HRM.de:

man in black jacket sitting on chair
Foto von Zaiqiao Ye

Herr Mauer, lassen Sie uns zu Beginn Klarheit in die Begriffswahl bringen: Wann sprechen Fachleute von einem Projekt? Ist ein Diskussionskreis von Führungskräften zu einem Thema schon ein Projekt?

Verkürzt lässt sich sagen: Ein Projekt ist ein Entwicklungsvorhaben. Es müssen Ziele hinsichtlich Qualitäten, Termine und Kosten definiert und davon Aufgaben abgeleitet werden. Angewendet auf Ihr Beispiel bedeutet dies, dass ein bloßer Erfahrungsaustausch noch kein Projekt ist. Wenn aber nun die Führungskräfte eine Strategie erarbeiten sollen, die später von einer Kommune umgesetzt werden soll – womit ein Ziel definiert ist, so wären die Aufgaben noch zu definieren und zu verteilen. Außerdem könnte der Gesprächskreis als solches ein Projekt sein, denn er muss inhaltlich und operativ organisiert werden, möglicherweise mit Teilnehmerlisten, Tagesordnung und Protokollierung.

HRM.de:

In welchen Abteilungen des öffentlichen Dienstes ist Projektarbeit bereits fest verankert?

Als Bauingenieur fällt mir sofort das Bauamt ein. Investitionsvorhaben in diesem Bereich wurden schon immer in Form von Projekten abgewickelt. Allerdings wandelt sich die Projektarbeit in diesem Bereich seit ein paar Jahren: Seit der Bevölkerungszuwachs stagniert, geht es mehr um Sanierungen als um Neubauten. Außerdem beeinflussen neue Technologien die kommunale Arbeit. Mitarbeiter sind auch hier gefordert, verstärkt interdisziplinär und in die Zukunft zu denken: wird der Bürgerdienst künftig in einzelnen Bereich online abgewickelt oder erfolgt die Informationszustellung künftig automatisierter? Fragen die es zu beantworten gilt, bevor die eigentliche Bauaufgabe für Verwaltungseinrichtungen definiert wird.

HRM.de:

Wie gut gelingt es Kommunen in der Praxis, Projektarbeit im Sinne von Nachhaltigkeit und Kooperation zu denken?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten: Die Skala reicht von ganz schwer bis sehr gut. Es gibt Mitarbeiter, die schon alleine aus ihrem Umfeld heraus die Einstellung `haben wir ja schon immer so gemacht` haben. Andere wiederum pflegen einen Stil, der ein Übermaß an Innovation vortäuscht, ohne die wirklichen Ziele im Auge zu halten. Man kann aber sagen, dass gerade die Haltung einer Behörde regelmäßig vom politisch gewählten Leiter beeinflusst wird; je nachdem ob er eine kooperative oder konservative Haltung bei seiner Belegschaft einfordert. Daraus ergibt sich, dass Veränderungen innerhalb oder für die Projektarbeit maßgeblich über die Führungskraft angestoßen werden sollten, da hierfür entsprechende Kompetenzen nötig sind.

HRM.de:

Apropos Behördenleiter: Stehen manche Projektmanager nicht vor einer Herausforderung, wenn sie abteilungsübergreifend Mitarbeiter führen sollen? Nicht jeder Abteilungschef kann Macht abgeben. Immerhin bewegen wir uns in einem politischen Bereich. Da braucht es doch Diplomatie und Rückgrat.

Die Leitungsebene hat dem eingesetzten Projektmanager die Kompetenz zu übertragen und dieses innerhalb der Behörde durchzusetzen, das muss er für sein Standing erhalten. Kompetenz, Vertrauen und Kontrolle sind wesentliche Bausteine für das Funktionieren einer Projektarbeit insgesamt – und das auf allen Ebenen. Es ist klar, dass ein Projektmanager ohne eine förmliche Kompetenz- und Verantwortungsübertragung innerhalb des Hauses bei noch so hoher persönlicher und fachlicher Kompetenz kaum erfolgreich wirken kann. Klar ist, dass je größer ein Verwaltungsapparat ist, desto klarer sind die Befugnisse zu regeln. Kleinere Projektteams sind vor diesem Hintergrund unter Umständen vorteilhafter.

HRM.de:

Und wie holt der Projektleiter Mitarbeiter ins Boot, die unter Umständen keine Projektarbeit gewohnt sind? Projektarbeit bedingt ja zum Beispiel, für Kollegen mitzudenken – im Sinne der Verantwortung für ein Gesamtziel.

