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KONSEQUENZEN

Die Abgrenzung ist bei Alkohol im Betrieb im Einzelfall schwierig zu treffen zwischen einer … 

  • verhaltensbedingten Kündigung: Der Arbeitnehmer verstößt gegen vertragliche Sorgfaltspflichten oder ein Alkoholverbot, ist aber nicht alkoholkrank. Hier ist i. d. R. eine erfolglose Abmahnung erforderlich, um eine Negativprognose zu begründen.
  • personenbedingten, krankheitsbedingten Kündigung: Der Arbeitnehmer leidet an Alkoholismus, was meist erst ein Sachverständigengutachten im Prozess klar belegt. Eine Abmahnung ist hier an sich wirkungslos, weil es sich um kein willensgesteuertes Verhalten handelt. Vor einer Kündigung sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter aber zu einer Therapie auffordern (LAG Hessen, Urt. v. 26.6.1986 – 12 Sa 259/86, DB 1986, S. 2608). Lehnt oder bricht er sie ab bzw. hat er danach einen Rückfall, ist die Gesundheitsprognose negativ. 

Das LAG München hat nunmehr klargestellt, dass die Anforderungen nicht überzogen sein dürfen. Ist der Arbeitnehmer in einem Arbeitsumfeld eingesetzt, in dem mit Sach- oder gar Personenschäden bei fehlender Aufmerksamkeit zu rechnen ist, kann auch eine Alkoholerkrankung an sich bereits einen ausreichenden Kündigungsgrund darstellen (LAG Hamm, Urt. v. 30.5.2006 – 12 Sa 2300/05). Nach den Unfallverhütungsvorschriften darf der Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, nicht mit dieser beschäftigen (§ 7 Abs. 2 BGV A 1: Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ v. 1.1.2004). Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (§ 15 Abs. 2 BGV A 1, sog. Relatives Alkoholverbot).

PROBLEMPUNKT

Der 1956 geborene Arbeitnehmer arbeitete als Hofarbeiter bei einem Entsorgungsfachbetrieb, der maschinell verschiedene Abfallarten sortiert, reinigt, aufbereitet und entsorgt. Für die Bearbeitung des mit Lkw angelieferten Abfalls (bis zu 25 t) wurden schwere Gabelstapler, Bagger, Lader und sonstige Fahrzeuge bis zu 35 t eingesetzt. Im Betrieb bestand aus Sicherheitsgründen ein striktes Alkoholverbot, über das 2009 schriftlich belehrt wurde. Der Mitarbeiter wurde erstmals im Januar 2010 stark alkoholisiert im Dienst angetroffen. Als sich weitere Vorfälle häuften, kündigte ihm der Arbeitgeber Anfang 2010 zweimal verhaltensbedingt. Die Kündigungen nahm er zurück, als sich der Arbeitnehmer auf eine Alkoholkrankheit berief. Er mahnte ihn stattdessen ab, weil dieser gegen das betriebliche Alkoholverbot verstoßen hatte. Eine angetretene Entziehungskur brach der Beschäftigte im Juli 2010 nach zwei Monaten ab. Ein freiwilliger Alkoholtest im August 2010 ergab einen Alkoholgehalt von über 1,8 Promille. Dafür erhielt der Hofarbeiter eine weitere Abmahnung.

Zwischen den Parteien blieb streitig, ob der Mitarbeiter sich weiteren Alkoholkontrollen verweigerte. Dasselbe galt für die Frage, ob ein Unfall, bei dem er mit einem Firmenfahrzeug einen Sachschaden verursachte, auf eine Alkoholisierung zurückzuführen war. Darüber hinaus kam er der Aufforderung des Arbeitgebers, verbindliche Unterlagen über Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zukunft einzureichen, nicht nach. Einen Nachweis darüber, dass sein tschechischer Führerschein in Deutschland gültig ist, erbrachte er ebenfalls nicht. Daraufhin kündigte ihm der Arbeitgeber im April 2011 ordentlich. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.

PRAXISTIPP

Im Falle von Alkoholauffälligkeiten im Betrieb
sollten Arbeitgeber stets doppelgleisig vorgehen:

Zum einen abmahnen und neu unterweisen über die Gefahren für die Arbeitssicherheit,
um eine spätere verhaltensbedingte Kündigung bei Alkoholmissbrauch begründen zu können.

Zum anderen Unterstützung anbieten, z. B. über Betriebsarzt, Suchthelfer/-beratungsstellen und zu einer Entziehungstherapie auffordern, um im Falle von krankhafter Alkoholsucht in der Lage zu sein, eine personenbedingte Kündigung durchzusetzen. Vorgesetzten und Werksarzt kommt bei der Kontrolle eine wichtige Rolle zu. Es empfiehlt sich, den Betriebsrat in die Gespräche einzubinden.

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 3/2013

Fotocredit: Marianne J / www.pixelio.de

ENTSCHEIDUNG

Das LAG München wies die Klage ab. Es hielt die Kündigung als personenbedingte in Form einer krankheitsbedingten Kündigung für wirksam. Ihre Rechtmäßigkeit ist – auch bei einer Alkoholkrankheit – in drei Stufen zu prüfen (BAG, Urt. v. 17.6.1999 – 2 AZR 339/98, NZA 1999, S. 1328):

1. Negative Zukunftsprognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands
2. Die hieraus zu erwartenden Auswirkungen beinträchtigen erheblich die betrieblichen Interessen.
3. Abschließende Interessenabwägung

Nach dem LAG waren diese Voraussetzungen hier erfüllt. Der Kläger war zum maßgeblichen Kündigungszeitpunkt alkoholkrank und nicht therapiert. Damit war die Gesundheitsprognose negativ. Erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen waren vorliegend bereits deshalb anzunehmen, weil der Kläger einen Arbeitsplatz mit Selbst- und Fremdgefährdungspotenzial innehatte. Es kam daher nicht darauf an, ob in der Vergangenheit Fehler, Gefährdungen und Schädigungen konkret festgestellt wurden (BAG, Urt. v. 13.12.1990 – 2 AZR 336/90).

Im Rahmen der Interessenabwägung überwogen die Schutz-/Fürsorgepflichten des Arbeitgebers (§§ 241 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB) gegenüber den Beschäftigten, Kunden etc. das Alter und die Betriebszugehörigkeit des Gekündigten. Auch als Hofarbeiter, der selbst kein Fahrzeug führt, war der Kläger den Fahrbewegungen seines Arbeitsumfelds zwingend ausgesetzt. Er kann aufgrund einer reduzierten Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit im Falle einer Alkoholisierung auf Gefahrensituationen nicht angemessen reagieren oder andere Arbeitnehmer ausreichend warnen. Trotz Abmahnung war er therapieunwillig. Durch die Weigerung, freiwillig Alkoholkontrollen ab September 2010 durchzuführen, verhinderte er zudem, Vertrauen in seine Abstinenz trotz Therapieabbruchs im Juli 2010 aufzubauen.