1 Quantitative Minderleistungen

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Die erwähnte Entscheidung (BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02,AuA 2/04, S. 44) hatte der Verfasser bereits 2004 zum Anlass genommen, den richtigen Umgang mit „Low Performern“ ausführlich darzustellen(AuA 2/04, S. 8). An den Grundsätzen des damaligen Urteils hält der 2. Senat weiterhin fest. Danach kann eine Kündigung wegen Minderleistung nach § 1 Abs. 2 KSchG als verhaltens- oder als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmereine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Das längerfristige deutliche Unterschreiten der durchschnittlichen Arbeitsleistung vergleichbarer Kollegen kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Beschäftigte weniger arbeitet als er könnte. Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn bei einem über längere Zeit erheblich leistungsschwachen Mitarbeiter auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist.

Praxistipp

Im Prozess muss der Arbeitgeber dabei zunächst nur die Minderleistungvortragen. Daraufhin muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft bzw. woran die Störung des Leistungsgleichgewichts liegen könnte und ob in Zukunft eine Besserung zu erwarten ist (BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 386/03, DB 2004, S. 2590).

Was den kündigungsrechtlich relevanten Grad der Minderleistung(„Schmerzgrenze“) angeht, lässt sich eine allgemeingültige Aussage kaum treffen. Klar ist nur, dass man bei völliger Erfolglosigkeit eines Angestellten im Akquisitionsgeschäft davon ausgehen kann, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachhaltig gestört ist. Dies rechtfertigt eine personenbedingte Kündigung (BAG, Urt. v. 3.6.2004, a. a. O.). Es darf jedoch bezweifelt werden, ob eine Abmahnung erst gerechtfertigt ist, wenn der Beschäftigte die Durchschnittsleistung langfristig um mehr als ein Drittel unterschreitet (Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm,Urt. v. 12.7.2007 – 17 Sa 64/07, AuA 8/08, S. 505).

2 Qualitative Schlechtleistungen

Eine Mitarbeiterin im Leipziger Betrieb eines großen Versandhauses erledigte als Lager- und Versandarbeiterin überwiegend Packarbeiten. Jährlich verlassen ca. 20 Mio. Sendungen das Lager. Für die Zeiten, in denen die Arbeitnehmerin mit der Abarbeitung von Aufträgen beschäftigt war, hatte das Unternehmen folgende Fehlerquoten festgestellt:

– 1. Quartal 2003: 4,26 ‰

– 2. Quartal 2003: 5,44 ‰

– 1. Quartal 2004: 4,98 ‰

– 3. Quartal 2004: 4,01 ‰

Im letztgenannten Zeitraum betrug die durchschnittliche Fehlerquote der mehr als 200 Kollegen im Sortenversand 1,34 ‰. Wegen der Packfehler im 1. und 2. Quartal 2003 und im 1. Quartal 2004 erhielt die Versandarbeiterin jeweils eine Abmahnung. Aufgrund der Fehlerquote im 3. Quartal 2004 kündigte die Firma ihr ordentlich zum 31.3.2005. In erster und zweiter Instanz (Sächsisches LAG, Urt. v. 7.4.2006 – 3 Sa 425/05, AuA 1/07, S. 56) war die Beschäftigte mit ihrer Kündigungsschutzklage erfolgreich. Das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies die Sache dorthin zurück (BAG, Urt. v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AuA 9/08, S. 564).

Im zweiten Durchgang gab das Sächsische LAG der Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin erneut statt (Urt. v. 1.10. 2008 – 3 Sa 298/08, BB 2009, S. 165 mit Anmerkung Hunold), u. a. mit der Begründung, da in der letzten Abmahnung vor der Kündigung nur eine Verbesserung und keine bezifferte Quote verlangt worden sei, habe die Arbeitnehmerin davon ausgehen können, eine Reduzierung um 20% sei ausreichend. Sie war nur aufgefordert worden, ihre „Fehlerquote zu senken bzw. abzustellen“.

