hoch motivierte Team nicht unbedingt einen Altersrückschluss zulassen, sondern lediglich die hierarchische Ebene bzw. die Dauer der Zusammensetzung dieses Teams kennzeichnen.

 
Eindeutig ist die Rechtsprechung dagegen bei der Urlaubsdauer. Seit dem Urteil des BAG vom 20.3.2012 (9 AZR 529/10, AuA 11/12, S. 677) ist klar, dass der Urlaub nicht nach Alter gestaffelt werden darf, wenn die Altersstaffelung schon bei den 30-Jährigen beginnt. Hingegen ist sie nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt, wenn erst bei den wirklich Älteren (ab 50-Jährigen) eine Urlaubsverlängerung erfolgt (BAG, Urt. v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12, AuA 8/15, S. 487; v. 20.3.2012, a. a. O.; ebenso das LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.10.2015 – 1 Sa 130/15). Dort erhielten erst die ab 58-Jährigen zwei weitere Urlaubstage. Staffelt ein Arbeitgeber hingegen durch Individual- oder Tarifvertrag den Urlaub schon ab jungen Jahren nach Alter, haben auch die Nachwuchskräfte Anspruch auf eine Angleichung nach oben (LAG Sachsen-Anhalt, Urt. 11.2.2015 – 5 Sa 80/14). Genauso sieht es das BAG (Urt. v. 12.4.2016 –9 AZR 661/14), wonach ein um drei Tage höherer tariflicher Urlaubsanspruch der über 50-Jährigen eine zulässige Diskriminierung Jüngerer wegen des erlaubten Gesundheitsschutzes Älterer darstellt.

Kommentare beim Einstellungsgespräch können ein ausreichendes Indiz für eine Diskriminierung sein. Beim Einstellungsgespräch einer Transsexuellen (BAG v. 17.12.2015, a. a. O.) zeigte sich der Arbeitgeber verwundert darüber, dass die Bewerberin nicht weiblich aussah und erklärte mehrfach, man habe ihm doch eine Frau schicken wollen. „Falsche, wechselnde oder in sich widersprüchliche Begründungen für eine benachteiligende Maßnahme können Indizwirkung i. S. d. § 22 AGG haben“ (BAG, Urt. v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, AuA 3/13, S. 182).

 
Auch Statistiken können für eine Geschlechterdiskriminierung sprechen, „wenn ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch diese Regelung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen (siehe EuGH, Urt. v. 6.12.2007 – C-300/06, AuA 4/08, S. 242)“ (BAG, Urt. v. 18.9.2014 – 4 AZR 753/13).

Indizien lassen sich auch aus der Verletzung von Pflichten nach dem SGB IX ableiten, d. h. der fehlenden Einladung zum Vorstellungsgespräch oder fehlenden Meldung der freien Stelle bei der Agentur für Arbeit. Die Indizwirkung wird bei der Diskriminierung eines Behinderten nur ausgelöst, wenn das Unternehmen hiervon weiß oder wissen müsste. Ist die Behinderung in den Bewerbungsunterlagen, aber nicht im Bewerbungsanschreiben genannt oder im Lebenslauf prominent hervorgehoben, sondern nur beiläufig in den Unterlagen eingestreut, reicht dies nicht (BAG, Urt. v. 26.9.2013 – 8 AZR 650/12, AuA 10/14, S. 617).
 

Wichtig

Der abgelehnte Bewerber hat keinen Anspruch, vom Arbeitgeber zu erfahren, wer statt seiner eingestellt wurde (BAG, Urt. v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, AuA 5/14, S. 309).

Der diskriminierende Arbeitgeber kann sich bei einer Ablehnung zwar entlasten, er trägt jedoch die volle Darlegungs- und Beweislast. Er muss deshalb beweisen, dass das Diskriminierungsmerkmal auch nicht Teil eines Motivbündels ist. Und wer sich auf die „Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 AGG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens eines legitimen Ziels i. S. d. Vorschrift“ (BAG v. 23.7.2015, a. a. O.).

