Der Lernerfolg durch LOL ist nicht eindeutig operationalisier- und messbar – Lernen ist ein hochkomplexes Geschehen und Evaluationsversuche reduzieren oft die Wirklichkeit. Es können lediglich Hinweise gegeben werden, welche Bemühungen unter welchen Bedingungen für welche Zielgruppen zu guten Lernergebnissen führen können. In diesem Sinne wird der Lernerfolg im Lernkonzept LOL sowohl formativ (im Prozess) als auch summativ (am Ende des Prozesses) evaluiert. Evaluation wird stärker als Reflexion und als gemeinsames Anliegen zu Beginn eingeführt und kontinuierlich umgesetzt. Peer-Feedback und Feedback durch die Facilitator*innen finden im Modus einer Beratung statt. Am Ende reflektieren die Teilnehmer*innen, ob, was und wie sich etwas an ihrem Denken und Handeln verändert hat. Der subjektive Eindruck, etwas Bedeutsames gelernt und gelehrt zu haben, ist in gewisser Weise Parameter des Lernerfolgs (vgl. Walter, 2013).

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Anmerkung der Redaktion: In diesem Artikel verwenden wir das generische Maskulinum. Damit sprechen wir sowohl Frauen als auch Männer an.

Die zunehmende Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt erfordert, dass Mitarbeiter über Kompetenzen verfügen, die ihnen eine diesbezügliche aktive Teilhabe und Mitbestimmung in der Gesellschaft und der Arbeitswelt ermöglichen. Gesellschaftliche und arbeitsbezogene Abläufe werden in Zukunft noch stärker durch komplexe Interaktionen zwischen Menschen, Maschinen und Netzstrukturen geprägt sein. Arbeitnehmer werden kollaborativer in interprofessionellen, branchenübergreifenden und internationalen Kontexten tätig – in allen Arbeitsfeldern macht die zunehmende Technisierung die souveräne Nutzung digitaler Medien unabdingbar.

Neue Technologien bieten uns vielfältige Möglichkeiten, das Lernen und Lehren (neu) zu gestalten – zum Beispiel durch die Erschaffung virtueller Realitäten, durch einfache Anwendungen mit dem Smartphone oder über soziale Netzwerke. Verantwortliche in Unternehmen sind aufgefordert, diese Zukunft des Lernens mitzugestalten – z.B. entsprechende didaktische Designs zu entwerfen. Damit ist ein Kulturwandel des Lernens und Lehrens verbunden, der das Selbstverständnis der Lernenden ebenso berührt, wie Strukturen und Konzepte beruflicher Weiterbildung.

Aktuell sehen wir die berufliche Weiterbildung von Mitarbeitern der Personalabteilungen und/oder geschäftsführenden Personen verantwortet. Gleichzeitig ist jedoch die Mitarbeiterpartizipation gefragt, sodass eine Verknüpfung von Top-down- und Bottom-up-Ansätzen geboten ist. Dafür ist die Schaffung von individuellen und informellen Lernräumen notwendig, die auf eine Selbstbestimmung der Mitarbeiter bei der Nutzung von Weiterbildungsprogrammen setzen. In diesen Lernräumen erlangen spezifische Fähigkeiten zu digitalen Anwendungen (Toolset), intra- sowie interpersonale Fähigkeiten (Skillset) sowie die Haltung (Mindset) der Mitarbeiter zu Veränderungsprozessen eine Bedeutung. Kreativität, Veränderungsbereitschaft, Selbstmanagement und Teamarbeit im hierarchiefreien Raum werden demnach unabdingbar und beeinflussen die persönliche Entwicklung und den Erfolg von Unternehmen. Sehr oft wird dabei auf die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts referenziert, mit Hilfe derer Menschen ihre eigene und die Zukunft der Gesellschaft (besser) gestalten können (vgl. Trilling & Fadel, 2009). Diese spezifischen Kompetenzen können im Rahmen eines weiterbildenden digitalen Social Learnings angebahnt werden und zur Entfaltung kommen. Der Erwerb von Kompetenzen ist dabei nicht entkoppelt von der Arbeit, sondern die Arbeit wird mit Lernerfahrungen verbunden. Digitales Social Learning kann somit als eine Form von Workplace Learning betrachtet werden (vgl. Ifenthaler, 2018).

In diesem Beitrag wird ein digitales Lernkonzept vorgestellt, das auf die ausgeführten gesellschaftlichen Herausforderungen und persönlichen Kompetenzen fokussiert und bisher in IT-Unternehmen erfolgreich zur Anwendung gekommen ist (vgl. Kühn, 2018). Die Ergebnisse des Workshops sollen hier vorgestellt werden. Grundgedanken zur Evaluation des Lernerfolgs bei der Arbeit mit dem Konzept schließen den Beitrag ab.

Eine grundlegende Konturierung des theoretischen Rahmens für digitales Social Learning steht noch aus. Das Lernkonzept Learning out Loud folgt einem konstruktivistischem Lernverständnis (vgl. Reich, 2012). Lernen wird nicht als einfache Wissensaneignung verstanden, sondern als eigenwilliger, konstruktiver und selbstorganisierter Prozess, der vor dem Hintergrund subjektiver-biographischer Lerngründe und emotional bedingt erfolgt. Lernen geschieht ebenso durch die Erfahrung von Differenz – z.B. wenn andere Teilnehmer andere Sichtweisen äußern – und durch Reflexivität. Das Lernen in der Gruppe ist demnach unabdingbar. Wenn Lernprozesse gelingen sollen, müssen Wertschätzung der Einzigartigkeit und das Gefühl der Sichtbarkeit ihn tragen. Im Lernkonzept LOL wird Lernen ermöglicht, indem ein Rahmen für wertvolle Lernerfahrungen bereitgestellt und gestaltet wird.