Das Unterschreiten des Leistungsniveaus vergleichbarer Mitarbeiter umein Drittel ist Indiz dafür, dass der Betreffende seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. Dieses Indiz kann der Beschäftigte widerlegen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 6.9.2006 – 13 Sa 84/05, BB 2007, S. 1228).

Es kann auch vorkommen, dass das Unternehmen selbst zu den Fehlernbeigetragen hat. Dies wird zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt. Das Gericht muss auch bei schweren Leistungsmängeln immer eine Interessenabwägung vornehmen. So hat das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v.13.2.2008 – 7 Sa 704/07) der Klage eines Industriemechanikers stattgegeben, der in fünf Monaten drei Arbeitsfehler produziert hatte: Er hatte einmal nicht bemerkt, dass eine Bohrung die Toleranzgrenze überschritten hatte, ein anderes Mal hatte er ein unbearbeitetes Teil als versandfertig

verpackt und schließlich gab er auf einer Versandkiste die falsche Teilnummer an. Die Fehler hätten zwar zu Kundenreklamationen und schwerwiegenden finanziellen Einbußen für den Autozulieferer führen können, befand das Gericht. Doch man müsse berücksichtigen, dass der Arbeitgeber zuvor die Zwischenprüfung im Betrieb eingespart hatte und die Industriemechaniker selbst ihre Produkte prüfen mussten. Das erhöhe die Fehleranfälligkeit.

3 Sonstige Fälle

Für wirksam wurde die Kündigung einer Kassiererin in einem Supermarkterachtet, die bei fünf Testkäufen Waren im Einkaufswagen bzw. -korb des Testkäufers übersehen hatte. Nach Ansicht des Gerichts kam es hier nicht auf eine Fehlerquote oder den Vergleich mit Kollegen an: Die wichtigste Pflicht einer Kassiererin sei es, den Arbeitgeber vor Verlust und Diebstahl zu schützen. Diese Pflicht habe die Frau mehrfach verletzt, daher sei es dem Unternehmen nicht zuzumuten, sie weiter zu beschäftigen. Verletzt eine Kassiererin ihre Pflicht, den Kunden alle Waren auf das Band legen zu lassen, stellt dies keine Schlecht- oder Minderleistung, sondern eine „Fehlleistung“ dar (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v.18.1.2008 – 13 Sa 1916/07, AuA 11/08, S. 698).

Fertigt ein Mitarbeiter aus vermeidbaren Gründen ein anderes Produkt als das in Auftrag gegebene (Andersleistung), arbeitet er fehlerhaft, und der Arbeitgeber kann ihn abmahnen. Auch bei Massenfertigung ist der Arbeitnehmer verpflichtet, jedes einzelne Stück sorgfältig herzustellen. Selbstwenn in einem zertifizierten Betrieb ein Prüfer vorhanden ist, führt dies nicht dazu, dass der Beschäftigte weniger sorgfältig arbeiten darf (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 3.6.2008 – 2 Sa 66/08, AuA 5/09, S. 313).

Ob die geschilderten Fälle eigenen Fallgruppen neben Minderleistung und Schlechtleistung zuzuordnen sind, mag dahinstehen. Besonderheitenkönnen sich bei der Messlatte ergeben, wo aber generell eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist und eine schematische Betrachtungsweise ausscheidet.

