Bedeutung des Wissensmanagements

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Foto von Alesia Kazantceva

Das IT-Unternehmen, das rund 150.000 Mitarbeiter in 170 Ländern beschäftigt, gründete vor rund zehn Jahren eine Abteilung, die sich mit dem internen Austausch von Wissen befasst. Ihre Aufgabe besteht darin, die strategische Richtung des Wissensmanagements hinsichtlich der Prozesse, Technologien und Aufgabenverteilungen für den Konzern vorzugeben und weiterzuentwickeln.

Der beratende Geschäftsbereich „HP Services Consulting & Integration“, für den rund zehn Prozent der Beschäftigten arbeiten, nimmt eine Vorreiterrolle im konzernweiten Wissensmanagement ein. Denn für die Berater ist Wissen eine zentrale Ressource, die ihnen hilft, ihre Kunden effektiver und effizienter zu unterstützen. Doch auch in anderen Geschäftsbereichen, wie der Entwicklung, ist Know-how-Transfer elementar und trägt dazu bei, die Gewinne zu steigern, die Qualität und Kundenzufriedenheit zu erhöhen, Kosten zu senken und Innovationen anzustoßen.

Was ist Wissen?

In Anlehnung an die Wissenstreppe von Klaus North betrachtet HP Wissen als Summe von Informationen, die in einem bestimmten Zusammenhang genutzt und dadurch wertvoll werden. Für das Unternehmen ist nicht nur Fachwissen relevant, sondern auch das Beziehungswissen, zum Beispiel Informationen über Kunden und Partner.

Durch die Erfahrung der Mitarbeiter, den Austausch und den effektiven Einsatz dieses Wissens entsteht ein immenser Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen, den auch der Kunde spürt, weil die Qualität der Produkte und Dienstleistungen steigt. Das Wissensmanagement von HP besteht aus drei Eckpfeilern:

  • aus Menschen, die Wissen produzieren und konsumieren,
  • aus Prozessen für das Management des Wissens und
  • aus Instrumenten, die den Zugang zum Wissen erleichtern.

Instrumente

Damit die Mitarbeiter ihr Wissen über Ländergrenzen hinweg austauschen können, hat HP Instrumente eingeführt, die sich in drei Stufen einteilen lassen.

Stufe 1: HP Mitarbeiterportal

Das „Dach“ aller Instrumente ist das Mitarbeiterportal des Unternehmens (genannt „@hp portal“), das HP selbst entwickelt hat. In Form eines Intranets ist es DAS Informationsportal für alle Mitarbeiter und Geschäftsbereiche weltweit und zugleich Ausgangspunkt vieler Onlineprozesse wie Einkauf und Zeiterfassung.

Stufe 2: Wissensmanagement-Portale

Über das Mitarbeiterportal können Beschäftigte die Projektdatenbanken sowie verschiedene Foren und themenbezogene Wissensmanagement-Portale, so genannte „Communities of Practice“, aufrufen. In diesen virtuellen Communities tauschen Mitarbeiter weltweit ihr Wissen und Material aus, zum Beispiel Angebote, Referenzen, Beschreibungen von Beratungslösungen, Kundenpräsentationen- und -broschüren. Über spezielle Intranet-Foren können sie zudem Experten mit Erfahrungen in bestimmten Bereichen finden und per Mail kontaktieren. Diese Online- Foren sind häufig thematisch mit den Communities of Practice verknüpft. So ist das Public Sector Forum in die Public Sector Community of Practice integriert. Konkrete Hilfestellungen für die Praxis bieten auch die Projektdatenbanken, in denen die Beraterteams eintragen, an welchen IT-Projekten sie gerade arbeiten und wie ihre Lösungen aussehen. Vor jedem Projekt können die Mitarbeiter in der Datenbank recherchieren, ob Kollegen bereits Lösungen zu diesem Thema entwickelt haben.

