Wenn Sie einen Arbeitnehmer einen Firmenwagen überlassen und der hierbei entstehende geldwerte Vorteil pauschal im Rahmen der 1%-Regelung bemessen wird, ist für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Verwaltungsauffassung ein pauschaler Zuschlag in Höhe von 0,03% des Listenpreises multipliziert mit der Anzahl der Entfernungskilometer anzusetzen. Die Anzahl der Tage, an denen der Arbeitnehmer tatsächlich seine regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, spielt bei der Bemessung dieses Zuschlags nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Rolle.

A group of friends at a coffee shop
Foto von Brooke Cagle

Diese Tatsache führte in der Vergangenheit dazu, dass z. B. bei Arbeitnehmern im Außendienst, die ihre regelmäßige Arbeitsstätte nicht regelmäßig, sondern nur gelegentlich aufsuchten, ein geldwerter Vorteil in erheblicher Größenordnung der Lohnversteuerung zu unterwerfen war. Die gleiche Problematik ergab sich bei Arbeitnehmern, die grundsätzlich von zuhause aus arbeiten (Home-Office) und den Sitz ihres Arbeitgebers nur unregelmäßig aufsuchen. In beiden Fällen war der Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal anzusetzen. Bereits 2008 hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung beanstandet und klargestellt, dass der geldwerte Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht pauschal, sondern nur einzelfallbezogen anzusetzen ist.

Die Finanzverwaltung musste sich jedoch auf Weisung des Bundesfinanzministeriums (BMF) durch einen Nichtanwendungserlass über die höchstrichterliche Rechtsprechung hinwegsetzen und war gezwungen, den geldwerten Vorteil in vergleichbaren Fällen stets pauschal anzusetzen. Weil weder der Gesetzgeber noch die Finanzverwaltung reagiert und die Gesetzeslage angepasst haben, kam es in der Folgezeit zu weiteren Meinungsverschiedenheiten und rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Finanzämtern und den Arbeitgebern.

BFH bekräftigt Rechtsauffassung

Daher wurde in zahlreichen Fällen auch der BFH angerufen. Mit mehreren Richtersprüchen, insbesondere mit Urteil vom 22.9.2010 (Az.: VI R 57/09) hat der BFH seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt und zum wiederholten Male klargestellt, dass die im Gesetz genannte Zuschlagsregelung lediglich einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug darstellt und daher nur insoweit zur Anwendung kommt, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte benutzt hat. Mit anderen Worten, Sie müssen den geldwerten Vorteil nicht pauschal mit 0,03% des Listenpreises multipliziert mit der Anzahl der Entfernungskilometer ansetzen, sondern einzelfallbezogen, also pro tatsächlich durchgeführter Fahrt mit 0,002% des Listenpreises multipliziert mit der Anzahl der Entfernungskilometer.

Nichtanwendungserlass aufgehoben

Mit Schreiben vom 1.4.2011 (IV C 5 – S 2334/08/10010) hat das BMF den in diesem Zusammenhang ergangenen Nichtanwendungserlass aufgehoben und klargestellt, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in allen noch offenen, bestandskräftigen Fällen anzuwenden ist.

Wahlrecht

Sie haben in Abstimmung mit Ihrem Arbeitnehmer die Wahl, den geldwerten Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entweder wie bisher pauschal oder auf Grund der aktuellen BFH-Rechtsprechung einzelfallbezogen anzusetzen. Die gewählte Methode ist einheitlich für alle diesem Arbeitnehmer überlassenen Fahrzeuge anzuwenden. Die gewählte Methode dürfen Sie während des Kalenderjahres nicht wechseln. Die gewählte Methode ist nicht für die Veranlagung im Rahmen der persönlichen Einkommensteuererklärung Ihres Arbeitnehmers bindend, d. h., wenn der geldwerte Vorteil im Lohnsteuerabzugsverfahren zunächst im Rahmen der pauschalen 0,03%-Methode angesetzt wurde, kann bei der Einkommensteuererklärung eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten durchgeführt werden. Ihr Arbeitnehmer ist also nicht an die im Lohnsteuerabzugsverfahren gewählte Methode gebunden.

Formale Voraussetzungen

Ihr Arbeitnehmer muss Ihnen jeden Monat eine fahrzeugbezogene schriftliche Erklärung vorlegen, an welchen Tagen er das Firmenfahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte genutzt hat. Dabei müssen von Ihrem Mitarbeiter konkrete Datumsangaben gemacht werden. Die bloße Angabe der Anzahl der Tage reicht nicht aus. Sie sind dazu verpflichtet, diese Unterlagen als Anlage zum Lohnkonto aufzubewahren. Fehlen diese Angaben oder sind diese unvollständig, sind die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zwingend pauschal anzusetzen. Sie sind allerdings nicht dazu verpflichtet, die Angaben Ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen. Eine Haftung kommt nur dann in Betracht, wenn Ihre Arbeitnehmer erkennbar unrichtige Angaben machen.

Deckelung auf 180 Tage

Im Rahmen der Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten müssen Sie für alle dem Arbeitnehmer überlassenen Fahrzeuge eine jahresbezogene Begrenzung auf insgesamt 180 Fahrten vornehmen. Dadurch ist sichergestellt, dass der geldwerte Vorteil im Rahmen der Einzelbewertung nicht höher ist als der pauschale geldwerte Vorteil nach der 0,03%-Regelung. Im Rahmen der laufenden Lohnund Gehaltsabrechnung ist die Anzahl der tatsächlichen Tage zu berücksichtigen; eine Begrenzung auf 15 Fahrten monatlich ist ausgeschlossen.

Übergangsregelung für 2011

Nach dem Wortlaut des aktuellen BMFSchreibens können Sie im laufenden Kalenderjahr 2011 vom pauschalen Ansatz im Rahmen der 0,03%-Regelung zur einzelfallbezogenen Betrachtungsweise auf Grund der neuen BFH-Rechtsprechung übergehen. Dabei ist die Begrenzung auf 180 Tage für jedes Kalenderjahr, in der die pauschale 0,03%-Regelung angewandt wurde, um 15 Tage zu kürzen.

Korrekturen für die Vergangenheit

Für die Vergangenheit ist eine Korrektur nur im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuererklärung zulässig. Die Korrektur ist nur möglich, soweit es sich um noch nicht bestandskräftige Einkommensteuerveranlagungen handelt bzw. der Vorbehalt der Nachprüfung noch nicht aufgehoben ist.

Quelle: LohnPraxis – Nr. 6/7 – Juni/Juli 2011