4 Vergleichsmaßstab: Durchschnittsleistung

Die nach der Rechtsprechung des BAG als Vergleichsmaßstab geeignete Durchschnittsleistung vergleichbarer Kollegen ist so wichtig, weil sie – obwohl sie nicht als „Soll-Leistung“ definiert werden kann – einen objektiven Wert darstellt. Da hiervon für den leistungsschwachen Mitarbeitereine „Gefahr“ ausgeht, gibt es immer wieder Versuche, diesen Wert durch Begrenzung der Vergleichsgruppe zu senken (dann ist die Differenz zur Leistung des gekündigten Arbeitnehmers geringer!). So hat in dem der Entscheidung des BAG vom 11.12.2003 (a. a. O.) zugrunde liegenden Fall das LAG Hamm, nachdem das BAG die Sache zurückverwiesen hatte, der Kündigungsschutzklage erneut stattgegeben. Zur Begründung führte es u. a. aus, die vom Arbeitgeber angegebene Durchschnittsleistung der Kollegen könne – jedenfalls bei körperlichen Arbeiten – grundsätzlich nur für Gleichaltrige bzw. Angehörige der gleichen Altersstufe als Vergleichsmaßstab herangezogen werden (Urt. v. 1.2.2005 – 19 [11] Sa 1167/01,BB 2005, S. 2245).

Wichtig

Es ist deshalb sehr wichtig, dass der 2. Senat in seinem Urteil vom 17.1.2008 (a. a. O.) betont: Es kommt auf den Durchschnitt aller(!) mitvergleichbaren Arbeiten beschäftigten Mitarbeiter an.

5 Rahmenbedingungen

Allerdings muss jeder Arbeitnehmer, der sich am Durchschnitt messen lassen soll, in etwa die gleiche Chance haben, durchschnittliche Erfolge zu erzielen. Deshalb gehören zur Vergleichbarkeit z. B. bei Außendienstmitarbeitern auch die Rahmenbedingungen in den einzelnen Verkaufsgebieten. Vor diesem Hintergrund gab das BAG (Urt. v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, S. 842) der Klage eines Beschäftigten auf Entfernung einer ihm erteilten Abmahnung wegen „weit unterdurchschnittlicher Umsätze“ aus seiner Personalakte statt: Im Streitfall betrug der Höchstwert mit 6.200 NWE (= Nutzwerteinheiten = Messzahl) das 19-fache des niedrigsten Werts. Dass der Mittelwert zwischen diesen Größen eine sinnvolle Aussage über das Leistungsverhalten erlaubt, liegt umso ferner, als rund 60 % der Agenturen den Durchschnittswert unterschritten hatten und knapp 40 % sogar um mehr als ein Drittel. Dass die Erfolge einer im dünn besiedelten ländlichen Raum gelegenen Agenturkaum vergleichbar mit den Ergebnissen einer Agentur sein können, die in einer wirtschaftlich aufblühenden Metropole ihren Sitz hat, liegt auf der Hand.

Praxistipp

Chancen, eine rechtswirksame verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen, hat hier wohl regelmäßig nur das Unternehmen, das dem Arbeitnehmer eine fehlerhafte Arbeitsweise nachweisen kann, z. B. im Hinblick auf Arbeitsorganisation / Tagesplanung, Führen von Nachfassgesprächen, Nichterfüllung gegebener Zusagen etc. (Abmahnungsmuster hierzu bei Hunold, Arbeitsrecht im Außendienst, 2. Aufl. 2006, Rdnr. 719).

Abgesehen von der besonderen Situation im Außendienst ist – vor allem bei qualitativen Mängeln der Arbeitsleistung – zu beachten, dass die Gegebenheiten der Arbeitsaufgabe entscheidend für die arbeitsrechtliche Beurteilung sein können. Es gibt Arbeitsplätze, auf denen man überhaupt keine Fehler tolerieren kann. Bei anderen Arbeitsplätzen hängt die Bewertung von der Art der Tätigkeit und der Fehler ab. Bei einem Anästhesisten können fünf Fehler bei tausend Operationen verheerend sein, wohingegen fünf schlampig gespielte von 1.000 Pässen eines Fußballspielers gewiss anders zu beurteilen sind (Schmitz-Scholemann, Vortragsmanuskriptzur NZA-Jahrestagung 2008, S. 17).

