two men facing each other while shake hands and smiling
Foto von Sebastian Herrmann
1 Überblick

Der Betriebsrat übt seine Mitbestimmungsrechte zur Arbeitszeit typischerweise durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen aus. Im Vordergrund stehen hierbei die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei

  • der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen,
  • der Verteilung auf die einzelnen Wochentage sowie
  • wenn der Arbeitgeber die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzen oder verlängern will.
Verstößt das Unternehmen gegen diese Mitbestimmungsrechte, indem es bspw. ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Überstunden anordnet oder die Lage der Arbeitszeit einseitig ändert, sind die Maßnahmen kollektiv- und individualarbeitsrechtlich unwirksam. Dem Betriebsrat steht ein Unterlassungsanspruch zu. Die betroffenen Arbeitnehmer können sich weigern, die Überstunden zu leisten oder nach der bisherigen Arbeitszeitregelung weiterarbeiten.

Praxistipp

Angesichts der weit reichenden Folgen bei Verstößen sollte der Arbeitgeber stets versuchen, die Mitbestimmungsrechte rechtzeitig zu wahren und eine ausbalancierte Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit abzuschließen (vgl. zur betrieblichen Zusammenarbeit Brachmann/Diepold, AuA 5/10, S. 270 ff.).

2 Begriff der Arbeitszeit

Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitszeitbegriff ist gesetzlich nicht definiert. Grundlegend für die Begriffsbestimmung sowie den Umfang der Mitbestimmung ist der Zweck der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BetrVG.

   Wichtig  

Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist es, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit ihrer freien, für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Freizeit zur Geltung zu bringen (BAG, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, AuA 2/11, S. 121). Bei § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geht es zudem darum, die Belastungen bzw. Vorteile, die mit einer vorübergehenden Änderung der Arbeitszeit verbunden sind, gerecht zu verteilen (BAG, Beschl. v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, AuA 5/08, S. 312).

Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BetrVG ist danach die Zeit, in der der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen kann, dass er seine Arbeitspflicht erfüllt. Unerheblich ist hingegen, ob er von seinem Recht Gebrauch macht oder ob zugleich vergütungspflichtige oder arbeitszeitrechtliche Arbeitszeit vorliegt. Zur mitbestimmungspflichtigen Arbeitszeit in diesem Sinne gehören daher auch Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst (vgl. BAG, Beschl. v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06) und die Teilnahme an einer angeordneten Schulung (BAG, Beschl. v. 15.4.2008 – 1 ABR 44/07, AuA 4/10, S. 248). Zur Arbeitszeit zählt dagegen nicht die Reisezeit, wenn das Reisen nicht zur Hauptleistungspflicht gehört, z. B. bei Außendienstmitarbeitern, und während der Reise keine Arbeitsleistung zu erbringen ist (BAG, Beschl. v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06). Wasch-, Wege- und Umkleidezeiten zählen i. d. R. nicht zur Arbeitszeit. Im Einzelfall kann bei vorgeschriebener Dienstkleidung das Ankleiden aber dazu gehören (BAG, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, a. a. O.).

3 Lage der Arbeitszeit

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bezieht sich zunächst auf den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, d. h. auf ihre Lage. Bei der Frage, ob und inwieweit der Betriebsrat hierdurch auch über die Dauer der Arbeitszeit mitbestimmen darf, ist zwischen der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit zu unterscheiden: Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, d. h. der Umfang des Arbeitszeitvolumens, das der Arbeitnehmer schuldet, unterliegt nicht der Mitbestimmung (BAG, Beschl. v. 22.7.2003 – 1 ABR 28/02). Ihre Dauer ergibt sich i. d. R. aus tarifvertraglichen Vorschriften oder aus individualvertraglichen Vereinbarungen. Nur im Rahmen dieser bindend vorgegebenen Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit darf der Betriebsrat über die Dauer der täglichen Arbeitszeit mitbestimmen, da diese unmittelbar mit Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zusammenhängt (vgl. BAG, Beschl. v. 31.1.1989 – 1 ABR 69/87).

