Problempunkt

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Foto von Pawel Chu

Die Parteien stritten über eine Karenzentschädigung. Der Kläger war von 2014 bis 2016 als Vertriebsmitarbeiter in einer neu gegründeten Niederlassung der Beklagten beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag erklärte sich der Kläger bereit, auf Verlangen der Beklagten ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Der Inhalt des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots war als Anlage 1 dem Arbeitsvertrag beigefügt. Das Verlangen zum Abschluss des Wettbewerbsverbots sollte nach der Vereinbarung nur so lange gestellt werden können, solange der Arbeitsvertrag nicht von einer Vertragspartei gekündigt wurde. Der Kläger und die Beklagte hatten sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag unterzeichnet. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 15.4.2016. Der Kläger berühmte sich hinsichtlich des Wettbewerbsverbots eines Wahlrechts, von dem er Gebrauch gemacht habe und verklagte die Beklagte auf Zahlung einer Karenzentschädigung.

Entscheidung

Das BAG wies den Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung ab. Denn die Parteien hatten, so ergab die Auslegung der Vereinbarung durch das BAG, einen wirksamen Vorvertrag bezogen auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot abgeschlossen. Daran änderte sich auch nichts dadurch, dass die Parteien das dem Arbeitsvertrag als Anlage 1 beigefügte nachvertragliche Wettbewerbsverbot bereits mit Arbeitsvertragsschluss beiderseits unterzeichnet hatten. Denn auch der Vorvertrag zu einem Wettbewerbsverbot unterliegt – aufgrund der ihm zukommenden Warnfunktion – wie das Wettbewerbsverbot selbst dem Schriftformerfordernis. Vorverträge, gerichtet auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, sind grundsätzlich zulässig. Darin liegt keine unbillige Erschwerung des Fortkommens i. S. d. § 74a HGB, soweit das Verlangen auf Abschluss eines Wettbewerbsverbots nur gestellt werden kann, bis der Arbeitsvertrag nicht von einer Partei gekündigt wurde oder die Parteien einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben. Dass die Parteien in ihrer Vereinbarung nur auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und nicht auf einen Aufhebungsvertrag abgestellt hatten, hätte nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB („insoweit“) nur zur teilweisen Unwirksamkeit der Abrede geführt. Da die Beklagte das Arbeitsverhältnis letztlich gekündigt hatte und diese Konstellation von der Klausel erfasst war, war der Vorvertrag insoweit wirksam. Auch im Übrigen sprachen nach dem BAG keine Gründe für eine Unwirksamkeit des Vorvertrags, da das Arbeitsverhältnis erst zwei Jahre bestand und die Filiale, in der der Kläger beschäftigt war, unmittelbar im Zusammenhang mit seiner Einstellung gegründet wurde. Dadurch hatte der Arbeitgeber ein gesteigertes Interesse daran, den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots von der geschäftlichen Entwicklung abhängig zu machen und zunächst einen Vorvertrag abzuschließen.

Konsequenzen

Besteht kein besonderes Interesse des Arbeitgebers, können die nachträgliche Wettbewerbsbeschränkung und der Anspruch auf die Zahlung einer Karenzentschädigung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht offengelassen und von einer Entscheidung des Arbeitgebers abhängig gemacht werden. Dies wäre eine unzulässige Bedingung der Wettbewerbsabrede und damit eine unbillige Erschwerung des Fortkommens für den betroffenen Arbeitnehmer i. S. d. § 74a HGB. Das bedingte Wettbewerbsverbot ist in der Konsequenz für den Arbeitnehmer unverbindlich; er hat nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält und damit Anspruch auf die Karenzentschädigung hat oder das Wettbewerbsverbot nicht gegen sich gelten lassen will.

Das Gleiche muss für Vorverträge zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gelten. In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der 10. Senat die Grenze der Zulässigkeit eines Vorvertrags zu einem Wettbewerbsverbot noch offengelassen (vgl. BAG, Urt. v. 14.10.2017 – 10 AZR 291/09, AuA 5/11, S. 309). Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass ein Vorvertrag grundsätzlich zulässig ist, solange die dem Arbeitgeber eingeräumte Option auf den Zeitraum bis zum Ausspruch einer Kündigung durch eine der Parteien oder bis zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags beschränkt wird. Der Arbeitgeber kann an einem solchen Vorvertrag typischerweise ein berechtigtes Interesse haben, insbesondere bei Vertriebsmitarbeitern. Zwar kann sich der Mitarbeiter während der Dauer des ungekündigten Arbeitsverhältnisses noch nicht darauf einstellen, ob er zukünftig ein Wettbewerbsverbot wird abschließen müssen oder nicht. Solange der Arbeitgeber aber sein Recht aus dem Vorvertrag noch nicht ausgeübt hat, kann sich der Betroffene zu einer Konkurrenztätigkeit entscheiden und durch eine von ihm ausgesprochene Eigenkündigung das Wettbewerbsverbot ausschließen. Die Interessen des Arbeitnehmers sind damit ausreichend geschützt. Voraussetzung eines wirksamen Vorvertrags ist stets, dass das Wettbewerbsverbot schon bei Abschluss des Vorvertrags hinreichend bestimmt ist. Die wesentlichen Bedingungen des Wettbewerbsverbots müssen daher bereits Bestandteil des Arbeitsvertrags sein. Darüber hinaus verlangt auch der wirksame Vorvertrag die Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten Urkunde an den Arbeitnehmer (§ 74 Abs. 1 HGB) sowie die Einhaltung der Schriftform. Diese ist gewahrt, wenn beide Parteien auch das als Anlage beigefügte Wettbewerbsverbot unterzeichnen und der Arbeitsvertrag samt Anlage als einheitliche Urkunde erkennbar ist (BAG, Urt. vom 14.7.2010, a. a. O.).

Offengelassen hat das BAG die Frage, ob der Arbeitnehmer bei einem solchen Vorvertrag – anders als bei einer unverbindlichen Wettbewerbsvereinbarung – seine Entscheidung für oder gegen das Wettbewerbsverbot zu Beginn der Karenzzeit gegenüber dem Arbeitgeber eindeutig erklären muss (bejahend LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2018 – 10 AZR 130/18; dahingehend auch BAG, Urt. v. 14.7.2010, a. a. O.).

Praxistipp

Anstelle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann es im Interesse der Parteien liegen, im Arbeitsvertrag zunächst nur einen Vorvertrag zu einem Wettbewerbsverbot abzuschließen. Dies ist grundsätzlich zulässig, solange das Verlangen zum Abschluss des Wettbewerbsverbots vor Ausspruch einer Kündigung bzw. Abschluss eines Aufhebungsvertrags ausgeübt werden muss.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 7/19, S. 440.