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Problemstellung: Mitarbeiterqualifizierung

Die Qualifizierung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen stellt vor allem für wissensintensive Geschäftsbereiche einen kritischen Erfolgsfaktor dar, dessen Effektivität und Effizienz einen entscheidenden Einfluss auf die Performance eines Unternehmens hat. Unternehmen wie Daimler, British Telecom oder die Volks- und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg gehen deshalb dazu über, Qualifizierungsprozesse in das Performance Monitoring von Schlüsselprozessen aufzunehmen. Dieser neue Aspekt des Performance Monitoring soll ganz im Sinne eines betriebswirtschaftlichen Controllings sowohl Mess- als auch Steuerungsfunktion innehaben.

Für die Ausrichtung von Qualifizierungsmaßnahmen an die Erfordernisse von Geschäftsprozessen bedarf es Dreierlei:

1. Es müssen aussagekräftige Bildungskennzahlen, Edumetriken genannt, identifiziert werden, die sowohl über die Qualität von Qualifizierungsmaßnahmen also auch deren Einfluss auf den Geschäftsprozess eine Aussage treffen können. Die Edumetriken müssen formale, nichtformale oder sogar informale Qualifizierungsaktivitäten adressieren können. Darüber hinaus muss das Edumetriken-Portfolio auf die unterschiedlichen Beteiligten wie Kunden, Vorgesetzte, Mitarbeiter, Personalentwickler, Trainer Rücksicht nehmen. „Erklärende“ Edumetriken helfen Defizite im Qualifizierungsprozess zu identifizieren und unterstützen eine Stärken-Schwächen-Analyse. Einen solches Kennzahlen-Portfolio steht mit dem WU-Lerncockpit nun frei zur Verfügung.

2. Es müssen Messinstrumente bereitgestellt werden, die zumindest eine ähnlich gute Qualität aufweisen wie Marktforschungsinstrumente und die die Eigenschaften von qualifizierungsrelevanten Artefakten (etwa Lernmaterialien, Coaching oder Tutoring-Aktivitäten) treffsicher und valide erfassen. Im Rahmen des EUForschungsprojekts PROLIX haben wir zirka 100 Messinstrumente, sogenannte Fragebogenskalen für unterschiedliche Kennzahlen entwickelt. Diese stehen frei unter einer Creative Commons Lizenz – lediglich die Nennung der Quelle ist notwendig – zur Verfügung und können beim Autor angefordert werden.

3. Relevante Prozesse, wie Mitarbeitergespräch, Mitarbeiterbefragung, Seminarbeurteilung oder Lerntransfermessung müssen praxistauglich umgesetzt werden. Hier können vor allem Internettechnologien im Geist von Web 2.0 helfen, Feedbackprozesse einfacher zu gestalten oder etwa die Dokumentation von Mitarbeitergesprächen zu lebendigen Dokumenten zu transformieren, die den Qualifizierungsfortschritt von Mitarbeitern nicht nur protokolliert sondern auch steuert. Das oben angeführte Forschungsprojekt hat es uns ermöglicht, Methoden einer kompetenzorientierten Unternehmensführung neu zu denken. Teilweise wurden diese auch schon prototypisch in einem frei zugänglichen Web-Portal umgesetzt und einem Praxistest bei den oben angeführten Unternehmen unterzogen.

Zehn Schritte zur kompetenzorientierten Unternehmensführung

Das WU-Lerncockpit beinhaltet eine Methode, die die Einführung des WU-Bildungscontrolling-Konzepts unterstützt.


1. Identifizieren von Qualifizierungsaktivitäten und Stakeholdern

Im ersten Schritt ist zu klären in welcher Form die Qualifizierung erfolgt und – vor allem – welche Kompetenzen welche Auswirkungen auf die Performance in den jeweiligen Schlüsselprozessen haben. Gleichzeitig sind die Stakeholder des Projekts (Kunden oder Lieferanten, Trainer, Führungskräfte oder Personalentwickler) zu bestimmen. Die Identifikation der relevanten Qualifikationen und Qualifizierungsaktivitäten ist oft ein aufwändiges Unterfangen und kann ein Projekt im Projekt darstellen.

