Ganze 191 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag und wer in puncto Verteuerung der Mini-Jobs darin eine politische Aussage zu finden glaubt, der sucht vergeblich. Im Gegenteil: Zusammen mit den allgemeinen politischen Aussagen, die auch Wahlkampfthema waren, ergibt sich aus dem Koalitionspapier eigentlich, dass die Lohnnebenkosten nicht steigen sollen. Folgerichtig wird daher für die Sozialversicherungsbeiträge im Koalitionsvertrag zumindest für 2006 keine Erhöhung avisiert, sondern im Gegenteil auf das Jahr 2007 verwiesen, in dem die Senkung der Arbeitslosenversicherung bereits fest beschlossene Sache ist.

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Foto von Campaign Creators

Auslöser Rentensubventionen

 

Gleichzeitig wird aber auch der Rotstift im Bereich der Rentensubventionen angesetzt. So soll der Bundeszuschuss, ohne den die Rentenversicherung eigentlich nicht überleben kann, in nie dagewesener Weise reduziert werden (vergleichen Sie hierzu den nebenstehenden Kasten). Eingefrorene Sozialversicherungsbeiträge, vorgesehene Senkungen für das Jahr 2007 – wie dies dann bei den vorgesehenen Einsparungen beim Bundeszuschuss aus den chronisch kranken Sozialversicherungskassen zu finanzieren ist, blieb zunächst rätselhaft. Dies blieb es selbst dann noch, als ein Detail aus dem Koalitionsvertrag auftauchte, welches in der Einführung der Sozialversicherungspflicht von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bestand. Diese sollen in Zukunft verbeitragt werden, sofern sie 25 Euro Stundenlohn überschreiten.

Dass dies zu kurz gesprungen war, hätte den Politikern wohl so mancher Entgeltabrechner im Vorfeld sagen können, denn zum einen gibt es nicht gerade Massen von Arbeitnehmern, deren Stundenlohn oberhalb der 25-Euro-Grenze liegt. Und da, wo es der Fall ist, liegen meist Gesamtverdienste vor, bei denender Zuschlagslohn für die Sozialversicherung unangreifbar oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen liegt.

Also doch entgegen den Wahlversprechen die Lohnnebenkosten erhöhen. Daran wollte sich wohl niemand trauen und man verfiel auf die Idee, an die Mini-Jobs zu gehen und „handstreichartig“ eine Erhöhung der Pauschalabgaben auf jetzt 30 Prozent zu beschließen. Warum dies dann kein Verstoß gegen das Versprechen ist, Lohnnebenkosten nicht zu erhöhen, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Regierungsverantwortlichen bleiben. Diese ließen sich weder durch wütende Proteste der Branchen, die besonders Mini-Job-intensiv sind, noch durch eine frühzeitige Intervention der Arbeitgeberverbände beeindrucken.

Zugute halten muss man dem Gesetzgeber allerdings, dass er nicht den Versuch unternimmt, die Lohnnebenkostenerhöhung um 20 Prozent in diesem Bereich zu bagatellisieren. Vielmehr ist ihm offensichtlich klar, dass in vielen Bereichen derartige Arbeitsplätze jetzt nicht mehr besetzt oder abgebaut werden. So konstatiert er in der Gesetzesbegründung, dass es „bezüglich des Arbeitsangebots und der Nachfrage durch die Anhebung der Beitragssätze zu Ausweichreaktionen kommen wird“. Sogar eine Schätzung des voraussichtlichen Rückgangs haben sich die Statistiker des federführenden Ministeriums zugetraut und taxieren den Rückgang der Lohnsumme aus geringfügigen Beschäftigungen auf „voraussichtlich 15 Prozent“.

Entgeltabrechner und Arbeitsrechtler müssen sich zusammenraufen

 

Was aber sind die praktischen Konsequenzen für die Personalabteilungen, wenn die neuen Vorschriften ab dem 1.7.2006 greifen und die Prognose zum Beschäftigungsrückgang in diesem Bereich zutreffend ist?

Hier sind in einer „konzertierten Aktion“ sowohl arbeitsrechtliche Gestalter als auch Entgeltabrechner gefordert. Abrechnungstechnisch lohnt es sich jetzt immer mehr, individuelle Lösungen zu erarbeiten. Eine erste Grundfrage ist insoweit, für welche Mitarbeiter es sich lohnt, aus einem laufenden Mini-Jobverhältnis zugunsten einer Gleitzonenregelung auszusteigen. Bleibt es beim Mini-Job, so gibt es darin aber auch verschiedene Konstellationen, bei der die Mini-Jobabgabeim günstigsten Fall auf die Abgabe des Rentenversicherungsbeitrags reduziert wird.

Hat der Entgeltabrechner eine günstige Konstellation berechnet, so liegt es am Arbeitsrechtler, dies in eine sattelfeste Vertragsvereinbarung zu gießen. Wichtig ist dabei die Reihenfolge. Auch wenn es ein Arbeitsrechtler nicht gern hören wird, so sollte er sich indiesem Fall den vom Entgeltabrechner vorgeprüften Rahmenbedingungen beugen. Sollte im Unternehmen allerdings die grundsätzliche Entscheidung fallen, bestehende Mini-Jobs generell in Gleitzonenfälle umzuwandeln, so steht der Arbeitsrechtler vor einem Problem, was nicht zu unterschätzen ist.