Anschluss findet das Konzept an weitere Lernformate, die einer modernen Arbeitswelt entsprechen: Worplace Learning (Ifenthaler, 2018), Communities of Practice (Wenger, McDermott & Snyder, 2002), Peer-to-Peer-Learning (Boud, Cohen & Sampson, 2001).

Learning out Loud (LOL) ist ein formales Lernsetting, in dessen Rahmen informelles, digitales und soziales Lernen erprobt werden kann. Das Format zielt darauf, in Unternehmen – bei und mit Mitarbeitern – eine Lernkultur zu etablieren, die der modernen Arbeitswelt angemessen ist. Namentlich knüpft LOL an das „Working out Loud“ (Stepper 2015) an, das sich dazu eignet, Veränderungen im Mindset in Unternehmen zu unterstützen: Geben statt nehmen, zusammen statt gegeneinander, Wertschätzung statt „Hauptsache ich“ – diese Haltung kann in den sogenannten Circles, in denen beim Working out Loud der Austausch stattfindet, erlernt und eingeübt werden. Im Unterschied dazu bedeutet „out Loud“ im LOL aber nicht nur, durch „visibility“ und „building relations“ Arbeitsprozesse zu unterstützen. Ziel ist vielmehr der Aufbau konkreter Kompetenzen durch einen offen gelegten Lernprozess im Sinne eines Research out Loud, Failure out Loud oder Feedback out Loud (Kühn & Marx, 2018). Dabei werden Erfahrungen mit der Erstellung von eigenem Lerncontent gemacht – somit wird eigene Wirksamkeit und Kompetenz erlebt. Am Ende steht der Aufbau eines unternehmensspezifischen digitalen Wissensbestandes, der für die weitere Personalentwicklung genutzt werden kann.

Im LOL-Set arbeitet eine Gruppe von fünf bis sieben Personen unterstützt durch eine Prozessbegleitung zusammen. Jede Person plant selbstbestimmt eine Lerneinheit, entwirft eigene Beiträge und produziert somit einen digitalen Lerncontent, der sichtbar gemacht wird. Kern von LOL ist somit, das eigene Lernen „laut“ – also sichtbar und nutzbar für andere – zu machen.

Die Gruppe ist einerseits groß genug, um differente Erfahrungen und Perspektiven einzubringen, andererseits klein genug, damit sich alle Teilnehmer aktiv beteiligen können – der persönliche Kontakt fördert die kollaborative Atmosphäre. Anders als bei einem Team im Arbeitskontext, besteht beim LOL nicht zwingend eine enge kollegiale Bindung der Personen. Es hat sich sogar bewährt, wenn die Teilnehmer aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen kommen.

Der Lerngruppe steht ein Facilitator zur Seite. Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass die Facilitatoren den Unternehmen angehören, aber am Anfang sollten auch externe Personen hinzugezogen werden – die Mitarbeiter können somit sukzessive in die Rolle der Facilitatoren hineinwachsen. Die Facilitatoren sind ist bei allen Terminen dabei, ihre prozessbegleitende Rolle besteht in der Begleitung von Lernprozessen und in der Anregung von Reflexionsprozesse. Zudem weisen sie auf „blinde Flecken“ in der thematischen und gruppenbezogenen Auseinandersetzung hin.

Ein LOL-Zyklus ist auf sieben Wochen angelegt, wobei pro Woche jeweils eine Stunde Zeit für das Treffen vorgesehen ist. Weitere ein bis drei Stunden pro Woche Selbstlernzeit müssen von den Teilnehmern investiert werden. Zwischen den Treffen, bei denen die Ergebnisse mit den anderen geteilt werden, arbeiten die Teilnehmer selbstständig an ihrem Lernziel, um für das jeweils nächste Treffen vorbereitet zu sein. Die Treffen finden in einem virtuellen Raum statt. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass eine persönliche Begegnung zu Beginn der Lernreise, das Vertrauen der teilnehmenden Personen in sich selbst und in die anderen stärkt.

Abbildung 1 zeigt den siebenwöchigen Ablauf im LOL-Set, der im Folgenden näher erläutert wird.

Tatsächlich ist LOL weniger als einmaliges Ereignis als vielmehr als dauerhafter Prozess angelegt. In dessen Verlauf lösen sich die Teilnehmer, unterstützt durch Facilitatoren, mehr und mehr vom Status der Lernenden und werden selbst zu Lehrenden, zu Produzenten von neuem Content. Das ist nicht nur didaktisch begründet, schließlich gilt „Lernen durch Lehren“ als besonders nachhaltig. Es trägt auch zum Mindset und schließlich zum Kulturwandel bei, weil die Teilnehmenden im Verlauf viele positive Erfahrungen mit informellem Lernen gesammelt und gleichsam nebenbei viele 4.0-Methoden eingeübt haben (vgl. Kühn & Marx, 2018).

Vom 2. bis 3. Mai 2019 bietet Gernot Kühn ein Facilitator-Training in Berlin an. Weitere Informationen unter www.learningoutloud.de.