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Veranstaltungstipp

Vortrag von Prof. Dr. Ralf Keim

auf der Messe PERSONAL2011 Nord:

„Mitarbeiterbindung durch Mitarbeiterbildung“

Messe PERSONAL2011 Nord,

CCH Hamburg, Halle H, Praxisforum 1

Mittwoch, 6. April 2011,

17.00 – 17.30 Uhr

Weitere Informationen:

www.personal-messe.de/nord

Die Entwicklung hin zu einer Wissensgesellschaft hat für die Personalarbeit von Unternehmen einschneidende Folgen: Wenn der Mehrwert verkaufter Güter und Dienstleistungen weniger auf materiellen Aspekten beruht, sondern auf dem Wissen, das die Dienstleistungen auszeichnet und in den Gütern inkorporiert ist (vgl. z. B. Stehr 2001), dann werden die Arbeitnehmer als Wissensträger für die Betriebe wichtiger. Dies gilt insbesondere, weil ein immer größerer Teil des Wissens erfahrungsbasiert und implizit (Polanyi 1985) ist und sich nicht so einfach speichern und an Dritte weitergeben lässt (Neuweg 2001). Verlässt der Arbeitnehmer das Unternehmen, nimmt er immer einen gewissen Teil des Wissens mit, das er dort erworben hat.

Gleichzeitig steigern der demografische Wandel und der daraus zumindest mittelfristig resultierende Fachkräftemangel die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer die Firma wechselt. Gemäß einer Unternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) geht die Mehrheit der Unternehmen davon aus, dass sie vom demografischen Wandel betroffen sind und der Fachkräftemangel gravierende Auswirkungen auf sie hat (DIHK 2010). Bei Stellen, die sich an Akademiker richten, erklären in einer anderen Umfrage des DIHK (Heidenreich 2011, 12) 41 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie bereits jetzt Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen haben.

Mitarbeiterbereitschaft zur langfristigen Bindung an Unternehmen sinkt

Dieser Wahrnehmung in den Unternehmen stehen zwar arbeitsmarktstatistische Analysen gegenüber, die weder aktuell noch in den nächsten drei bis vier Jahren einen allgemeinen Fachkräftemangel diagnostizieren (Brenke 2010). Solche Analysen gehen davon aus, dass sich der Engpass an qualifiziertem Personal auf einige Regionen beschränkt, die entweder durch ein besonders starkes Wachstum oder einen besonders großen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet sind. Für das Handeln der Unternehmen werden aber eher die eigenen Wahrnehmungen relevant sein, die sich in den Umfragen des DIHK niederschlagen.

Damit ist der „War for Talents“ keine Perspektive mehr, sondern Realität. Er trifft auf Mitarbeiter, die sich aufgrund der jahrelangen Bemühungen von Unternehmen um Flexibilität in den Arbeitsbeziehungen häufig weniger als dauerhaft loyale Mitarbeiter eines Unternehmens begreifen, sondern als „Arbeitskraftunternehmer“ (Voß/Pongratz 1998), die auch über die Unternehmensgrenzen hinaus nach der optimalen Entwicklung und Verwertung ihrer Arbeitskraft streben.

Wie Qualifizierung als Mitarbeiterbindungsinstrument wirkt

Leistungsfähige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, wird damit zu einem zentralen Thema im Personalmanagement. Zu der Vielzahl der in der Literatur diskutierten Faktoren und Instrumente, die Firmen einsetzen können, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen (vgl. z.B. Becker 2010, 239 ff. und die dort angeführten Quellen), gehört auch die Qualifizierung von Mitarbeitern.

Personalentwicklung und Qualifizierungsangebote führen viele Studien als Faktoren an, die die Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen stärken können (vgl. z.B. Schiedt 2000; Gmür/Thommen 2006; DIHK 2010). Ihre Wirkungen spielen sich auf unterschiedlichen Ebenen der Anreizsetzung ab:

  • Sie signalisieren dem Arbeitnehmer, dass das Unternehmen ihn und seine Arbeit wertschätzt und können damit die intrinsische Motivation des Arbeitnehmers stärken.
  • Sie stellen vom Arbeitgeber finanzierte Investitionen in das Humankapital des Arbeitnehmers dar, die dem Arbeitnehmer Aufwendungen ersparen und dem Arbeitgeber zumindest ein zeitlich befristetes Recht geben, über Rückzahlungsklauseln die Abwanderung des Arbeitnehmers zu erschweren (Alewell 1997).
  • Sie erhöhen aus der Kostenperspektive betrachtet die potenziellen Verluste, die ein Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Arbeitgebers erleidet. Denn seine unternehmensspezifischen Qualifikationen werden beim neuen Arbeitgeber möglicherweise weniger wert sein.

