Nicht nur Agenturen und Dienstleister sollten in Sachen Employer Branding und Personalmarketing zu neuen Formen der Zusammenarbeit finden. Auch im Unternehmen müssen die Bereiche Personal, Marketing und Kommunikation künftig stärker Hand-in-Hand arbeiten, wenn es mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel klappen soll. Die Anforderung: Vernetzt denken. Doch das ist gar nicht so einfach.

Neue Seilschaften – neue Power!
Neue Seilschaften – neue Power!

Wenn Malte Fischer über das Zusammenspiel von Experten bei der Umsetzung einer erfolgreichen Employer Branding-Kampagne spricht, fällt recht schnell das Stichwort: interdisziplinäre Teams. Der Leiter der Unit für ganzheitliches Employer Branding bei der Berliner Werbeagentur Scholz & Friends meint damit aber nicht nur vernetztes Agieren in seiner Kreativschmiede (siehe Roundtable S. 16 – 21). Auch aufseiten der Unternehmen steht aus seiner Sicht kanalübergreifendes Denken und Handeln als Gebot der Zukunft auf der Agenda.

Schließlich geht es nicht nur darum, das Bild des sympathischen Arbeitgebers zu zeichnen. Erfolgreiches Employer Branding soll helfen, die passenden Mitarbeiter ins Unternehmen zu locken. Es will aber auch den viel gepriesenen „Cultural Fit“ schaffen – frei nach dem Motto: Wer hier arbeitet, tut das gern. Insbesondere auch, weil die Werte des Unternehmens zu den eigenen passen.

Das Silo-Denken langsam auflösen

Doch um dieses konsistente Selbstverständnis in die Welt zu tragen, müssen Marketing, Kommunikation und die Personalabteilungen einander besser verstehen und vor allem besser zusammenarbeiten. Allzu oft waren das in der Vergangenheit noch getrennte Welten. Silos eben.

Dass diese Zeiten vorüber sein könnten, zeigt ein Blick in das Innerste diverser Top-Player auf ihrem Terrain. Beim Pharmakonzern Roche in Mannheim etwa schuf man vor ein paar Jahren eine Kommunikationsstelle für den Human-Resource-Bereich (HR), die sich vorrangig um die über 10.000 Mitarbeiter an den Standorten im kurpfälzischen Mannheim und im oberbayerischen Penzberg kümmert. Der Clou: Es ist eine Schnittstelle zur weltweiten HR-Kommunikation des Pharma-Riesen und ist eng mit der globalen Kommunikationsabteilung verbunden. Ihr Ziel ist, die mannigfaltigen HR-Themen rund um ihre große Zielgruppe bestmöglich zu bedienen.

So kann neue Kreativität entstehen, ohne die Eigenständigkeit der Bereiche in Frage zu stellen. Schnittmengen gibt es besonders dann, wenn Botschaften nach innen wie nach außen kommuniziert werden sollen. Dass das gelingt, liegt auch am Überwinden alter Denkmuster. Schließlich fragten sich die HR-Experten früher immer gerne, ob es den Kommunikatoren nicht an Expertise im Personalbereich mangele – die Kommunikationsabteilung wiederum sah die HR’ler nicht gerne bei der Planung ihrer Maßnahmen „im Lead“.

HR und Kommunikation stehen gemeinsam für Kultur

Nils Hille, Geschäftsführer der Deutschen Akademie für Public Relations (DAPR), sieht in der Abschaffung des Silo-Denkens „das Modell der Zukunft“. Für eine erfolgreiche HR-Kommunikation brauche es eine gut strukturierte und gewollte Zusammenarbeit beider Bereiche. HR und Kommunikation prägen aus seiner Sicht gemeinsam Kultur und Identität eines Unternehmens wie kaum ein anderer Bereich.