Letztlich noch nicht durch den EuGH geklärt ist die Frage, ob es richtlinienkonform ist, dass für den Schadensersatz, mit dem der Erfüllungsschaden zu ersetzen ist, nach § 15 Abs. 1 AGG Verschulden vorliegen muss. Für das Schmerzensgeld nach § 15 Abs. 2 AGG betont die Rechtsprechung zwar, die Sanktionen müssten „der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleisten, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH, Urt. v. 25.4.2013 – C-81/12, Asociatia Accept; BAG, v. 22.5.2014, a. a. O. sowie v. 17.12.2015, a. a. O.). Trotzdem lassen sich keine nennenswerten Entschädigungssummen feststellen. So waren es drei Bruttomonatsgehälter (2.100 Euro) im Fall der ausnahmslos ausgeschlossenen männlichen Volontäre (vgl. ArbG Berlin v. 5.6.2014, a. a. O.), 36.600 Euro (ca. zwei Bruttomonatsgehälter) für einen aus Altersgründen abgelehnten Geschäftsführer (OLG Köln, Urt. v. 29.7. 2010 – 18 U 196/09) und nur 3.000 Euro für die abgelehnte Mutter, mit dem sieben Jahre alten Kind (LAG Hamm, Urt. v. 11.6.2015 – 11 Sa 194/15). 6.000 Euro gab es bei schwerwiegender geschlechterdiskriminierender Vergütungsdifferenz (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.8.2014 – 5 Sa 509/13), 2.164 Euro im Fall der abschreckenden Einladung zum Bewerbungsgespräch für den behinderten Bewerber (LAG Baden-Württemberg v. 3.11.2014, a. a. O.) und nur 1.500 Euro setzte das ArbG Berlin (Urt. v. 8.5.2015 – 28 C 18485/14) für die Kündigung in der Schwangerschaft an. Soweit das KSchG keine Anwendung findet, ist Rechtfolge einer AGG-widrigen Kündigung deren Nichtigkeit gem. § 134 BGB i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 1, 3 AGG; bspw. im Fall der Kündigung einer Schwangeren (BAG v. 26.3.2015, a. a. O.).

 
Soweit eine unwirksame Vergütungsregelung vorliegt und der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung der vorenthaltenen Leistung hat, ist dies kein fristgebundener Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 und Abs. 4 AGG sondern ein Erfüllungsanspruch, der der regulären Verjährung (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.8.2014 – 5 Sa 511/13) bzw. einer eventuell geltenden vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfrist unterliegt (BAG, Urt. v. 18.2.2016 – 6 AZR 628/14).

 
Voraussetzung für Ansprüche nach dem AGG ist, dass sie nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen sind. Sucht nur der wirkliche Bewerber (ausgeschlossen nach § 242 BGB [BAG, Urt. v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, AuA 6/13, S. 372]) oder auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können (AGG-Hopper)? Das hat derzeit der EuGH nach einem Vorlagebeschluss des BAG (v. 18.6.2015 – 8 AZR 848/13 [A], AuA 6/16, S. 376) zu klären.

Sind Schwangerschaft und (befürchtete) schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten Motivation für eine Beendigung durch Nichtverlängerungsmitteilung im Bühnenbereich (LAG Köln, Urt. v. 3.6.2014 – 12 Sa 911/13) oder durch Kündigung (BAG, Urt. v. 26.3.2015 – 2 AZR 237/14, AuA 2/16, S. 118), benachteiligt diese die Frau unmittelbar wegen ihres Geschlechts. Die Kündigung ist dann unwirksam. Auch wenn der Arbeitgeber in der Schutzfrist des MuSchG ohne Zustimmung der Behörde kündigt, indiziert dies eine Benachteiligung wegen des Geschlechts und führt neben der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 9 MuSchG auch zu einem Schmerzensgeldanspruch (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.9.2015 – 23 Sa 1045/15). Bei Regelungen zur Dienstkleidung kommt ebenfalls Geschlechterdiskriminierung vor. Hier hatte die Pilotenmütze für Aufsehen gesorgt. Mit klassischem Rollenverständnis lässt sich die unterschiedliche Pflicht zum Tragen der Pilotenmütze nicht erklären, wenn nur Männer die Kopfbedeckung tragen sollen, damit sie als Cockpit-Personal zu erkennen sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist hier verletzt (BAG, Urt. v. 30.9.2014 – 1 AZR 1083/12, AuA 5/15, S. 309, offen gelassen für Geschlechterdiskriminierung nach dem AGG).
 

