Problempunkt

man drinking on yellow cup while reading book
Foto von Chris Benson

Der 1972 geborene Mitarbeiter war beim beklagten Pharmaunternehmen als Einrichter in der Verpackungsabteilung beschäftigt. Nachdem das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom Dezember 2005 festgestellt hatte, beschäftigte ihn das Unternehmen zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter. Zwischen Juli 2006 und April 2008 mahnte es ihn insgesamt viermal wegen diverser Fehler bzw. Unaufmerksamkeiten bei der Arbeit ab, z. B. falsche Verfallsdaten eingerichtet, erforderliche Qualitätskontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt und Dokumentationspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Nach drei neuen, noch nicht abgemahnten Auffälligkeiten im Juli und August 2008 kündigte der Arbeitgeber ordentlich verhaltensbedingt wegen wiederholter Schlechtleistungen. In seiner Klage bestritt der Mitarbeiter einen Teil der Vorwürfe. Im Übrigen berief er sich darauf, seinen Kollegen seien ähnliche Fehler unterlaufen und er weise keineswegs eine höhere Fehlerquote auf als sie. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg.

Entscheidung

Das LAG entschied ebenfalls, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG ist und das Arbeitsverhältnis daher nicht beendet hat. Eine auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistung kann grundsätzlich eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Ob eine Schlechtleistung vorliegt, beurteilt sich einerseits nach dem Arbeitsinhalt, den der Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festlegt. Andererseits richtet sie sich nach dem persönlichen Leistungsvermögen des Arbeitnehmers: Er muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann (BAG, Urt. v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AuA 9/08, S. 564 f.).

Unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers lassen nicht zwangsläufig darauf schließen, dass er sein Leistungsvermögen nicht ausgeschöpft hat. In einer Vergleichsgruppe ist stets einer das „Schlusslicht“. Unterschreitet andererseits jemand deutlich und längerfristig den von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichten Mittelwert, handelt es sich dabei oft um den einzigen für den Arbeitgeber objektiv erkennbaren Hinweis auf eine subjektiv vorwerfbare Schlechtleistung. Dieser Konflikt ist sowohl bei quantitativen als auch qualitativen Minderleistungen nach den Grundsätzen der abgestuften Beweislast zu lösen. Der Arbeitgeber muss bei Schlechtleistungen jedoch neben der Fehlerquote noch weitere Umstände, wie Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung darlegen.

Die Beklagte ist vorliegend dieser Darlegungslast nicht gerecht geworden. Es fehlte an einem konkreten Sachvortrag dazu, dass der Kläger längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit ihm vergleichbaren ca. 30 Einrichter erheblich überschritten hatte. Hierzu hätte die Beklagte u. a. vortragen müssen, welche Fehlerquote die mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter haben sowie welcher Art und Schwere die Fehler dieser Mitarbeiter sind. Allein die Darstellung, dass auch andere Mitarbeiter bei vergleichbaren Vorfällen Abmahnungen erhalten haben, genügt nicht. Ist eine bestimmte Fehlerquote arbeitsplatzspezifisch, ist eine verhaltensbedingte Kündigung nur gerechtfertigt, wenn jemand diese Quote so beträchtlich überschreitet, dass das vertragliche Austauschverhältnis erheblich gestört ist.

Konsequenzen

Die Entscheidung zeigt, wie hoch die Hürden bei der Kündigung von sog. Low Performern liegen. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen:

  • Quantitativer Minderleistung (Menge): Ein Mitarbeiter fertigt in gleicher Arbeitszeit weniger (Gut-)Teile als seine vergleichbaren Kollegen. Die kündigungsrechtlich erhebliche Schwelle ist hier erreicht, wenn die Minderleistung größer als ein Drittel ist (BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AuA 2/04, S. 44).
  • Qualitativer Minderleistung (Schlechtleistung): Ein Arbeitnehmer produziert mehr Arbeitsfehler/Schlechtteile als seine vergleichbaren Kollegen. Hier hat die Rechtsprechung keine feste Schwelle definiert und lehnt eine solche ab.

In beiden Fällen erfolgt die prozessuale Lösung über die abgestufte Darlegungs-/Beweislast: Der Arbeitgeber hat zunächst die Mengenleistung bzw. Fehlerquote des zu Kündigenden den durchschnittlichen Zahlen der vergleichbaren Kollegen gegenüberzustellen. Danach ist es Sache des Arbeitnehmers, plausibel zu begründen, warum er trotz dieser konkreten negativen Abweichung noch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Gelingt ihm dies, muss sich der Arbeitgeber mit diesen Argumenten auseinandersetzen und sie entkräften.

Praxistipp

A und O der Kündigung von Low Performern sind messbare, dokumentierte Arbeitsvorgaben / -ergebnisse, eine saubere Aufklärung des Sachverhalts und rechtssicher ausgesprochene Abmahnungen. Bei Schlechtleistungen empfiehlt sich zudem nach jedem Fehler eine dokumentierte Unterweisung bzgl. des fehlerhaften Arbeitsschritts.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht ∙ 5/11