6 Kalkulierte Werte als Vergleichsmaßstab?

In diesen Fällen ist Vorsicht geboten: Sofern die Fertigung eines Werkstücks nur wenige Minuten dauert (hier: geschätzte drei Minuten), kann der Arbeitgeber die Bezugsgröße „Tagesdurchschnittsleistung vergleichbarer Mitarbeiter“ nicht ermitteln, indem er unter Ansatz der kalkulierten Fertigungsdauer für ein Stück und der täglichen Arbeitszeit die Leistung pro Schicht errechnet (z. B.: 60 Minuten : 3 Minuten x 8,5 Stunden = 170 Stück). Diese Hochrechnung berücksichtigt nicht, dass während eines achteinhalbstündigen Arbeitstags die Leistungsfähigkeit – je nach Anforderung, Belastung und Eintönigkeit der Arbeit – ganz normalen Schwankungen unterliegt. Erforderlich sind vielmehr durchschnittliche Fertigungszeiten pro Stück oder Stückzahlen pro Schicht, die vergleichbare Arbeitnehmer tatsächlich erzielt haben (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v.27.5.2008 – 5 Sa 398/07, AuA 11/08, S. 697). Eine Durchschnittstagesleistung war gerade nicht getestet, sondern – ausgehend von der Fertigungsdauer für je ein Rohr – nur hochgerechnet worden.

Praxistipp

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, welche anderen Daten als Bezugsgröße in Betracht kommen. So können Unternehmen bspw. auf konkrete Erfahrungen befreundeter Firmen mit Beschäftigten auf vergleichbaren Arbeitsplätzen oder auf ein arbeitswissenschaftliches Gutachten zurückgreifen. Was der Arbeitgeber im entschiedenen Fall unternommen hatte, war jedenfalls unzureichend.

Verfügt der Mitarbeiter über praktische und aktuelle Erfahrungen in seinem jetzigen Aufgabengebiet und ist er dort schon seit Jahren tätig, können gemessene frühere eigene Durchschnittsleistungen durchaus als Vergleichsmaßstab infrage kommen.

7 Folgen der Minder- oder Schlechtleistung

In vielen Fällen – vor allem bei qualitativer Schlechtleistung – reicht der Vergleich der Durchschnittsleistung der Kollegen mit derjenigen des betroffenen Mitarbeiters nicht aus. Da ein solcher Vergleich für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umstände vortragen (BAG v.17.1.2008, a. a. O.).

Er muss auch Ausführungen zur tatsächlichen Fehlerhaftigkeit, zu Art und Schwere der Fehler und vor allem zu den Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung machen, etwa Kundenreklamationen, Kosten der Reklamationsbearbeitung, Kundenverlust, Imageschaden u. a. m.

8 Veränderte Anforderungen

Ein ca. 50-jähriger spanischer Arbeitnehmer ist seit fast 30 Jahren bei einem Automobilzulieferer in der Kunststoffverarbeitung tätig. In seiner Stellenbeschreibung sind als Anforderungen des Arbeitsplatzes an erster Stelle „Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift“ aufgeführt. Als Hauptaufgaben nennt die Stellenbeschreibung:

1. Ausführung der übertragenen Arbeiten gem. mündlichen und schriftlichen Anweisungen …

4. Teilnahme an Schulungen, z. B. über Qualitätsthemen

Die entsprechende Verpflichtung der Mitarbeiter wurde auch in einer – zu der für einen Automobilzulieferer unabdingbaren Zertifizierung abgeschlossenen – Betriebsvereinbarung festgelegt, verbunden mit der Kündigungsandrohung für Mitarbeiter mit nicht abgestellten Defiziten in der deutschen Sprache. Der spanische Beschäftigte nahm nur an einer ersten Schulung teil, an Folgeschulungen trotz festgestellter erheblicher Defizite im Schriftdeutschen und mehrerer Abmahnungen jedoch nicht mehr. Der Arbeitgeber kündigte mit Zustimmung des Betriebsrats.

Wichtig

Hier gilt zunächst Folgendes: Ändert der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind, muss erfür eine zusätzlich geforderte Qualifikation darlegen, dass es sich nicht nur um „wünschenswerte Voraussetzungen“, sondern um nachvollziehbare, arbeitsplatzbezogene Kriterien handelt. Ungeeignet ist insoweit das Festlegen rein persönlicher Merkmale (BAG, Urt. v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, AuA 9/09, S. 552 f.).