Stufe 3: Teamarbeitsbereiche

Das Arbeiten in Gruppen erleichtern die virtuellen Teamarbeitsbereiche im Intranet. Jeder Mitarbeiter weltweit kann ein solches Mini- Portal öffnen – zum Beispiel, um Dokumente und Informationen für die Kollegen bereitzustellen.

Motivation der Mitarbeiter

Wissensmangement ist nur dann erfolgreich, wenn die Mitarbeiter ihr Wissen wirklich weitergeben können und wollen. Um den Austausch zu fördern, organisiert HP regelmäßig informelle Abendveranstaltungen, so genannte „Beerbusts“. Außerdem ermutigt das Unternehmen die Beschäftigten, jeden Tag mit einem gemeinsamen Frühstück in den hauseigenen Kaffeeecken zu beginnen. In jedem Stockwerk befindet sich ein eigenes Kaffeehaus, in dem die Mitarbeiter gratis Kaffee trinken können.

Wissensmanagement ist für das Unternehmen kein „nice to have“, sondern ein Muss. Jeder Mitarbeiter sollte einen Beitrag dazu leisten und konkrete Wissensziele verfolgen. Grundlage dafür ist die Balanced Scorecard, ein strategisches Managementsystem, das die Unternehmensziele in den Dimensionen „Finanzen“, „Kundenzufriedenheit“, „Mitarbeiterzufriedenheit“ und „Operational Excellence“ (Prozessoptimierung) abbildet. Wissensmanagement leistet einen wichtigen Beitrag zur Prozessoptimierung und ist daher in dieser Dimension angesiedelt.

HP formuliert konkrete Wissensziele für die verschiedenen Geschäftsbereiche, für einzelne Abteilungen und Mitarbeiter. Alle technischen Beschäftigten haben beispielsweise die Vorgabe, mindestens einmal pro Jahr einen kurzen Artikel („Knowledge Brief“) über ein Spezialthema zu schreiben. Jeder Berater sollte mindestens einer Community of Practice oder einem Intranet-Forum als Mitglied angehören. Wie gut die Beschäftigten diesen Aufgaben nachkommen, ist ein Thema der jährlichen Mitarbeitergespräche.

Die Bereitschaft eines Mitarbeiters, Wissen aufzubauen und weiterzugeben, hat Einfluss auf seine beruflichen Perspektiven und seine Vergütung. Besondere Beiträge zum Wissensmanagement, zum Beispiel das Schreiben mehrerer Knowledge Briefs, belohnt das Unternehmen über ein Bonusprogramm. In dem weltweiten Punkteprogramm „KM Stars“ können die Mitarbeiter (freiwillig) Punkte für ihre Wissensbeiträge oder die Wiederverwendung von Wissen sammeln. Am Ende jedes Monats erhalten die drei Mitarbeiter mit den höchsten Punkten weltweit einen monetären Bonus.

Wissen messen

Welche Auswirkungen das Wissensmanagement des Unternehmens auf das Geschäftsergebnis hat, lässt sich nicht leicht in Zahlen fassen. Eine europaweite Befragung des Bereichs HP Consulting & Integration aus dem Jahr 2004 zeigte jedoch, dass Wissensmanagement den Arbeitsaufwand senkt. 47 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass sie bis zu 30 Prozent ihrer Arbeitszeit durch Know-how-Transfer im Unternehmen einsparen können.

Außerdem untersucht HP regelmäßig, wie intensiv die Beschäftigten die vorhandenen Instrumente des Wissensmanagements nutzen. So misst der Bereich Consulting & Integration monatlich:

  • die Zahl der Beiträge auf den Portalen (Wie viel Wissen wird gespeichert?) sowie
  • den Grad der Wiederverwendung bei Kundenprojekten (Wie häufig wird Projektwissen genutzt?).