Entsprechendes gilt für Teilzeitbeschäftigte. So hat der Betriebsrat nicht über die Dauer der mit den Teilzeitarbeitnehmern einzelvertraglich vereinbarten oder tariflich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Nicht der Mitbestimmung unterliegt die Betriebsnutzungszeit, d. h. die Zeit, in der die Mitarbeiter die betrieblichen Anlagen nutzen dürfen (BAG, Beschl. v. 18.12.1990 – 1 ABR 11/90). Außerhalb dieser vom Arbeitgeber vorgegebenen Nutzungszeit kann der Betriebsrat grundsätzlich nicht die Lage der Arbeitszeit beeinflussen. Insbesondere durch die Festsetzung der täglichen Arbeitszeit kann er aber im Ergebnis auch die Nutzungszeit wesentlich beeinflussen (vgl. zu Ladenschlusszeiten: BAG, Beschl. v. 13.10.1987 – 1 ABR 10/86).

4 Verteilung der Arbeitszeit

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 hat der Betriebsrat ferner über die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen.

Im Rahmen bestehender gesetzlicher und tariflicher Regelungen sind daher sämtliche Fragen bezüglich der vorgegebenen wöchentlichen Dauer der Arbeitszeit, die sich – auf die Verteilung auf die Wochentage und – die Lage der täglichen Arbeitszeit beziehen, mitbestimmungspflichtig. So sind grundsätzlich die Einführung sowie die Ausgestaltung der Modalitäten sämtlicher Arbeitszeitmodelle, wie feste Arbeitszeiten, flexible Arbeitszeiten, Gleitzeit, Vertrauensarbeit, Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Schichtarbeit, rollierende Systeme, mitbestimmungspflichtig. Dabei können die Verteilung sowie die Lage der Arbeitszeit, zugeschnitten auf die jeweiligen betrieblichen Bedürfnisse, für verschiedene Betriebsbereiche unterschiedlich geregelt werden.

   Wichtig  

Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG greift nicht nur ein, wenn der Arbeitgeber erstmalig die Arbeitszeit festlegen oder ein Arbeitszeitsystem einführen möchte, sondern auch bei jeder relevanten Änderung.

5 Gleitzeitmodelle

Weit verbreitet sind die unterschiedlichsten Varianten von Gleitzeitmodellen. Deren wesentlichen Vorteile sind › bedarfsorientierte Arbeitszeiten, › weniger Überstunden und Fehlzeiten sowie › mehr Freiheit, die individuelle Arbeitszeit zu gestalten, und damit zugleich eine größere Arbeitgeberattraktivität. Dem Betriebsrat steht bei der Einführung, der Ausgestaltung der Modalitäten und der Änderung der Gleitzeit ein Mitbestimmungsrecht zu.

6 Schichtarbeit/Schicht- bzw. Dienstpläne

„Beliebter“ Gegenstand von Einigungsstellen ist angesichts der großen Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Betriebsablaufs die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen zu Schichtsystemen sowie zum Verfahren, wie die einzelnen Schicht- bzw. Dienstpläne aufzustellen und zu ändern sind.

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Einführung und dem Abbau von Schichtarbeit mitzubestimmen (BAG, Beschl. v. 28.10.1986 – 1 ABR 11/85). Sein Mitbestimmungsrecht umfasst die Modalitäten des Schichtsystems, wie

  • die Dauer (Beginn und Ende) der einzelnen Schichten,
  • die Abgrenzung des Personenkreises und
  • die Frage, ob in mehreren Schichten gearbeitet werden soll (vgl. BAG, Beschl. v. 1.7.2003 – 1 ABR 22/02).
Der Betriebsrat ist ferner im Falle von Änderungen, bspw. wenn der Arbeitgeber eine Schicht streichen oder von drei auf zwei Schichten umstellen will, zu beteiligen.

   Wichtig  

Mitbestimmungspflichtig ist nicht nur die generelle Ausgestaltung der Schichtarbeit, sondern auch der einzelne Schichtplan mit all seinen Details, inklusive der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den jeweiligen Schichten. Der Betriebsrat hat außerdem mitzubestimmen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise das Unternehmen von den bereits aufgestellten Schichtplänen wieder abweichen kann (BAG, Urt. v. 29.9.2004 – 5 AZR 559/03).

