Versicherer müssen auch dann Krankentagegeld zahlen, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Mobbing psychisch oder physische erkrankt und damit arbeitsunfähig ist. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich in einem Urteil entschieden (Az.: IV ZR 137/10).

Depressionen nach Mobbing-Attacke

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Foto von Annie Spratt

Wie das VersicherungsJournal berichtet, hatte ein angestellter Projektleiter beim verklagten Versicherer eine Krankentagegeld-Versicherung abgeschlossen. Als er infolge von Mobbing-Attacken an seinem Arbeitsplatz Symptome von Depressionen und Panikzuständen zeigte, ließ er sich vom Arzt krankschreiben. Zunächst zahlte der Versicherer anstandslos das vereinbarte Krankentagegeld. Dann beauftragte er jedoch einen Gutachter, der zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger im Prinzip zu 100 Prozent arbeitsfähig sei. Seine Krankheitssymptome beziehen sich lediglich auf den aktuellen Arbeitsplatz. Würde er bei einem anderen Arbeitgeber eine Tätigkeit aufnehmen, würde er nicht unter den Krankheitssymptomen leiden. Daraufhin stoppte der Versicherer die Zahlungen und begründete diesen Schritt damit, dass es sich nur um eine „konfliktbedingte Arbeitsunfähigkeit“ handele. Und diese rechtfertige keinen Anspruch auf Krankentagegeld.

BGH verplichtet Versicherer zu leisten

Das Gericht gab allerdings dem Kläger Recht. Begründung: Die Frage einer bedingungsmäßigen Arbeitsunfähigkeit hänge nicht davon ab, welche Ursachen und Umstände zu einer Erkrankung führen. Zwar sei Mobbing an sich keine Krankheit im eigentlichen Sinne, aber der dadurch verursachte Stress könne zu Krankheitserscheinungen führen, die einen Krankenversicherer dazu verpflichten, zu leisten. Auch wenn die Symptome durch einen Arbeitsplatzwechsel verschwinden würden und der Versicherte dann wieder arbeitsfähig wäre, begründen kein Aussetzen der Leistungspflicht. „Entscheidend ist vielmehr, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung seiner bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der konkreten Ausgestaltung nicht nachgehen kann“, heißt es in der Begründung des BGH.

Folgen von Mobbing rechtfertigen Krankentagegeld

Ein durchschnittlicher Versicherter werde zudem den Wortlaut der Versicherungsbedingungen so verstehen, dass mit dem Begriff »berufliche Tätigkeit« seine spezifische Tätigkeit gemeint ist und damit auch sein Arbeitsplatz beim bisherigen Arbeitgeber. Auf den Einwand, dass es sich im vorliegenden Fall vielmehr um ein arbeitsrechtliches Problem und nicht um ein medizinisches handele, entgegneten die Richter: „Wenn Mobbing einen Arbeitnehmer derart beeinträchtigt, dass er psychisch oder physisch erkrankt und infolgedessen arbeitsunfähig wird, kann ihm ebenso wenig wie bei anderen Krankheiten entgegengehalten werden, er müsse zunächst versuchen, die Ursache seiner Erkrankung zu beseitigen.“

Quelle: BDAE-Newsletter