Sachverhalt und Entscheidbegründung

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Foto von Jess Bailey

Die Mitarbeiterin war bei der Arbeitgeberin, einer Klinik, in leitender Stellung angestellt. Sie hatte den Betrieb zu strukturieren, nachdem bislang Strukturen fehlten und der Betrieb in jüngerer Vergangenheit stark gewachsen war. Bereits nach kurzer Zeit kam es zu Konflikten zwischen dem Chefarzt der Klinik, welcher gleichzeitig Verwaltungsrats-Delegierter und Aktionär derselben war. Diese gipfelten darin, dass sich die Mitarbeiterin schriftlich beim Verwaltungsrat der Klinik über das Verhalten des Chefarztes beschwerte und einen Vorschlag zur Lösung des Problems verlangte. Als Reaktion kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung von Fristen und Formen.

In seinem Urteil hielt das Bundesgericht als erstes fest, dass in der Schweiz der Grundsatz der Kündigungsfreiheit gilt, weshalb die Rechtmässigkeit einer Kündigung grundsätzlich keiner besonderen Gründe bedarf. Missbräuchlich wird eine Kündigung nur bei Vorliegen eines in Art. 336 OR aufgeführten Grundes, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Ausserdem hielt das Bundesgericht fest, dass nicht nur das Motiv der Kündigung, sondern auch die Art und Weise, wie eine Kündigung ausgesprochen wird, die Missbräuchlichkeit begründen kann. Wenn sich ein Arbeitgeber deshalb nicht oder zu wenig um die Beilegung eines Konfliktes im Arbeitsverhältnis bemüht, kann dies die Missbräuchlichkeit der zur Lösung dieses Konflikts ausgesprochenen Kündigung bewirken. Gemäss Bundesgericht ist eine solche Kündigung allerdings dann nicht missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber zuvor sämtliche ihm zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen.

Konkret konnte die Mitarbeiterin vor Bundesgericht plausibel darlegen, dass der Konflikt zum Chefarzt der Klinik nicht massgebend für die Kündigung sein konnte, war sie doch noch während den laufenden Streitereien als CEO vorgesehen. Das Bundesgericht bestätigte in der Folge seine mit einem Entscheid aus dem Jahre 2001 begründete Rechtssprechung, wonach das Gericht seinen Entscheid über die Missbräuchlichkeit der Kündigung auf jenen Kündigungsgrund zu stützen hat, der für die kündigende Partei wahrscheinlich der überwiegende und ausschlaggebende war. Werden zwei Gründe für die Kündigung herbeigezogen, und nur einer davon ist missbräuchlich, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung auch ohne den missbräuchlichen Grund ausgesprochen worden wäre.

 

Bemerkungen

Das Bundesgericht hat mit dem vorliegenden Entscheid die Handhabe bei Vorhandensein mehrerer Kündigungsgründe erläutert und die Verteilung der Beweislast vorgegeben. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass grundsätzlich dem Arbeitnehmer die Behauptungs- und Beweislast für die Missbräuchlichkeit einer Kündigung obliegt. Anderseits hat der Arbeitgeber, als Ausfluss des Prinzips der Kündigungsfreiheit, die von ihm angeführten und vom Arbeitnehmer allenfalls bestrittenen Kündigungsgründe nicht zu beweisen. Ein allfälliger Missbrauchstatbestand ist vom Arbeitnehmer zu behaupten und zu belegen (BGE 121 III 63). Erst wo nebst einem (allenfalls bewiesenen) missbräuchlichen Kündigungsgrund noch weitere geltend gemacht werden und behauptet wird, der missbräuchliche Grund sei von untergeordneter Bedeutung, spielen die obig erläuterten Grundsätze. Dasselbe gilt, wo aufgrund starker Indizien die Vermutung besteht, der vom Arbeitgeber angegebene Kündigungsgrund sei zur Verschleierung eines Missbrauchstatbestandes lediglich vorgeschoben. Auch hier muss der Arbeitgeber seine Kündigungsgründe nachweisen  (BGE 130 III 699).

Damit ist geklärt, dass dem Arbeitgeber mitunter die Nennung mehrerer Gründe wenig bringt, wenn das ausschlaggebende Motiv missbräuchlich war. Anderseits zeigt der Entscheid aber auch auf, dass einem Arbeitgeber gelingen kann, eine Kündigung zu rechtfertigen, selbst wenn die Umstände (wie z.B. die zeitliche Nähe zu einem Konflikt mit dem Arbeitgeber) eine Missbräuchlichkeit annehmen lassen. Dass ein Arbeitgeber zur Plausibilisierung einer ausgesprochenen Kündigung Gründe nachschieben kann, dürfte mittlerweile von der herrschenden Lehre bejaht werden (so auch das Obergericht ZH in einem Entscheid vom 30. November 2011). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Einbringung von Tatsachen im Prozess primär Frage des Prozessrechts ist und dass die neue ZPO das Novenrecht relativ restriktiv handhabt.