Entsprechendes gilt für die Dienstplangestaltung und die Einteilung der Mitarbeiter in einen Dienstplan. Grundsätzlich sind daher sämtliche personellen Änderungen eines aufgestellten Einzelschichtplans mitbestimmungspflichtig, die die Lage der Arbeitszeit eines oder mehrerer Mitarbeiter führen (vgl. BAG, Beschl. v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01, AuA 9/03, S. 51). Mitbestimmungspflichtige Änderungen liegen danach z. B. bei Schichtumsetzungen oder Schichtwechseln von Beschäftigten vor. Um eine nicht mitbestimmungspflichtige Änderung handelt es sich dagegen, wenn ein Arbeitnehmer in einer Schicht ersatzlos wegen Krankheit, Urlaub oder der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme ausfällt (BAG, Beschl. v. 28.5.2002, a. a. O.).

7 Betriebsvereinbarung zur Schichtarbeit

Um zu vermeiden, dass die Betriebsparteien z. B. jeden einzelnen Monatsschichtplan in allen Einzelheiten vereinbaren müssen, ist es zweckmäßig, in einer Betriebsvereinbarung u. a. bestimmte Grundsätze und Kriterien zu regeln, denen ein einzelner Schichtplan entsprechen muss. In diesem Fall ist es zulässig, dass das Unternehmen die Einzelschichtpläne selbst erstellt (BAG, Urt. v. 29.9.2004 – 5 AZR 559/03). Eine solche Regelung darf jedoch das Mitbestimmungsrecht nicht aushöhlen. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber keinen pauschalen „Freibrief“ für die Schicht-/ Dienstplangestaltung erteilen. Vielmehr sind in der Betriebsvereinbarung die konkreten Voraussetzungen und Kriterien festzulegen, wie das Unternehmen die einzelnen Schicht-/Dienstpläne allein zu erstellen hat, z. B. Grundsätze der Einteilung, Gleichheitsgrundsatz, Rhythmus, Freischichten, individuelle Einteilungswünsche, Abwesenheitszeiten, Fristen, Bekanntgabe, Kontrollrechte des Betriebsrats.

Praxistipp

Von erheblicher praktischer Relevanz ist es, ein möglichst unaufwändiges Verfahren zu vereinbaren, wie bei typischen kurzfristig erforderlichen Schicht-/Dienstplanänderungen vorzugehen ist, z. B. Vorabzustimmung des Betriebsrats für konkret beschriebene Fallgestaltungen, Regelung eines beschleunigten Beteiligungsverfahrens, Auswahlmodalitäten der heranzuziehenden Mitarbeiter, Freiwilligkeitsgrundsatz etc.

8 Pausen

Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst weiter die Dauer und die zeitliche Lage der Pausen. Dazu gehören alle Unterbrechungen der Arbeitszeit, die der Erholung dienen und regelmäßig nicht vergütet werden. Entscheidendes Merkmal einer Pause ist aber nicht die fehlende Vergütung, sondern die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung einschließlich der Pflicht, sich zur Arbeit bereitzuhalten. Danach sind z. B. auch tariflich bezahlte Kurzpausen mitbestimmungspflichtig. Bei Letzteren beschränkt sich das Mitbestimmungsrecht jedoch darauf, die zeitliche Lage festzulegen (BAG, Beschl. v. 1.7.2003 – 1 ABR 20/02).

9 Überstunden

§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG regelt die Mitbestimmung, wenn der Arbeitgeber die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzen (z. B. Kurzarbeit oder Freischichten) oder verlängern will. Betriebsübliche Arbeitszeit ist die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit, die durch den regelmäßig geschuldeten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und seiner Verteilung bestimmt wird. Sie muss in einem Betrieb nicht notwendig einheitlich sein, sondern kann je nach Vereinbarung für verschiedene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen variieren (vgl. BAG, Beschl. v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, a. a. O.).

Ob eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, d. h. eine Überstunde, vorliegt, hängt ferner maßgeblich von den jeweiligen vertraglichen und tariflichen Vorgaben sowie dem jeweiligen betrieblichen Arbeitszeitmodell ab. So liegen insbesondere bei flexiblen Arbeitszeitsystemen häufig keine Überstunden, sondern nur Plusstunden vor.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - 07/11