Außerdem ist das Unternehmen verpflichtet, den Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass seine Qualifikation zukünftig nicht mehr ausreicht. Nach § 92a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sollen die Betriebsparteien über die Sicherung und Förderung der Beschäftigung durch Qualifizierung beraten. § 97 Abs. 1 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Berufsbildung, wenn sich die Anforderungen am Arbeitsplatz verändern. §§ 216a und 216b Drittes Buch Sozialgesetzbuchgeben einen sozialrechtlichen Rahmen dazu (vgl. zum Thema Löw, BB 2008, S. 834).

9 Verstoß gegen das AGG?

Im Anwendungsfall war die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters inzweiter Instanz erfolgreich (LAG Hamm, Urt. v. 17.7.2008 – 16 Sa 544/08, NZA-RR 2009, S. 13 mit Anmerkung Hunold, n. rk., Az. beim BAG: 2 AZR164/08). Die Kammer sah in der Kündigung einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie meinte, die Firma habe den spanischen Kläger gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern benachteiligt, indem sie auch für seinen Arbeitsplatz das Anforderungsprofil so festlegte, dass dieser es wegen mangelnder Kenntnisse des Schriftdeutschen nicht erfüllen könne. Diese Bewertung ist falsch. Alle Mitarbeiter müssen nämlich Deutsch können. Die Stellenbeschreibungen sind für deutsche und ausländische Mitarbeiter gleich. Also fehlt es an einer Ungleichbehandlung als Voraussetzung für eine Benachteiligung.

Das Unternehmen ist aber bei langjährig Beschäftigten verpflichtet, durch eine innerbetriebliche Schulung während der Arbeitszeit die nötigendeutschen Sprachkenntnisse zu vermitteln (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v.24.1.2006 – 5 Sa 817/05, AuA 9/06, S. 562).

Andererseits hat der Mitarbeiter auch Pflichten in diesem Zusammenhang. Es unterliegt nämlich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäߧ 106 GewO, den Arbeitnehmer anzuweisen, an internen Schulungen teilzunehmen, die hinsichtlich seiner Tätigkeit geboten oder zumindest förderlich erscheinen. Die Weigerung kann eine Abmahnung rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5.10.2005 – 10 Sa 349/05, AuA 10/06, S. 625).

10 Anforderungsprofil als Messlatte?

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, Maßstab für das Messen der Leistung sei (allein) das Stellenprofil (Tschöpe, BB 2006, S. 213, 214; Wetzling/Habel, BB 2009, S.1638, 1640). Das ist jedoch differenziert zu sehen. Eindeutig ist die Sache nur, wenn der Beschäftigte keines der Anforderungsmerkmale erfüllt, was aber in der Praxis eher die Ausnahme bildet.

Regelmäßig sind in kritischen Fällen das Anforderungsprofil der Stelle und das Qualifikationsprofil des Mitarbeiters nur teilweise deckungsgleich. Welchen Erkenntnisgewinn bringt dann die Feststellung, dass der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil seiner Stelle nur zu 70% erfüllt? Ohne Darstellung der Auswirkungen der Qualifikationsmängel auf Menge und Güte der Arbeit besagt sie nichts. Insoweit enthalten Anforderungsprofile für Stellen regelmäßig keine konkreten Vorgaben.

11 Notwendigkeit und Inhalt einer Abmahnung

Macht ein Automobilverkäufer – ohne Bereicherungsabsicht – Rabattzusagen, die sich im Rahmen des Üblichen bewegen, aber nicht vom Vorgesetzten entsprechend den betriebsinternen Richtlinien vorab genehmigt worden sind, rechtfertigt dies ohne einschlägige Abmahnung keine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung (LAG Köln, Urt. v. 8.5. 2006 – 14 [8] Sa 1334/05, NZA-RR 2006, S. 519).

