Das Projekt ReMoMedia wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Außerdem unterstützten FAZjob.NET, Wincor-Nixdorf, Sevenval, Jobstairs und die Universität des Saarlandes sowie weitere Partner aus der Wirtschaft das bereits im Jahr 2008 gestartete Forschungsprojekt an der Fachhochschule Wiesbaden (www.remomedia.de).

Aufbruchstimmung – das Handy etabliert sich als multimedialer Kommunikationskanal

In Deutschland ist die Zahl der Mobilfunk-Vertragsverhältnisse bis Ende 2008 auf 107 Millionen gestiegen. Gleichzeitig hat der Anteil der Haushalte, die über mindestens ein Mobiltelefon verfügen inzwischen mehr als 86 Prozent erreicht (Bundesnetzagentur 2009), womit das Mobiltelefon heute in nahezu allen Haushalten verbreitet ist. Besonders deutlich ist dieser Trend bei Jugendlichen: In der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen verfügen derzeit bereits 95 Prozent über ein mobiles Endgerät – über einen Internetzugang im eigenen Zimmer hingegen nur 51 Prozent (MPFS 2008).

yellow ceramic mug beside gray aluminum iMac
Foto von Georgie Cobbs

Dabei wird das Handy heute nicht mehr nur zum Mobiltelefonieren verwendet. Der Anteil der Nutzer, die mobile Endgeräte für einen Zugriff auf Inhalte und Dienste des Internets einsetzen, dürfte aktuellen Studien zufolge in diesem Jahr schon bei einer zweistelligen Prozentzahl liegen. Zudem besitzt bereits die Hälfte der Mobilfunknutzer ein internetfähiges Endgerät, was das große Potenzial verdeutlicht. Die Diskrepanz zwischen Nutzungsmöglichkeit und tatsächlicher Nutzung zeigt hingegen aktuell existierende Nutzungsbarrieren auf. Gründe sind neben den noch fehlenden Angeboten insbesondere zu kleine Displays und eine komplizierte Bedienung der Geräte, aber auch zu langsame Verbindungen und das Unwissen, wie überhaupt das Internet auf dem Handy funktioniert (Accenture 2008).

Insbesondere die Kosten dürften aber in vielen Fällen eine gewichtige Hürde darstellen. Zwar existieren zahlreiche Flatrate-Tarifmodelle, bei denen die Datennutzung in einem pauschalen Nutzungsentgelt enthalten ist, doch sind auch noch solche Tarifmodelle verbreitet, bei denen schon beim Abruf weniger Megabyte schnell Kosten in Höhe von zweistelligen Eurobeträgen entstehen können. Auch die monatlich zu zahlenden Pauschalpreise für die Datennutzung (zwischen 15 und 40 Euro zusätzlich) sind gerade für Jugendliche in Deutschland noch relativ hoch.

Dass ein einfaches Nutzungskonzept kombiniert mit einem pauschalen Tarifmodell die Nutzung des mobilen Internets sprunghaft ansteigen lassen kann, hat der Markterfolg des iPhone bereits bewiesen. So nutzen iPhone-Kunden das mobile Internet dreißig Mal so oft wie herkömmliche T-Mobile-Kunden (Handelsblatt 2008). Den aktuellen Hindernissen zum Trotz ist aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Flatrate-Tarifmodelle und geeigneter Handymodelle davon auszugehen, dass sich eine breite Nutzung mobiler Endgeräte als multimedialer Kommunikationskanal in den nächsten fünf Jahren etablieren wird.

Mobile Recruiting – Bewerberansprache über mobile Endgeräte

Vor diesem Hintergrund drängt sich für Personalverantwortliche die Frage auf, inwieweit sie ihre Recruiting- und Personalmarketingaktivitäten auf Mobile Media-Technologien ausdehnen sollten. Inzwischen hat sich das E-Recruiting, also die durch elektronische Medien und das Internet unterstützte Personalbeschaffung, etabliert und klassische Printmedien in ihrer Bedeutung verdrängt. Einer aktuellen Studie der Online-Stellenbörse Stepstone zufolge sind für 87 Prozent der Fach- und Führungskräfte die Online-Jobbörsen der wichtigste Weg für die Stellensuche (Stepstone 2009). Mobile Recruiting ist somit eine konsequente Erweiterung und Vervollständigung des E-Recruiting-Portfolios von Unternehmen (Jäger/Böhm 2007).

