Wissen ist Macht. Hans Dietrich Genscher zitierte diesen, auch in Wirtschaftskreisen populären Stehsatz und legte den Zweck der Macht entgegen ebenso populärer Auslegungen dennoch anders aus: Wissen sei eine Macht gegen Uneinsichtigkeit, Engstirnigkeit, gegen elitäre Arroganz, Fortschrittsverweigerung und Geringachtung anderer. An diese Konjugation schloss Hans Dietrich Genscher die Bildungsformel der Zukunft an: Wissen erwerben, um zu lernen, um handeln zu können, um zusammen zu leben und um das Leben zu gestalten. Dies sei die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das weltweite Ziel, nämlich Frieden in allen Erdteilen und nachhaltige Entwicklung erreicht werde.  

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Einen besonderen Schwerpunkt der Genscher-Rede bildete das Thema „globale Interdependenz“. Durch die Öffnungen der weltweiten Gesellschaften brauche der einzelne Mensch ein Verständnis dafür, wie sich globale gegenseitige Abhängigkeiten gestalten und was sie in welchen Kontexten – Leben, Arbeiten, Wissen, Handeln – bedeuten könnten. Es geht damit um die Schlüssel zur neuen Weltgesellschaft unter einer neuen Weltordnung: „Gegenseitige Abhängigkeit wie im Zeitalter der Globalisierung für alle Bereiche des Zusammenlebens muss aber überall bewusst gemacht werden. Das gilt keineswegs nur für die Bewältigung wirtschaftlicher und finanzieller Krisen. Das gilt für die globale Friedenssicherung, das gilt für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, die uns nicht in beliebiger Nutzung und Ausnutzung überlassen sind, sondern die uns anvertraut sind zur pfleglichen Behandlung, zur Sicherung der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen.“ Hans Dietrich Genscher fügte hinzu, dass von einer friedlichen Welt nur gesprochen werden könne, wenn sie überall als gerecht empfunden werde. In diesem Kontext forderte der ehemalige deutsche Aussenminister, dass eine globale Verantwortungsgesellschaft nur durch eine globale Wissensgesellschaft machbar sei: „Und dazu gehört auch das Grundverständnis der neuen Weltordnung; dass die Stärke des Rechts gilt und nicht das Recht des Stärkeren. Das schliesst aus, auf vermeintliche, kulturelle Überlegenheiten zu pochen oder sich über die Kulturen anderer Völker zu erheben."

Jacques Delors habe, so Genscher, in seiner Bildungsvision genau diese Einsichten geltend gemacht. Deshalb sei es in der globalisierten Wissensgesellschaft essentiell, Bildung im umfassendsten Sinne des Wortes zu verstehen, nämlich als Lebensaufgabe. Und diese sei mehr, als sich berufliches Rüstzeug anzueignen. Genau dieser Appell zur „Verantwortungspolitik“ habe Jacques Delors mit seiner Kommission vorgelegt hat: Der europäische Bildungskanon für eine neue Weltordnung.

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