Ist ein Personalreferent aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung verpflichtet, für freie Stellen vorrangig interne Bewerber vorzuschlagen, können entsprechende Nachlässigkeiten ohne vorherige erfolglose Abmahnung nicht zu einer außerordentlichen Kündigung führen (LAG Köln,Urt. v. 15.5.2006 – 14 [12] Sa 43/06, NZA-RR 2007, S. 77).

Unterlässt eine Pflegekraft Pflegemaßnahmen (z. B. Lagerung), ist dies eine Pflichtverletzung. Werden nicht erbrachte Maßnahmen in die Pflegedokumentation eingetragen, begründet dies regelmäßig eine erhebliche Pflichtverletzung. Auch derartiges Fehlverhalten ist vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung grundsätzlich abzumahnen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.5.2007 – 6 Sa 441/06, NZA-RR 2007, S. 402).

Mit dem Inhalt einer Abmahnung wegen mengenmäßiger Minderleistungbefasste sich der 2. Senat des BAG im Urteil vom 27.11.2008 (a. a. 0.). Der Mitarbeiter war in der Abmahnung wegen „weit unterdurchschnittlicher Umsätze“ aufgefordert worden, wenigstens die Durchschnittsleistung der vergleichbaren Kollegen zu erreichen. Dies erscheint im Interesse einer konkreten Leistungsvorgabe auch notwendig. Andererseits ist nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 11.12.2003, a. a. 0.) die Leistungspflicht des Mitarbeiters nur subjektiv bestimmt. Darf er trotzdem aufge-fordert werden, einen objektiven Wert zu erzielen? Der 2. Senat hat am 27.11.2008 die Frage verneint: Mit der Abmahnung fordert der Arbeitgeber den Mitarbeiter auf, „durchschnittliche Produktionsergebnisse“ zu erzielen. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nicht. Der Arbeitnehmer ist nicht zur Erzielung bestimmter Arbeitserfolge verpflichtet. Die Aufforderung in einer Abmahnung kann daher nicht dahin gehen, bestimmte Erfolge zu erzielen, sondern nur dahin, die persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen.

12 Leistungspflichten konkretisieren

Erhebliche praktische Bedenken bestehen gegen die – über den entschiedenen Fall weit hinausgehende – Annahme, der Mitarbeiter dürfe in einer Abmahnung wegen Minderleistung nur aufgefordert werden, seine Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Eine Abmahnung, die sich darin erschöpft, wäre nicht ausreichend konkretisiert. Der Mitarbeiter darf und muss die tatsächlich wirtschaftliche Leistungserwartung des Arbeitgebers kennen. Der Spagat zwischen subjektiv festgelegter und ausreichend konkretisierter Abmahnung müsste nach der derzeitigen Rechtsprechung des BAG (z. B. in dem Fall zum Urteil des BAG v. 17.8.2008, a. a. O.) so aussehen:

Abmahnung wegen Minderleistung
Sehr geehrte(r) Frau/Herr …,

für den Zeitraum von … bis … haben wir für Sie eine Fehlerquote von … % ermittelt. Sie setzt sich aus folgenden Einzelfehlern zusammen: … Die durchschnittliche Fehlerquote Ihrer Abteilung betrug in dieser Zeit … Dieser Wert liegt auch der Kostenplanung für Ihre Abteilung zugrunde. Wir fordern Sie daher auf, ab sofort Ihre per-sönliche Leistungsfähigkeit voll auszuschöpfen und auf diese Art und Weise Ihre Fehlerquote zu reduzieren.

Sollte es Ihnen in den folgenden drei Monaten, also bis zum …, nicht gelingen, den Durchschnittswert zu erreichen, kann dieser Umstand nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Indiz dafür sein,

dass Sie Ihre persönliche Leistungsfähigkeit vertragswidrig nicht voll ausschöpfen und uns ggf. zur (verhaltens-bedingten) Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses berechtigen.