Wichtig

Zu den Benachteiligungen wegen des Geschlechts gehört auch die sexuelle Belästigung. Kündigt dann allerdings der Arbeitgeber dem Belästiger (in diesem Fall einem „Busengrabscher“), ist die Wirksamkeit der Kündigung keine Selbstverständlichkeit, es kann sogar noch eine Abmahnung erforderlich sein (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, AuA 5/15, S. 308).

 

Soweit bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, ist § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anwendbar und Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr sind anzurechnen (BAG, Urt. v. 9.9.2010 – 2 AZR 714/08). Die in verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 BGB innewohnende mittelbare Bevorzugung Älterer ist gerechtfertigt (BAG, Urt. v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, AuA 10/15, S. 616). Wenn aber der Arbeitgeber bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im Kleinbetrieb den Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine „Pensionsberechtigung“ auswählt, lässt dies vermuten, dass das Alter ein nicht zu rechtfertigendes Motiv für die Kündigung war, so dass sie grundsätzlich unwirksam ist (BAG, Urt. v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, AuA 3/16, S. 184). Ältere werden zwar benachteiligt, wenn sie beim Ausscheiden nur deshalb keine Abfindung erhalten, weil sie das Alter für die Regelaltersrente erreicht haben. Dies ist jedoch gerechtfertigt (EuGH, Urt. v. 26.2.2015 –

C-515/13). Altersdiskriminierend können grundsätzlich auch sog. Kappungsgrenzen in Sozialplänen sein, stellen sie aber altersunabhängig auf einen Höchstbetrag ab, ist dies zulässig (LAG Nürnberg, Urt. v. 12.11.2014 – 2 Sa 317/14).

Altersdiskriminierung kann auch bei einer bAV vorkommen. Das AGG ist hier ebenfalls anzuwenden (BAG, Urt. v. 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, AuA 1/09, S. 56). Eine Spätehenklausel benachteiligt Ältere und ist nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt (BAG, Urt. v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, AuA 2/16, S. 117). Die mittelbare Diskriminierung ist jedoch nach § 10 Satz 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG erlaubt, wenn bei der Berechnung der Betriebsrente Zeiten ab einem gewissen Alter unberücksichtigt bleiben (BAG, Urt. v. 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, AuA 8/15, S. 489).

Bleiben hingegen Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres unberücksichtigt, soll dies ungerechtfertigt sein (LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.2015 – 12 Sa 1135/15, n. rk.; offen gelassen vom BAG, Urt. v. 23.2.2013 – 3 AZR 230/14 für die Frage nach der Berücksichtigung der Zeiten vor dem 25. Lebensjahr). Unzulässig ist ein Ausschluss der Betriebsrente, wenn der Mitarbeiter bei Erreichen der in der Versorgungsordnung vorgesehenen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat (BAG, Urt. v. 18.3.2014 – 3 AZR 69/12, AuA 8/15, S. 489). Auch Stichtagsregelungen können mittelbar altersdiskriminierend sein, weil sie i. d. R. die später eingestellten und damit Jüngeren treffen. Sie sind gerechtfertigt, wenn die Stichtagsregelung jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel (z. B. Kostenbegrenzung) sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich sind (LAG Köln, Urt. v. 15.5.2014 – 6 Sa 60/14).




Stellt man einen Kandidaten wegen seiner Behinderung mangels Einsetzbarkeit nicht ein, kann man sich nur dann auf den eng auszulegenden § 8 AGG (zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen) berufen, wenn angemessene Vorkehrungen geprüft und ergriffen wurden (BAG, Urt. v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, AuA 2/15, S. 117). Kündigt der Arbeitgeber hingegen in den ersten sechs Monaten und hat er währenddessen nicht das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt, stellt dies keine Diskriminierung dar (BAG, Urt. v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14).