Erfolgsfaktoren von Personalentwicklung als Bindungsinstrument

Der Umfang, in dem diese unterschiedlichen Ebenen bei der Mitarbeiterbildung wirken, hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab:

  • dem Ausmaß, in dem ein Arbeitnehmer die Qualifizierung als Instrument für seine Leistungserbringung im Unternehmen oder als Förderung seiner individuellen Qualifizierungswünsche begreift. Je stärker die zweite Komponente ist, desto eher wird der Beschäftigte die Fortbildung als Wertschätzung verstehen.
  • dem Grad, zu dem ein Arbeitnehmer eine angebotene Qualifikation vom Arbeitnehmer als funktional für sein aktuelles oder sein künftiges bzw. angestrebtes Aufgabengebiet ansieht. Steht diese Funktionalität im Vordergrund, wird der Mitarbeiter das Angebot eher als Investition in das eigene Humankapital begreifen.
  • der Unternehmensspezifität der Bildungsmaßnahme. Je unternehmensspezifischer die in der Maßnahme vermittelten Qualifikationen sind, desto geringer ist ihr Wert auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zum unternehmensinternen Wert und desto größer sind die Verluste, die der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel erleidet.

Damit Mitarbeiter ein Bildungsangebot aber überhaupt als Anreiz ansehen, muss es unmittelbar oder zumindest mittelbar seine Interessen berücksichtigen (Berthel/Becker 2007, 313 ff.). Hier zeigt sich angesichts des Wandels vom Arbeitnehmer zum Arbeitskraftunternehmer ein potenzielles, von den Unternehmen selbsterzeugtes Dilemma: Gerade die Bildungsangebote, die die Arbeitsmarktfähigkeit steigern und damit zumindest nicht im ökonomischen Sinne die Mitarbeiterbindung erhöhen, werden vermutlich bei den Beschäftigten auf das größte Interesse stoßen. Ein Weg aus diesem Dilemma könnte darin liegen, die Qualifizierungsangebote durch angemessene innerbetriebliche Entwicklungsperspektiven zu ergänzen.

ipo Institut für Personal- und Organisationsforschung

Anwendungsorientierte Forschung, der Transfer von Forschungsergebnissen in die betriebliche Praxis und die Förderung des Dialogs zwischen Forschung und Praxis sind die primären Ziele des ipo Institut für Personal- und Organisationsforschung.

Als Institut der FOM Hochschule für Oekonomie & Management kann das ipo auf ein umfassendes Netzwerk von Wissenschaftlern und Praktikern zurückgreifen.

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Instituts zählen personalwirtschaftliche und organisationstheoretische Fragestellungen sowie ihre Wechselwirkungen – wie etwa die Gestaltung und Wirksamkeit von Anreizsystemen.

Das Angebot von ipo können Interessierte Personalverantwortliche auf der PERSONAL2011 Nord vor Ort kennenlernen: 6. und 7. April, CCH Hamburg, Halle H, Stand B.18.

Literatur:

  • Alewell, D. (1997): Die Finanzierung betrieblicher Weiterbildungsinvestitionen. Ökonomische und juristische Gründe, Wiesbaden.
  • Becker, F.G. (2010): Mitarbeiterbindung: Ein Einblick in ein schwieriges Objekt und Status Quo der Forschung, in: Bruhn, M/Stauss, B. (Hrsg.): Serviceorientierung in Unternehmen: Forum Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden, S.229-252.Berthel, J./Becker, F.G. (2007): Personalmanagement. Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 8.Aufl., Stuttgart.
  • Brenke, K. (2010): Fachkräftemangel kurzfristig noch nicht in Sicht, Wochenbericht des DIW Berlin, 46/2010, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.363686.de/10-46-1.pdf (Zugriff: 23.2.2011).
  • DIHK (2010): Arbeitsmarkt und Demografie. Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensnachfrage zur Demografie und den Folgen für den Arbeitsmarkt, Berlin.
  • Gmür, M./Thommen, J.-P. (2006): Human Resource Management. Strategien und Instrumente für Führungskräfte und das Personalmanagement in 13 Bausteinen, Zürich.
  • Heidenreich, K. (2011): Erwartungen der Wirtschaft an Hochschulabsolventen, Berlin.
  • Neuweg, H.G. (2001): Könnerschaft, und implizites Wissen, Münster.
  • Polanyi, M. (1985): Implizites Wissen, Frankfurt am Main.
  • Schiedt, A. (2000): Mitarbeiterbindung steckt in den Kinderschuhen, in: Personalwirtschaft, 12/2000, S. 53-57.
  • Stehr, N. (2001): Wissen und Wirtschaften. Die gesellschaftlichen Grundlagen der modernen Ökonomie, Frankfurt am Main.
  • Voß, G.G./Pongratz, H.J. (1998): Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 50(1), S. 131-158.