Im Unterschied zum stationären Internet stellt ein mobiler Zugang zu elektronisch unterstützten Formen des Recruitings die Personalabteilungen jedoch vor ungleich größere Herausforderungen: Die Endgeräte der Nutzer sind deutlich weniger standardisiert als im stationären Internet oder beim Internetzugriff über einen Desktop-Computer. Die Geräte unterscheiden sich deutlich im technischen Leistungsumfang, etwa hinsichtlich Prozessor, Speicher, Anzeigegröße sowie Ein- und Ausgabeschnittstellen. Auch das Mediennutzungsverhalten und der Nutzungskontext unterscheiden sich vom stationären Internet und können stark variieren.

Gegenwärtig haben jedoch viele Mobile Recruiting-Projekte ohnehin noch Pilot- oder Experimentalcharakter. Agenturen treten mit Ideen an Unternehmen heran oder die Betriebe investieren selbst noch weitgehend ungerichtet kleinere „Restbudgets“ in für den mobilen Zugriff optimierte Karrierewebseiten, die lediglich das bisherige Angebot im stationären Internet in anderer Form aufbereiten. Öffentlich verfügbare Informationen über bisherige Mobile Recruiting-Kampagnen beschränken sich daher eher auf die Darstellung der technischen Finessen und den Innovationscharakter als auf die messbaren Erfolge. Der Innovationsgrad allein ist jedoch kein Garant für langfristigen Erfolg. Grundvoraussetzungen für ein Engagement im Mobile Recruiting bilden insbesondere vorausgehende Planungsschritte und strategische Vorüberlegungen.

Einstiegszeitpunkt in Mobile Recruiting strategisch und zielgruppenabhängig prüfen

Angesichts der technisch adressierbaren Zielgruppe und vor dem Hintergrund der noch existierenden Nutzungsbarrieren können Unternehmen noch keine mit etablierten Medien vergleichbaren Erfolgsraten erwarten. Mobile Endgerät sind zudem auch grundsätzlich nur wenig als Massen- oder Streumedium geeignet, um damit über eine ungerichtete Informationsabgabe eine hohe Zahl von Bewerberkontakten zu erzielen. Die Chance liegt vielmehr in der Qualität der Bewerberansprache und der Möglichkeit, potenzielle Bewerber jederzeit unabhängig von der Verfügbarkeit eines stationären Netzzugangs ansprechen zu können.

Aktuell ist ein Engagement im Bereich Mobile Recruiting vor allem für solche Unternehmen interessant, die sich im Bewerbermarkt als Innovationsführer positionieren und zudem technikaffine und junge Bewerberzielgruppen ansprechen möchten. Diese Unternehmen sollten frühzeitig mit dem Aufbau entsprechender Kompetenzen in den Personalabteilungen beginnen und eine Roadmap zur Integration von Mobile Recruiting entwickeln – beispielweise indem sie die zugehörigen Aufgaben organisatorisch verankern, um das Thema mit fortschreitender Kampagnenerfahrung nachhaltig vorantreiben zu können. Für Unternehmen, die eher technikfernere Zielgruppen adressieren oder für die eine Innovationsführerschaft im Bezug auf ihr Employer Branding von geringerer Bedeutung ist, kann es hingegen vorteilhaft sein, zunächst die weitere Marktentwicklung zu beobachten und erst später als „Follower“ mit dem Mobile Recruiting zu beginnen, wenn in drei bis fünf Jahren eine ausreichende Akzeptanz und Marktreife erreicht ist.

Zielgruppe und Zielgruppenaktivierung ist für Mobile Recruiting entscheidend

Der erste Schritt bei der Einführung von Mobile Recruiting besteht in der Festlegung der Zielgruppe und der Identifikation von Endgeräten, die diese Bewerbergruppe typischerweise nutzt. Eine solche Eingrenzung kann die Art und Aufbereitung der Inhalte einschränken, aber auch je nach Leistungsfähigkeit des Endgeräteportfolios eine Optimierung dieser Inhalte erforderlich machen. Unter Umständen zeigen bereits diese Überlegungen, dass Unternehmen die für sie interessanten Zielgruppen über Mobile Media-Technologien gar nicht erreichen können. Die technische Zielgruppeneingrenzung ist zudem wichtig, um später den Erfolg von Mobile Recruiting-Kampagnen realistisch einschätzen zu können.