 
Praxistipp

Das Präventionsverfahren ist keine angemessene Vorkehrung i. S. d. RL 2000/78/EG und auch nicht in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses zwingend durchzuführen.

Sozialplanregelungen, die einen Schwerbehinderten, der eine vorgezogene ungekürzte Rente in Anspruch nehmen kann wegen dieser Möglichkeit ausschließen (BAG, Urt. v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13), sind unwirksam. Gleiches gilt, wenn er durch eine Dienstvereinbarung vom Übergangsgeld aus diesem Grund ausgeschlossen wird (Hess. LAG, Urt. v. 4.9.2015 – 14 Sa 1288/14) oder von einer Übergangsversorgung nach Tarifvertrag (Hess. LAG, Urt. v. 30.3.2015 – 17 Sa 948/14).

Hingegen sind tarifliche Vorschriften zulässig, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auflösend bedingt bei Gewährung einer vollen unbefristeten Erwerbsminderungsrente regeln (BAG, Urt. v. 10.12.2014 – 7 AZR 1002/12).

Weder die Richtlinie 2000/78/EG noch der EU-Vertrag enthalten eine Definition, was Behinderung ist. Nach dem AGG ist grundsätzlich jeder Behinderte geschützt, nicht nur der Schwerbehinderte oder ihm Gleichgestellte. Deswegen gilt die Definition des EuGH (Urt. v. 18.12.2014 – C-354/13, AuA 6/15, S. 373).

Definition Behinderung

Der EuGH erkennt eine Krankheit des Arbeitnehmers als Behinderung an, „wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigung von Dauer zurückzuführen ist, die ihn in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern könnte“.

 
Für Menschen mit Handicap enthält das SGB IX zusätzliche Schutzvorschriften, bei deren Verletzung die Vermutung einer Diskriminierung nach dem AGG naheliegt. Lädt der öffentliche Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch ein, obwohl keine offensichtliche Ungeeignetheit vorliegt (BAG, Urt. v. 22.10.2015 – 8 AZR 384/14) oder macht eine „abschreckende Einladung“ (Hinweis auf nur geringe Erfolgsaussicht), um von der Teilnahme am Vorstellungsgespräch abzuhalten (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 3.11.2014 – 1 Sa 13/14), liegt bei der (Nicht-)Einstellung Diskriminierung vor. Andererseits verneint die Rechtsprechung eine Benachteiligung, wenn der Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch einlädt, weil der Behinderte die vom Unternehmen geforderten formalen Anforderungen – arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht – nicht erfüllt (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.3.2015 – 3 Sa 371/14 n. rk.). Anders sieht es aber aus, wenn die Einladung wegen Nichtbestehens eines vorgeschalteten Eignungstests unterbleibt, weil dieser bereits Bestandteil des Auswahlverfahrens war (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 9.9.2015 – 3 Sa 36/15). Auch wenn die Stelle weder der Agentur für Arbeit gemeldet ist (muss auch der nicht-öffentliche Arbeitgeber) noch der Bewerber eine Einladung erhält, kann dennoch aus anderen Gründen feststehen, dass die Benachteiligung nicht wegen der Behinderung erfolgt ist. So können Betriebe (BAG, Urt. v. 20.1.2016 – 8 AZR 194/14) nachweisen, dass der Behinderte überqualifiziert war und deshalb ausschließlich aus personalpolitischen Erwägungen, die zudem nicht seine fachliche Eignung betrafen, im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt worden ist.

Wer in der Stellenausschreibung „Deutsch als Muttersprache“ verlangt, benachteiligt ungerechtfertigt unmittelbar schon bei der Einstellung (Hess. LAG, Urt. v. 15.6.2015 – 16 Sa 1619/14). Dagegen stellt es keine Diskriminierung dar, wenn für die Besetzung eines Service Desk „hohe Kommunikationsfähigkeit in deutscher Sprache“ (Hess. LAG, Urt. v. 12.6.2015 – 14 Sa 1075/14) oder „sehr gute Englisch- und Deutschkenntnisse“ bei einem internationalen Softwareentwickler geforderte Voraussetzungen sind (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.1.2016 – 19 Sa 27/15; LAG Hamburg, Beschl. v. 19.5.2015 – 5 Sa 79/14).