Effiziente Kommunikation ist das Rückgrad der Projektarbeit. Und zwar von Anfang an: Teamsitzungen helfen, Abläufe zu erklären und jedem Einzelnen zu zeigen, wie er zum Ziel beiträgt. Sein Platz im Ganzen muss erkennbar werden. Wichtig ist es, die Stärken der einzelnen Teammitglieder einzusetzen. Derjenige, der es nur gewohnt ist, seine Stapel abzuarbeiten und sich weniger für Selbstinitiative interessiert, sollte mit seinen individuellen Fähigkeiten auch weiterhin im Team eingesetzt werden. Gleichzeitig muss er aber erkennen können, welche Rolle er im Gesamtprojekt einnimmt und dass er somit auch einen wesentlichen Bestandteil des Projektteams darstellt. Das weckt seine Aufmerksamkeit und öffnet ihn für die Teamarbeit. Projektmanagement ist durchaus ein Seilakt: man muss große Ziele nachvollziehbar herunter brechen, Leistungen objektivieren und Detaildiskussionen führen können. Auf Augenhöhe zu arbeiten und dennoch der Vorgesetzte zu sein, der den Überblick behält, das ist hier gefragt.

HRM.de:

Welche speziellen Führungstools sollten Projektleiter für die Teamarbeit einsetzen?

Teamarbeit tut vor allem dann Not, wenn verschiedene Fachleute kooperieren müssen, wie zum Beispiel Ingenieure, Wirtschaftsfachleute und Juristen. Alle sprechen verschiedene Fachsprachen. Hier sollte ein Projekt Plattformen schaffen, über die eine Verständigung ermöglicht wird, wie zum Beispiel Themen- und Ergebnisbausteine, Form- und Inhaltsvorgaben, Gesprächskreise oder Job-Hospitanzen. Im Wesentlichen liegen all diese Maßnahmen im Bereich der Kommunikation: Es geht darum, Menschen miteinander in einen offenen fachlichen aber zielorientierten Dialog zu bringen.

HRM.de:

Dazu gehört wahrscheinlich auch, die Streitigkeiten zwischen verschiedenen Ämtern zu glätten?

Ämter wetteifern oft gegeneinander um Zuständigkeiten und Budgets, das begründet immer wieder Zwistigkeiten. Richtig ist aber, dass im Sinne der Projektarbeit Mitarbeiter das Team und die Kommune als ganzes Schiff begreifen lernen müssen. Doch auch die Budgetstelle muss klar kommunizieren, für welche Aufgaben sie aus welchem Grund wie viel Ressourcen vorsieht. Damit spreche ich etwas Grundsätzliches an, welches auch auf die Projektarbeit übertragbar ist: Das Gespräch muss immer in zwei Richtungen laufen. Kein Projektbeteiligter kann sich aus der Kommunikation ausnehmen.

HRM.de:

Das ist ein guter Punkt: Ältere Mitarbeiter bemängeln in jungen Projektteams öfters, dass ihnen Informationen nicht geliefert werden. Tatsächlich sind jüngere Menschen es mehr gewohnt, sich diese selbst zu besorgen.

Dieses halte ich nur vordergründig für richtig. Warum? Weil junge Menschen zur so genannten Internet-Generation gehören, die sich online flugs besorgen, was sie brauchen oder was sie glauben zu brauchen. Das ist dann ein klarer Vorteil, wenn es geklärt ist, welche Informationen wirklich wichtig sind. Aber welche Informationen werden tatsächlich benötigt? Hier ist oft eine vorherige Recherche erforderlich, die ältere Kollegen vielfach besser beherrschen. Ich denke, dass viele Formen von Informationsorganisationen möglich sind. Wichtig ist nur, dass innerhalb eines Teams erkennbar werden muss, wo die Erwartungshaltung liegt. Was für mich selbstverständlich ist, muss für den Nächsten nicht automatisch gelten.

HRM.de:

Was halten Sie denn von Projektmanagement-Zertifizierungen, wie lohnend sind sie für Kommunen?

Wenn Sie beispielsweise bei einer Gemeinde ein Zertifizierungssiegel entdecken, was sagt es Ihnen?

HRM.de:

Nichts, ich weiß nur, dass da ein Audit gemacht wurde und eine Organisation das Projektmanagement für gut befand. Ich hörte in der Privatwirtschaft mal von einem Unternehmen, dass es ihm weniger um das Siegel als um die Inspiration ging.

Ja, genau. Darin liegt ein echter Nutzen. Die Zertifizierungsunterlagen bringen Themen auf den Tisch, auf welche die Verantwortlichen vielleicht nicht von sich gekommen wären. Außerdem kann eine Zertifizierung Qualitätsmaßstäbe definieren und implementieren. Dafür sind sie gut und dafür sollen sie sein. Ich sehe aber in der Praxis, dass die Siegel manchmal nur ein willkommenes Feigenblatt sind.

Interview: Stefanie Heine