2. Definition von Mission-Statement und Zielsetzung

Als Schritt 2 empfiehlt sich für das Bildungscontrolling-Projekt selbst ein Mission-Statement zu definieren. Hier gilt es zu unterscheiden, ob das Projekt eher einen summativen oder einen formativen Charakter aufweisen soll. Summative Projekte dienen vor allem dem Messen. Ein Beispiel für ein summatives Mission-Statement ist folgendes: „Das Bildungscontrolling-Projekt soll die Qualität der Qualifizierung von Lieferanten-Mitarbeitern hinsichtlich unserer SCM-Prozesse laufend messen, Defizite aufzeigen und Verbesserungsvorschläge liefern.“ Ein formatives Bildungscontrolling-Projekt hat in erster Linie einen gestalterischen Anspruch, etwa: „Wir wollen mit dem Bildungscontrolling-Projekt Führungskräfte und Mitarbeiter im Bereich Customer Care stärker in Qualifizierungsprozesse involvieren, Qualifizierungsbedarf und Umsetzungsmaßnahmen lenken sowie eine kritische Reflexion dieser Prozesse erreichen.“ Neben dem Mission-Statement sollten auch konkret messbare Projektziele festgelegt werden.

3. Auswahl geeigneter Kennzahlen

Nun sind geeignete Edumetriken und die dazugehörigen Kennzahlen-Eigentümer zu identifizieren. Kennzahlen-Eigentümer sind jene vom Projekt adressierten Stellen, die aufgrund der Kennzahlen-Werte Entscheidungen treffen und Handlungen setzen.

4. Auswahl und Anpassen der Erhebungsinstrumente

Für weiche Kennzahlen sind entsprechend valide Messinstrumente, also Fragebogenskalen, zu entwickeln und an die Unternehmenssprache anzupassen.

5. Auswahl der Methode(n) zur Datenerhebung und Steuerung

Bildungscontrolling-Prozesse können einen unterschiedlichen Fokus haben, dies gilt es bei der Methodenauswahl zu berücksichtigen. Das Mission-Statement und die Projektziele leiten deshalb die Methodenauswahl. Während Methoden wie Mitarbeitergespräch, Lernkontrakt oder 360-Grad-Feedback auf das Transferfeld fokussieren und damit direkt am Geschäftsprozess messen, fokussiert die klassische Seminarevaluation vor allem auf das Lernfeld.

6. Implementierung der Methode(n) und Datenerhebung

Nach der Methodenauswahl geht es an die Umsetzung. Oft wird diese Phase von der Einführung einer entsprechenden Softwarelösung begleitet, die die ausgewählte(n) Methode(n) unterstützt, was wiederum zu einem eigenen Subprojekt führen kann.

7. Ergebnisse analysieren, interpretieren und Empfehlungen entwickeln

Bei einem summativen Projekt gilt es nun die erhobenen Daten zu analysieren, eventuell mit Hilfe von Benchmark-Daten zu interpretieren und Empfehlungen für die Verbesserung der Qualifizierungsaktivitäten zu entwickeln und umzusetzen. Bei formativen Projekten liefern die Methoden ebenfalls Messdaten, die es zu interpretieren gilt. Hier liegt der Schwerpunkt jedoch vor allem auf einer eventuellen Anpassung von Kennzahlen, Mess- oder Reflexionsinstrumenten und Methode(n).

8. Stakeholder befragen und Daten zu den Projektzielen sammeln

Das Bildungscontrolling-Projekt selbst sollte nun einer Evaluierung unterzogen werden. Dazu gilt es die Stakeholder hinsichtlich des Projekterfolgs zu befragen und sonstige quantitative als auch qualitative Kennzahlen zu sammeln (etwa Anzahl ausgeführter Prozesse, Zufriedenheit, offenes Feedback).

9. Abschlussbericht erstellen und Ergebnisse diskutieren

Das in Schritt 8 gesammelte Material gilt es zu einem Abschlussbericht zu kondensieren, der mit den Auftraggebern diskutiert und anschließend kommuniziert wird.

10. Weiterführende Schritte festlegen

Der Abschlussbericht sollte Auskunft darüber geben, ob die Ziele des Projekts erreicht wurden. Abhängig davon sind weiterführende Schritte festzulegen und umzusetzen.


Internet-Tipp:
www.km.co.at
www.prolixproject.org

Quelle: PERSONAL - Heft 09-08/2008
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