Mit freundlichen Grüßen

Die Auffassung von der subjektiven Leistungspflicht des Mitarbeiters stößt an Grenzen (s. auch Sächsisches LAG v. 1.10.2008, a. a. O., und Hunold, NZA 2009, S. 830). Hilfreich für die Praxis könnte es schon sein, wenn der 2. Senat anerkennen würde, dass eine wegen „unzulässig konkretisierter Leistungsvorgabe“ aus der Personalakte zu entfernende Abmahnung dennoch kündigungsrechtliche Warnfunktion entfaltet.

13 Arbeitgeberpflichten

Die Schlechtleistung eines Beschäftigten, dessen geistige Fähigkeiten beschränkt sind und der nur gleichförmige Routinearbeiten ausführen kann, stellt keinen Kündigungsgrund dar, wenn Fehler dadurch vermieden werden können, dass der Arbeitnehmer durch andere Mitarbeiter besonders geführt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schlechtleistung auf Gründe in der Person oder aber im Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist (LAG Köln, Urt. v. 17.10.2006 – 9 Sa 370/06, NZA-RR 2007,S. 294).

Eine Kündigung wegen personenbedingter Minderleistungen ist nur berechtigt, wenn feststeht, dass keine Besserung der Arbeitsleistung zu erwarten ist; hierfür kann der erfolglose Ausspruch einer Abmahnung Indiz sein. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung alles Zumutbare unternehmen, um die Ursache der Minderleistung zu erforschen und entsprechende Hilfestellungen zu versuchen. Das Unternehmen muss nachvollziehbar darstellen und ggf. beweisen, dass und warum zumutbare Organisations- und Abhilfemaßnahmen nicht versucht worden sind oder erfolglos geblieben wären (LAG Nürnberg, Urt. v. 12.6.2007 – 6 Sa 37/07, AuA 10/08, S. 632).

14 Fazit

  • Die Rechtsprechung hält daran fest, dass erhebliche Minder-oder Schlechtleistungen eines Mitarbeiters einen Grund für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung bilden können. Hat der Arbeitgeber zu den Arbeitsfehlern beigetragen, ist dies zu Gunsten des Mitarbeiters zu berücksichtigen.
  • In Zahlen gemessene Arbeitserfolge mehrerer Arbeitnehmer und ein daraus gebildeter Durchschnitt können über die Frage, ob einer dieser Beschäftigten seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft, dann etwas aussagen, wenn sie unter etwa gleichen Bedingungen erzielt wurden. Gegen die Aussagefähigkeit von Durchschnittswerten kann sprechen, dass der Höchstwert und der niedrigste Wert weit auseinanderklaffen und Leistungsunterschiede dies nicht erklären können. Das gilt insbesondere im Verkaufsaußendienst bei unterschiedlich strukturierten Verkaufsgebieten.
  • Zusätzlich zum Vergleich von Fehlerquoten muss das Unternehmen bei qualitativer Schlechtleistung zur tatsächlichen Fehlerhaftigkeit, zu Art und Schwere der Fehler und vor allem zu den Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung vortragen.
  • Soll eine Kündigung mit verändertem Anforderungsprofil der Stelle begründet werden, hat der Arbeitgeber darzulegen, dass es sich um nachvollziehbare, arbeitsplatzbezogene Kriterien handelt.
  • Die in einer Abmahnung enthaltene Aufforderung an den Mitarbeiter kann nach Auffassung des BAG nicht dahin gehen, bestimmte Erfolge zu erzielen, etwa die Durchschnittsleistungen vergleichbarer Kollegen zu erreichen, sondern nur dahin, die persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Der Arbeitgeber muss aber die Möglichkeit haben, seine konkrete Leistungserwartung dem Arbeitnehmer mitzuteilen.
  • Bei personenbedingten Minder- oder Schlechtleistungen eines Beschäftigten hat das Unternehmen bestimmte Rücksichtnahmepflichten.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 11/09