Auch Mini-Jobber sind, sofern es sich um Dauerbeschäftigungen handelt, „normale Arbeitnehmer“, sodass eine Vertragsänderung, sofern sie nicht einvernehmlich erfolgt, nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen einer Änderungskündigung durchgeführt werden muss. Diese ist nur sehr schwer mit dem Argument durchzusetzen, dass durch die Erhöhung der Lohnnebenkosten der Job für den Arbeitgeber unwirtschaftlich wird. Das Risiko der Erhöhung von Arbeitgeberbelastungen wird in der Regel von den Arbeitsgerichten nicht als ausreichender Grund für eine Änderungskündigung anerkannt.

Für viele kommt die Umlage hinzu

 

Dass bei den Lohnnebenkosten für geringfügig Beschäftigte „Kleinvieh auch Mist machen kann“, zeigt ein Blick auf die für sehr viele Unternehmen neue Pflicht, Beiträge zu den Umlagessystemen „U 1 und U 2“ zu zahlen. Grundsätzlich sind davon auch Arbeitslöhne für geringfügig Beschäftigte betroffen, was für viele eine weitere Verteuerung der Mini-Jobs bedeutet. Für das Jahr 2006 kann hier bezüglich der U 2 Entwarnung gegeben werden, da wie im Vorjahr der Umlagesatz  „0 Prozent“ beträgt. Der Umlagesatz aus der Lohnfortzahlungsversicherung für Kleinbetriebe ist derzeit auf 0,1 Prozent festgelegt. Wie diese Beitragssätze im nächsten Jahr aussehen werden, das wird davon abhängen, ob und in welcher Größenordnung von Erstattungsanträgen für Lohnfortzahlung und Mutterschutz im Bereich der geringfügigen Beschäftigung überhaupt Gebrauch gemacht wird.

Hintergrund

Rentensubventionen sollen sinken

Auch wenn es offensichtlich ist, dass das bestehende Rentenversicherungssystem allein mit den Beiträgen der aktiven Arbeitnehmer nicht mehr finanzierbar ist, will die Bundesregierung partout ein Zeichen setzen und den schon fast traditionellen Bundeszuschuss senken. Gegenfinanziert werden soll dies durch Mehreinnahmen bei Zuschlägen für Sonntags- und Feiertagsarbeit und der Mini-Jobpauschale.

Wie aber ist diese Subventionskürzung zu quantifizieren. Im Gesetzentwurf, der nachstehend auszugsweise abgedruckt ist, wird dies mit Annahmen und Nachberechnungen äußerst kompliziert definiert.

Die erste Einnahmeprognose

 

2a) Der allgemeine Bundeszuschuss ist ab dem Jahr 2006 um den Betrag zu vermindern, der sich aus der Erhöhung der Pauschalabgaben an die allgemeine Rentenversicherung für geringfügige Beschäftigung ohne Versicherungspflicht von 12v.H. auf 15 v.H. des Arbeitsentgelts und der Begrenzung der Sozialversicherungsfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge auf einen Stundenlohn von bis zu 25 Euro ergibt. Er wird für das Jahr 2006 um 90 Mio. Euro und ab dem Jahr 2007 jeweils um 180 Mio. Euro im Kalenderjahrpauschal vermindert.

Die Korrektur im Ernstfall

 

Abweichungen des pauschalierten Minderungsbetrages von den tatsächlichen zusätzlichen Einnahmen eines Kalenderjahres sind mit dem laufenden Bundeszuschuss des Kalenderjahres zu verrechnen, in dem sie ermittelt werden. Dazu werden im jeweils auf die Zahlung des Bundeszuschusses folgenden Kalenderjahr die tatsächlichen zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung der Pauschalabgaben in der allgemeinen Rentenversicherung für geringfügige Beschäftigung ohne Versicherungspflicht von 12 v. H. auf 15 v. H. des Arbeitsentgelts des vergangenen Kalenderjahres ermittelt, in welchem der Bundeszuschuss pauschal vermindert wurde. Die Höhe der zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung der Pauschalabgaben für geringfügig Beschäftigte wird ab 2007 als ein Fünftel der tatsächlichen Einnahmen für geringfügige Beschäftigte in der allgemeinen Rentenversicherung, höchstens aber als Differenz zwischen den tatsächlichen Einnahmen eines Jahres und den tatsächlichen Einnahmen im Jahre 2005 für geringfügig Beschäftigte aus der Pauschalabgabe in der allgemeinen Rentenversicherung bestimmt. Soweit zusätzliche Einnahmen im Jahr 2006 nur für bestimmte Monate angefallen sind, ist der Vergleich mit den entsprechenden Monaten des Jahres 2005 zu bilden.

Die Schlußabrechnung

 

Den so ermittelten tatsächlichen zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung der Pauschalabgaben für geringfügig Beschäftigte wird als zusätzliche Mehreinnahme der Betrag von 25 Mio. Euro im Jahre 2006 und 50 Mio. Euro ab 2007 hinzuaddiert, der sich im gleichen Zeitraum in der allgemeinen Rentenversicherung aus der Begrenzung der Sozialversicherungsfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägeauf einen Stundenlohn von 25 Euro ergibt. Ausgangsbetrag für den nach Absatz 2 zu ändernden Bundeszuschuss ist jeweils der zuletzt festgesetzte Bundeszuschuss ohne den Minderungsbetrag.

Definition: Der Bundeszuschuss

 

Der Bundeszuschuss ist, gemessen an den Rentenausgaben, in den 60er und 70er Jahren gefallen und blieb bis 1993 auf einem niedrigen Niveau. Ab 1995 stiegen die Rentenausgaben jedoch an. Um einen Anstieg der Beiträge zu vermeiden, wurde seitdem der Bundeszuschuss schrittweise angehoben und lag 2003 bei 25,6 Prozent der Rentenausgaben. Der erhöhte Bundeszuschuss wird unter anderem aus der Ökosteuer finanziert.

Quelle: Verband Deutscher Renteversicherungsträger