Hille empfiehlt, situationsabhängig vor jedem Projekt oder jeder Aufgabe zu prüfen, inwieweit eine Zusammenarbeit Sinn macht. „Auf beiden Seiten ist ein Bewusstsein für mögliche Vorteile und Synergien erforderlich.“ Für Hille ist aber auch klar: Es gibt immer Kernaufgaben, bei denen eine Zusammenarbeit weder nötig noch sinnvoll ist.

Welche faszinierenden Dimensionen es annehmen kann, wenn ein Unternehmen die neuen Wege zum Arbeitnehmer frei von den alten Denkschranken beschreitet, zeigt der TV-Konzern ProSiebenSat.1. Die Unterföhringer verfolgen eine Employer-Branding-Strategie, wie sie vitaler nicht sein könnte – stark gespeist aus internen Ressourcen, die das fluide Miteinander von Marketing, Kommunikation und HR repräsentieren.

Alle Möglichkeiten der digitalen Welt nutzen

So hat 2017 ein internes Redaktionsteam aus Volontären, Trainees und Auszubildenden einen eigenen Karriere-Blog unter www.fascinating-people.de/blog gestartet. Darauf veröffentlichen die Nachwuchstalente Interviews mit Kollegen oder stellen den Konzern und seine Abteilungen mit kurzen Videos vor. Oder die „Faces of ProSiebenSat.1“-Kampagne, bei der sieben Fragen an Mitarbeiter gestellt werden – vom Praktikanten bis zum Prominenten. Ziel ist ein Blick hinter die Kulissen, der authentisch zeigt, wie dort gearbeitet wird und welche Jobs es gibt.

„Wir müssen heute als Recruiter selbst viel aktiver sein als noch vor ein paar Jahren“, heißt es aus dem Unternehmen. Es gehe darum, potenzielle Mitarbeiter schon früh auf sich aufmerksam zu machen, vor allem über Social-Media-Kanäle und die eigenen Karriere-Webseiten. „Zudem machen wir unsere Mitarbeiter zu Employer-Branding-Botschaftern und Talent Scouts. Dafür nutzen wir seit Jahren erfolgreich das Mitarbeiter-Empfehlungsprogramm Talentry.“

HR kann vom Marketing profitieren

Fazit: HR-Verantwortliche können in vielen Bereichen vom Marketing profitieren. Wichtig erscheint, über den Tellerrand hinaus schauen zu können – und zu wollen. So wurde in den vergangenen Jahren zwar sehr oft über die Bedeutung der „Candidate Experience“ gesprochen, „aber kaum darüber, wie man den Dialog mit kritischen Kandidaten und Mitarbeitern richtig führt“, sagt der Personalmarketingberater Henner Knabenreich.

Dazu bleibe meist keine Zeit und kein Budget mehr, weil viele, auch große Arbeitgeber, „dieses schon in bunte Bilder, Recruitingvideos, hippe Humbug-Aktivitäten auf der neuesten Social- Media-Plattform und die Entwicklung von Claims investiert haben“. Er sieht darin eine Fehlallokation von Ressourcen. Denn „Employer Brands“ oder Vorstellungen von Arbeitgebern entstünden so eben genau nicht. „Jetzt rächt sich, dass die Arbeitgeberkommunikation traditionell auf einem sehr werblichen Bein hinkt. Eine Praxis kontinuierlicher PR zu Arbeitgeberthemen hat sich nur in den wenigsten Unternehmen herausgebildet.“

Von dieser HR-PR als Joint Venture beider Abteilungen würde übrigens auch das viel zitierte „Storytelling“ auf den Eigenmedien enorm profitieren, sagt Manfred Böcker, geschäftsführender Gesellschafter von Employer Telling, einer Unternehmensberatung für Arbeitgeberattraktivität, die regelmäßig Studien zur Arbeitgeberkommunikation in Deutschland veröffentlicht. „Denn packende Geschichten auszugraben und zu formulieren, gehört zum PR-Handwerk. Ganz nach der Maxime: Wer es bei den Journalisten als besonders kritische Zielgruppe schafft, schafft es auch bei Bewerbern.“

Autor: Detlev Brechtel