“Für uns ist das Prädikat ein weiterer Meilenstein in einer Reihe von Auszeichnungen, die wir für unsere Personalarbeit erhielten. Neu war für uns diesmal die Arbeit mit Zielvereinbarungen im Rahmen einer Zertifizierung; ähnlich denen, zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem. Auditierungs-techniken kamen dabei nicht zum Zug; was bedeutet hätte, dass wir uns an vorgegebenen Maßstäben der Zertifizierungsgesellschaft hätten messen müssen. Stattdessen nahm diese bei uns eine Bestandsaufnahme vor und ermittelte mit allen Beteiligten in unserem Betrieb, wie Brose seine familienfreundliche Personalarbeit weiterentwickeln will und kann. Damit orientierte man sich an unseren betrieblichen Gegebenheiten und unserem Entwicklungspotential, was sehr sinnvoll ist, da Firmen je nach Branche, Größe und Budget völlig verschieden agieren müssen.

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Foto von Samantha Gades

Moderator statt Auditor

Angesichts dieser besonderen Zertifizierungsweise kam ein Auditor zu uns, der in der Funktion eines Moderators verschiedene Workshops zum Thema leitete. Für diese Aufgabe setzt die berufundfamilie gGmbH Spezialisten mit Beratungs-, Trainings- oder Moderationspraxis ein, von denen es nur etwa 40 lizenzierte Auditoren in Deutschland gibt. Der Berater plante mit uns die Zusammensetzung des Projektteams, der Diskussionsrunden sowie deren Programm. Er legte beispielsweise Wert darauf, dass Vertreter aus allen Hierarchiestufen und Mitarbeitergruppen am Dialog teilnahmen und aktivierte die Gruppe bei Gesprächen.

Der Prozess

Der Prozess begann damit, dass wir Fragebögen der berufundfamilie gGmbH ausfüllten, welche als Basis für die Moderation diente. In einem folgenden eintägigen Strategieworkshop, der auf Geschäftsführungs- bzw. oberer Managementebene angesetzt worden war, ging es darum, den Familienbegriff für Brose zu definieren und die Ziele der Auditierung festzulegen. Für uns bedeutet Familie das soziale Netzwerk unserer Mitarbeiter. Dazu gehören neben der klassischen Familie auch allein erziehende Mütter und Väter sowie alle Lebensgemeinschaften, die füreinander Verantwortung übernehmen. In Summe streben wir an, durch die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Potenziale und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter im Sinne des Unternehmens zur vollen Entfaltung zu bringen. Damit schaffen wir ein Arbeitsumfeld, das die Zufriedenheit und damit die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter fördert und deren Bindung zum Unternehmen erhöht. In dem zweiten sogenannten Auditierungsworkshop trafen Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensbereichen und unterschiedlichen familiären Hintergründen zusammen, um Ideen zu insgesamt acht Handlungsfeldern zu sammeln. Daraus entwickelten wir einen Zielvereinbarungskatalog mit Maßnahmen-Deadlines, die wir der Gesellschaft vorlegten.

In unserem Fall war absehbar, dass wir das Prädikat erhalten, denn wir beschäftigen uns bereits seit Jahren mit familienfreundlichen Personalkonzepten. Prinzipiell kann die Gesellschaft aber das Prädikat mit der Begründung verweigern, dass die Ziele nicht engagiert genug oder unrealistisch sind. Mit der Vergabe des Siegels hat bei uns nun eine dreijährige Phase begonnen, in welcher wir alle 12 Monate einen Fortschrittsbericht zur Vorlage bei der berufundfamilie gGmbH erstellen. Die Prüfer evaluieren nicht allein die Ergebnisse unserer Maßnahmen, sondern auch, ob und wie wir sie gesetzt haben.

Der Arbeitsaufwand

Im Vergleich zum Nutzen hielt sich der Arbeitsaufwand für das Projekt insgesamt im Rahmen: Wir beauftragten mit der Projektleitung eine Mitarbeiterin, die die Gespräche organisierte, das Ausfüllen der Fragebögen koordinierte und das Projektteam betreute. Laut unseren Protokollen betrug der zeitliche Aufwand rund 15 Tage.

Ergebnisse der Workshops

Aus den Workshops ergab sich zum Beispiel, dass wir mit Teilzeitmodellen ganz neue Wege gehen und Mitarbeiter stärker für die Pflege ihrer älteren Angehörigen sensibilisieren wollen. Geplant sind Aufklärungskampagnen in Form von Aktionstagen, da es zunächst notwendig ist, das Thema generell zu enttabuisieren. Selbsthilfegruppen sollen helfen, unter betroffenen Mitarbeitern einen Erfahrungsaustausch in Gang zu setzen. Wir werden außerdem eine zehnteilige Pflegeworkshop-Reihe mit einem Anbieter veranstalten, die Grundinformationen und praktische Betreuungstipps gibt. Flankierend wird ein Beratungsangebot unserer eigenen Mitarbeiter- und Familienbetreuung Beschäftigte beispielsweise bei oft anspruchsvollen Behördengängen unterstützen. Wir denken, dass unsere Strategie aufgeht, da wir in den Bereichen Ernährung und Sozialberatung bereits ähnliche Kampagnen erfolgreich umgesetzt haben. Wichtig ist dabei immer die Kombination aus Information, Beratung und Unterstützung. Wir setzen genau da beim Mitarbeiter an, wo er persönlich betroffen ist und sich Verbesserungen wünscht. Klar ist aber auch: Ohne entsprechende Personalkapazität funktioniert dies nicht. So beschäftigen wir ein dreiköpfiges Beratungsteam, das Ansprechpartner für die Beschäftigten ist, Maßnahmen initiiert und mit Unterstützung externer Dienstleister diverse Kampagnen umsetzt.

Der Benefit

Insgesamt sind wir mit dem Procedere der Zertifizierung zufrieden, weil wir uns einerseits das Feedback einer unbeteiligten, dritten Partei einholen können, die uns wertvolle Impulse gibt. Andererseits haben wir die Chance, Bestehendes zu hinterfragen und uns über einen längeren Zeitraum weiter zu verbessern. So entwickeln wir uns zu einer selbstlernenden Organisation und erfahren dabei kompetente Begleitung. Ich finde dies insofern elementar wichtig, als es keine allgemeinverbindlichen Konzepte zum Thema Familienfreundlichkeit gibt, die sich normativ zertifizieren ließen. Die langfristige Ausrichtung ist angesichts der Tragweite der Thematik angemessen, insbesondere, weil wir einen kontinuierlichen Prozess zur Verhaltensänderung anstreben. Hier kann es keine raschen Lösungen geben.“