LAG Hamm 13.01.2011 – 16 Sa 1521/09

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Foto von Gabrielle Henderson

(ArbG Bochum 09.07.2009 – 4 Ca 774/09)

Das Landesarbeitsgericht hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Auf einer Betriebsversammlung im Jahr 2007 sagte der Geschäftsführer allen Mitarbeitern eine Anwesenheitsprämie für das Jahr 2008 in Höhe von 1.000 Euro brutto unter der Voraussetzung zu, dass sie in dem laufenden Kalenderjahr keinen einzigen krankheitsbedingten Fehltag aufweisen. Eine außertariflich angestellte Mitarbeiterin war im Jahr 2008 an 24 Tagen arbeitsunfähig krank. Die Anwesenheitsprämie in Höhe von 1.000 Euro erhielt sie nicht – auch nicht anteilig. Hiergegen wandte sie sich mit einer am Arbeitsgericht Bochum eingereichten Klage. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben ihr Recht und verurteilten den Arbeitgeber, 1.000 Euro an die Mitarbeiterin zu bezahlen.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Arbeitnehmerin dieser Anspruch aus der Gesamtzusage des Arbeitgebers zusteht. Weiter führte es aus, dass die formulierte Bedingung – kein einziger Fehltag – eine Kürzungsvereinbarung darstellt, die gegen § 4a EFZG verstößt und deshalb unwirksam ist. Aus § 4a EFZG ergibt sich, dass eine Kürzung von Sondervergütungen zwar grundsätzlich erfolgen kann, aber nicht unbeschränkt zulässig ist. Insbesondere darf die Kürzung nach § 4a EFZG für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

Somit wird sichergestellt, dass nicht die gesamte Sondervergütung bereits bei geringen krankheitsbedingten Fehlzeiten entfällt. Die Regelung des Arbeitgebers, die Anwesenheitsprämie auch bei nur einem Fehltag auf Null zu kürzen, war zudem erkennbar unangemessen im Sinne des § 307 BGB, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der Bedingung führte. Da eine ergänzende Vertragsauslegung und damit auch die Reduzierung der Regelung auf einen rechtlich zulässigen Rahmen nach der Schuldrechtsreform nicht mehr in Betracht kommen, hat die Mitarbeiterin trotz ihrer Fehltage einen Anspruch auf die volle Anwesenheitsprämie.

Fazit:

§ 4a EFZG eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, ein Anreizmodell zur Reduzierung der Krankheitstage zu schaffen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten Unternehmen eine entsprechende Regelung stets schriftlich treffen. Bei der Formulierung ist Fingerspitzengefühl gefragt. Auf keinen Fall darf der Umfang der Kürzung das gesetzlich zulässige Maß überschreiten.