Problempunkt

unknown persons using computer indoors
Foto von Arlington Research

Der Arbeitgeber, der sich mit dem Betrieb von Rechenzentren sowie der Installation, Wartung und Pflege von Hard- und Software beschäftigt, überführte den Softwarebereich auf eine neu gegründete GmbH. Die restlichen Aufgaben verlagerte er auf Konzernunternehmen im Ausland. Den Mitarbeitern kündigte er – mit Ausnahme der Arbeitnehmer in der aktiven Phase ihrer Altersteilzeit. Sie beschäftigte er noch sechs bzw. neun Monate weiter. Die Arbeitsanweisungen erteilten nach Behauptung des Arbeitgebers Führungskräfte, die an anderen Standorten tätig waren. Zu den gekündigten Mitarbeitern gehört auch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, das Kündigungsschutzklage erhob. Zur Begründung führte es aus, es liege keine Betriebsstilllegung vor, weil das Unternehmen die in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer weiterbeschäftigt habe, so dass die Kündigung nach § 15 Abs. 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unwirksam sei.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg stellte fest, dass für die Beurteilung, ob eine Kündigung wirksam ist, die bei Kündigungsausspruch vorliegenden Tatsachen maßgebend sind. Spätere Entwicklungen haben keinen Einfluss mehr. Nach seiner Auffassung war daher die Kündigung des Betriebsratsmitglieds mangels tatsächlicher Betriebsstilllegung unwirksam, da der Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt plante, weitere Mitarbeiter noch für sechs bis neun Monate nach der angeblichen „Stilllegung“ weiterzubeschäftigen.

Grundsätzlich ist die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern verboten. § 15 Absatz 4 KSchG ist jedoch eine Spezialvorschrift, wenn es warum geht, ihnen ordentlich im Rahmen von Betriebsstilllegungen zu kündigen. Eine Betriebsstilllegung setzt voraus, dass der Arbeitgeber die tatsächliche Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen ihm und den Arbeitnehmern auflöst. Er hat die wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einzustellen, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzugeben. Nach außen muss sichtbar werden, dass der Betrieb seine dienende Organisation aufgibt.

Eine solche Auflösung liegt nicht vor, wenn das Unternehmen am Markt unverändert seine bisherigen Leistungen anbietet. Dies gilt auch, wenn der ausgliedernde Arbeitgeber die Tätigkeiten auf ein anderes Unternehmen überträgt, dessen Arbeitnehmer jedoch tatsächlich noch seinem Direktionsrecht  unterworfen sind. Das BAG sah darin schon früher eine unzulässige Austauschkündigung. Zwar erkannte es ebenfalls, dass eine Betriebsstilllegung vorliegen kann, sofern der Arbeitgeber nur wenige Mitarbeiter für kurze Zeit mit Abwicklungs- und Aufräumungsarbeiten weiterbeschäftigt. Hierfür nahm es jedoch eine Obergrenze von drei Monaten an. Im vorliegenden Fall wurden die Arbeitnehmer dagegen deutlich mehr als drei Monate weiterbeschäftigt. Dass sie sich in der aktiven Phase der Altersteilzeit befanden, änderte an der Entscheidung nichts.

Konsequenzen

Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern wegen Betriebsstilllegung ist in der Praxis mit vielfältigen Problemen behaftet. Wer eine solche beabsichtigt oder sich bereits in einer gerichtlichen Auseinandersetzung darüber befindet, sollte Vorsicht walten lassen. Das LAG Nürnberg hat nunmehr klargestellt, dass der Arbeitgeber zunächst zwischen der betriebsbedingten Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung nach § 1 Abs. 2 KSchG und der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Absatz 4 KSchG zu unterscheiden hat. Für die erste Variante reicht es schon, wenn der Arbeitgeber ernstlich entschlossen ist, seinen Betrieb stillzulegen. Für die zweite Alternative muss er dagegen die Organisation tatsächlich auflösen und den Betrieb stilllegen.

Selbst wenn der Arbeitgeber den Betrieb noch mit wenigen Arbeitnehmern kurzzeitig weiterführt, beträgt die zeitliche Obergrenze hierfür drei Monate. Er kann die Betriebsstilllegung nicht nach Belieben in die Länge ziehen. Ebenso kann er sie nicht so konstruieren, dass er den gesetzlichen Schutz von Betriebsratsmitgliedern umgeht. Er hat die einzelnen Voraussetzungen für die Stilllegung zu beweisen. Beachtet er die Grundsätze der Rechtsprechung nicht, muss er damit rechnen, dass die Kündigung unwirksam ist.

Nach dem LAG Nürnberg kann der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied ausnahmsweise auch vor der Stilllegung kündigen, wenn zwingende betriebliche Erfordernisse dies verlangen. Maßgeblich hierbei ist der Zeitpunkt, zu dem er die Kündigung ausspricht. Bei einem freigestellten Mitglied kommt eine vorzeitige Kündigung allerdings nicht in Betracht.

Praxistipp

Der Arbeitgeber ist gut beraten, wenn er auf die kumulativen Voraussetzungen achtet, die das LAG Nürnberg aufgestellt hat: Er darf nur wenige Arbeitnehmer  weiterbeschäftigen – und dann auch nicht länger als drei Monate. Erledigen die Mitarbeiter nur geringe Einsätze, empfiehlt es sich, dies schriftlich zu dokumentieren. Denn der Arbeitgeber muss in einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Zeitspanne beweisen. Kann er dies nicht, geht das Versäumnis zu seinen Lasten. Der Arbeitgeber muss die Kündigung nach § 15 Abs. 4 KSchG zum Zeitpunkt der Stilllegung aussprechen. Andernfalls ist eine zum früheren Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung unwirksam. Verzögert sich wiederum die Stilllegung planwidrig, kann die früher ausgesprochene Kündigung auf die tatsächliche Stilllegung nachwirken. Dies gilt nur ausnahmsweise und ist eine Frage des Einzelfalls.

RA und FA für Arbeitsrecht Dr. Christoph Abeln,

Abeln – Fachanwälte für Arbeitsrecht

Rechtsanwälte, Berlin

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - Personal-Profi - 8/08