Darüber hinaus sollten sich Unternehmen überlegen, wie die Zielgruppe von dem neuen Informationsangebot erfahren soll. Denn eine gezielte Suche von Bewerberinformationen über Suchmaschinen auf mobilen Endgeräten ist bisher noch wenig verbreitet. Auch die direkte Eingabe von Webadressen erweist sich aufgrund der beschränkten Eingabemöglichkeiten oftmals als umständlich. Eine geeignete crossmediale Verzahnung der Mobile Recruiting-Kampagne ist folglich unumgänglich. Diese kann etwa über Zusatzinformationen in Printmedien erfolgen.

Eine geeignete Technologie hierfür ist das Mobile Tagging: Zweidimensionale Barcodes (verbreitet sind beispielsweise QR Code, Semacode oder Aztec Code) signalisieren hierbei als sogenannte Key Visuals auf Plakaten oder Anzeigen nicht nur die Verfügbarkeit weiterführender Informationen für mobile Endgeräte, sondern dienen auch als Eyecatcher, indem sie die Aufmerksamkeit der potenziellen Bewerber auf sich ziehen. Mit einer auf dem Endgerät installierten Reader-Software können diese Barcodes den Nutzern das umständliche Eingeben einer Webadresse über die Handytastatur ersparen. Berücksichtigen sollten Unternehmen dabei jedoch, dass solche Reader bisher noch nicht umfassend verbreitet sind und somit die adressierbare Zielgruppe weiter einschränken.

Erste Unternehmen wendeten bereits Mobile Tagging in der Praxis an: Volvo Trucks etwa hat zusammen mit der Agentur aperto move eine solche Kampagne für die „IAA Nutzfahrzeuge“ im September 2008 in Hannover initiiert. Ziel war es, auf der Messe mit Mobile Tags Ingenieure als potenzielle Bewerber anzusprechen. Hierzu wurden auffällige Plakate und Flyer mit dem Motiv eines Trucks eingesetzt, auf denen auch ein QR Code abgebildet war. Durch das Abscannen des Codes auf diesen Werbeträgern mittels einer geeigneten Reader-Software gelangten die Interessenten auf ein mobiles Karriereportal von Volvo Trucks. Auch die Société Générale hat bereits im Jahr 2006 Mobile Tags als Rekrutierungsinstrument für Ingenieure eingesetzt. Und im vergangenen Jahr nutzte die Münchner Agentur Berger Baader Hermes Mobile Tags erfolgreich zur Gewinnung neuer Mitarbeiter (Apertomove 2008; Berger Baader Hermes 2008; Société Générale 2006).

Kontextbezogene Informationsangebote schaffen einen Mehrwert für Bewerberzielgruppen

Eine weitere zentrale Überlegung vor der Einführung von Mobile Recruiting betrifft die Festlegung des Mehrwerts für die Nutzer. Denn in der Regel steht der angesprochenen Zielgruppe nicht nur ein mobiler, sondern auch ein stationärer Internetzugang zu Verfügung. Stellt das mobile Angebot lediglich eine reduzierte Variante des stationär erreichbaren Informationsangebots dar, ist die Gefahr groß, dass die Bewerber ihre Nutzungszeitpunkte verlagern und weiterhin auf den leistungsfähigeren, komfortableren und mitunter kostengünstigeren stationärer Zugang zurückgreifen. Auch wenn sich die Problematik der Nutzungskosten mit zunehmender Verbreitung von Flatrate-Tarifmodellen entschärfen dürfte, wird der technische Vorsprung von Festnetzzugängen gegenüber mobilen Varianten voraussichtlich auch längerfristig erhalten bleiben.