Das Unternehmen hat Indikatoren und Zielvorgaben für sein Wissensmanagement definiert und analysiert im zeitlichen und die regionalen Vergleich, wie stark Wissensmanagement im Konzern gelebt wird. Dabei konzentriert sich HP auf folgende Indikatoren:

1. Zahl der Zugriffe

  • auf die Portale (zum Beispiel auf die Communities of Practice und die Projektdatenbank), Zielvorgabe: 50 Prozent aller Mitarbeiter nutzen die Communities mindestens einmal pro Monat;
  • auf die Foren, Zielvorgabe: 50 Prozent aller Mitarbeiter greifen mindestens einmal pro Monat auf die Foren zu.

2. Zahl der Beiträge

  • Projektdatenbank: Anzahl der Projekteinträge gegenüber der Anzahl der Projekte, Zielvorgabe: 80 Prozent der Projekte sind in der Datenbank beschrieben.
  • Knowledge Briefs, Zielvorgabe: Mitarbeiter im technischen Bereich schreiben 1 Artikel pro Jahr.
  • Einträge in den Foren, Zielvorgabe: 20 Prozent der Mitarbeiter schreiben mindestens einmal pro Monat einen Eintrag.

3. Wiederverwendungsgrad

Wiederverwendung („Reuse“) pro Projekt in Prozent (für die Angebots- und Lieferphase), Zielvorgabe: 45 Prozent der Projekte greifen auf vorhandenes Wissen zurück.

Der Wiederverwendungsgrad des Wissens sagt wohl am meisten darüber aus, wie sich Wissensmanagement auf den Geschäftserfolg auswirkt. Die Kennzahl wird direkt bei dem Eintrag des Projektes in die Projektdatenbank abgefragt. Wenn 35 Prozent der Projekte auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen können, bedeutet dies, dass 35 Prozent des Wissens im Unternehmen nicht neu entwickelt werden müssen. Welche Auswirkungen dieses „Know-how-Recycling“ auf die Gewinnspanne der Organisation hat, untersuchte HP in einigen Pilotprojekten.

Hier eine wahre Erfolgsgeschichte: Ein Prager Beraterteam stand im Frühjar 2007 vor der Aufgabe, einen Telefonservice (Helpdesk) für einen Kunden aufzubauen. Dafür mussten die Berater eine passende Software entwickeln. Der Projektmanager suchte in der Datenbank und fand ein ähnliches Projekt, das einige Kollegen bei einem Kunden in Australien erfolgreich implementiert hatten. Er kontaktierte den Projektmanager in Australien und erhielt die Software, die er fast 1:1 wiederverwenden konnte. Ein Auszug aus dem Rechenbeispiel dazu:

Zeitersparnis durch

Wiederverwendung der Software:

40 Personentage
Kosten für Wissensmanagement

(zum Beispiel Zeitinvestition für die

Suche nach Material, Kontaktaufnahme):

5 Personentage
Nettozeitersparnis: 35 Personentage

Diese Nettozeitersparnis wird nun mit dem durchschnittlichen Tagessatz dieses Projekts multipliziert. Diese „KM-Gewinnspanne“ wird mit dem Gesamtprojektumsatz verglichen (KM-Gewinnspanne/Projektumsatz), und ergibt einen „Net-IP-Reuse“ (Netto-Wiederverwendung von IP) von 25,5 Prozent. Dies erhöht die Gewinnspanne des Projektes von 38 Prozent auf 45 Prozent.

HP baut auf diesen Mehrwert durch Wissensmanagement und setzt bei den Mitarbeitern Anreize zur noch stärkeren Nutzung der Instrumente. Bonusprogramme, Netzwerkveranstaltungen und Zielvereinbarungen sollen Mitarbeiter dazu motivieren, Wissen auszutauschen und dadurch selbst zu profitieren. Schließlich möchte doch jeder Mitarbeiter Zeit sparen und einen guten Ruf im Unternehmen haben. Denn für einen internationalen IT-Konzern stellt Wissensmanagement nicht nur einen Wettbewerbsvorteil dar, sondern eine Überlebensfrage.

Quelle: personal manager 6/2007