 
Nicht so eindeutig ist die Rechtsprechung, wenn das Kopftuch und die Vorstellungen der kirchlichen Arbeitgeber aufeinandertreffen. Während das BVerfG (Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) das pauschale Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen (Regelung aus NRW) als Verletzung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit deklarieren musste, hat das ArbG Berlin (Urt. v. 14.4.2016 – 58 Ca 13376/15) das Berliner Kopftuchverbot nicht beanstandet, weil es Ausnahmen für berufsbildende Schulen zulässt und somit „keine gleichheitswidrige Privilegierung zu Gunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ vorsah. Genauso wenig wird das Kopftuchverbot im christlichen Arbeitsumfeld beanstandet. Wer dort tätig ist, ist zu neutralem Verhalten gegenüber der Kirche verpflichtet, wozu das Nichtragen andersgläubiger Symbole zählt (BAG, Urt. v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, AuA 1/16, S. 57). Dies ist auch verhältnismäßig (LAG Hamm, Urt. v. 8.5.2015 – 18 Sa 1727/14).

Ob allerdings der kirchliche Arbeitgeber, wie dies bisher die Rechtsprechung selbstverständlich entschied (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.4.2014 – 4 Sa 157/14 und weitere), aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen folgend festlegen darf, dass der Bewerber oder Stelleninhaber seiner Kirche oder der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen angehört, muss nun der EuGH entscheiden (BAG, Beschl. v. 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 [A]).

Zur Geschlechterdiskriminierung von Männern und Frauen existiert ebenfalls eine gefestigte Rechtsprechung.

Sie kommt etwa bei der Einstellung vor, so geschehen bei einer Arbeitnehmerin, die ihre Bewerbungsunterlagen mit dem handschriftlichen Vermerk „ein Kind, 7 Jahre alt!“ zurückerhielt, weil die Vermutung nahe lag, dass der Arbeitgeber dem tradierten Rollenmuster entsprechend, eher bei einer Frau als bei einem Mann ein kleines Kind (z. B. bei Krankheit) für störend im Arbeitsablauf einer Vollzeittätigkeit hielt (BAG, Urt. v. 18.9.2014 – 8 AZR 753/13, AuA 5/15, S. 311).

Auch mittelbar benachteiligend kann das Erfordernis einer Mindestkörpergröße eines Bewerbers sein, wenn es hierfür keine sachlichen Gründe gibt, weil Frauen diese häufiger unterschreiten (LAG Köln, Urt. v. 25.6.2014 – 5 Sa 75/14, vor dem BAG verglichen).

Aber auch Männer werden bei Einstellungen benachteiligt. Zu Unrecht, wenn zur Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen Männer ausnahmslos und ungeachtet ihrer Qualifikation von Volontariaten ausgeschlossen werden (ArbG Berlin, Urt. v. 5.6.2014 – 42 Ca 1530/14). Berechtigt war die Ausgrenzung hingegen im Fall eines Autohauses, das ca. 25–30 % weibliche Kundschaft, aber keine einzige Verkäuferin hatte und gezielt unter der Überschrift „Frauen an die Macht“ eine weibliche Verkäuferin suchte (ArbG Köln, Urt. v. 10.2.2016 – 9 Ca 4843/15).

Transsexuelle erleiden Benachteiligung bei der Einstellung, wenn zu vermuten ist, dass sie wegen ihres Geschlechts und/oder ihrer sexuellen Identität (beides ist betroffen: BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 8 AZR 421/14) die Stelle nicht erhalten. Geschlechterdiskriminierung fand sich auch bei der Vergütung. Wer allein wegen seines Geschlechts ein geringeres Gehalt erhält, hat Anspruch auf den dem anderen Geschlecht gezahlten Lohn (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.8.2014 – 4 Sa 517/13; v. 13.5.2015 – 5 Sa 436/13).
 

Soweit bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft der kinderbezogene Ortszuschlag verwehrt wurde, benachteiligte § 29 Abschn. B Abs. 3 BAT-O gleichheitswidrig (BAG, Urt. v. 18.3.2010 – 6 AZR 156/10).