Deshalb gilt es, Alleinstellungsmerkmale für den mobilen Zugang zu schaffen. Eine gute Möglichkeit bieten vor allem sogenannte kontextsensitive Informationsangebote, bei denen zum Beispiel in einer Recruiting-Kampagne ein Bezug zum aktuellen Aufenthaltsort des Nutzers hergestellt wird. In vielen Endgeräten sind heute schon GPS-Empfänger installiert, die es ermöglichen, Informationsangebote mit Ortsbezug anzubieten. Erste solche Angebote, die ortsabhängig nach verfügbaren Stellenangeboten suchen, sind im Ausland bereits für das iPhone verfügbar – beispielsweise von iJobs, JobCompass oder Careerbuilder (Schawbel 2009). Auch die bereits beschriebenen Mobile Tags für Stellenausschreibungen oder Plakate können so individualisiert werden, dass diese abhängig vom Ort der Anbringung auf unterschiedliche Inhalte im mobilen Internet verweisen. Mithilfe einer solchen Individualisierung ist es Unternehmen zudem möglich, die erfolgten Zugriffe „ortsbezogen“ und mit Bezug auf das einzelne Plakat, von dem aus der Mobile Tag abgescannt wurde, auszuwerten.

Forschungsprojekt ReMoMedia untersucht Anwendungspotenziale von Mobile Recruiting

Diese Überlegungen zeigen: Es steht außer Frage, dass Unternehmen das etablierte E-Recruiting um ein Mobile Recruiting erweitern sollten. Unklar bleibt lediglich, ab wann und in welchem Umfang ein Engagement sinnvoll ist. Zudem ist noch weitgehend offen, welche technischen Angebote ein Unternehmen seinen Bewerberzielgruppen künftig am besten unterbreitet. Personalabteilungen sollten sich jedoch darauf einstellen, dass sie sich in diesem Umfeld weitaus größeren Herausforderungen stellen müssen, als bei der Etablierung des E-Recruitings im stationären Internet. Mit Spannung können sie deshalb weitere Erkenntnisse von dem Projekt ReMoMedia erwarten. Noch bis 2011 untersuchen die Autoren gemeinsam mit weiteren Partnern aus Forschung und Praxis an der Fachhochschule Wiesbaden verschiedene Anwendungen des Mobile Recruitings als Instrument der Personalbeschaffung für junge Bewerberzielgruppen.

Weblinks

Projektinformationen ReMoMedia:www.remomedia.de

Apertomove (2008):Aperto move setzt mobile Human-Resources-Lösung für Volvo um. Online-Quelle: http://www.apertomove.de/presse.php?NewsID=28, geladen am 17.07.2009.

Berger Baader Hermes (2008):Pressemeldung. Online-Quelle: http://www.bergerbaader hermes.de/newsdetails.aspx?id=152, heruntergeladen am 17.07.2009.

Handelsblatt 2008:iPhone soll Telekom Wachstumsschub bescheren. Beitrag in Online-Ausgabe Handelsblatt vom 16.06.2008, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/iphone-soll-telekom-wachstumsschubbescheren;1443967, geladen am 17.07.2009.

Société Générale (2006):Société Générale first to utilise mobile tag technology as an employee recruitment tool. Online-Quelle: http://www.abaxia.com/docs/data/news/008-Societe-Generale.pdf, Abruf am 17.07.2009.

Schawbel, D. (2009):10 iPhone Apps to Manage Your Job Search on the Go. Online-Quelle: http://mashable.com/2009/03/26/iphone-job-search-apps/, abgerufen am 17.07.2009.

Literatur

Accenture (2009):Mobile Web Watch 2008: Das Web setzt zum Sprung auf das Handy an. Kronberg im Taunus: Accenture.

Bundesnetzagentur (2009):Jahresbericht 2008. Bonn: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen.

Jäger, W./Böhm, S. (2007):Die Zukunft im E-Recruiting - Web 2.0 und Mobile Media. In: HR Today, 9(11): 44-47.

MPFS (2008): JIM-Studie 2008:Jugend, Information, (Multi-)Media. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest.

Statistisches Bundesamt (2009):Zuhause in Deutschland: Ausstattung und Wohnsituation privater Haushalte. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.

Stepstone (2009):Der Stepstone Bewerbungsreport 2009: Wie sich deutsche Fach- und Führungskräfte bewerben. Düsseldorf: Stepstone.

TNS Infratest/E-Plus (2009):Mobilfunknutzung und Nutzungsabsichten 2009. Düsseldorf: E-Plus Gruppe.