Problempunkt

Die Mitarbeiterin ist beim Arbeitgeber in einem Verbrauchermarkt als Einzelhandelskauffrau im Bereich Obst und Gemüse beschäftigt. Nach dem zugrunde liegenden Formulararbeitsvertrag muss sie die Berufskleidung, die das Unternehmen zur Verfügung stellt, tragen und sich an den Kosten der Anschaffung und Pflege beteiligen. Ihr monatliches Nettoentgelt betrug im streitigen Zeitraum rund 800 Euro. Hiervon zog der Arbeitgeber die Kostenbeteiligung für die Kleidung von 7,05 Euro pro Monat ab (sog. „Kittelgeld“).

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Foto von Sarah Shaffer

Mit ihrer Klage begehrte die Mitarbeiterin die Rückzahlung der einbehaltenen Kleidungspauschale. Sie meinte, die Regelung im Arbeitsvertrag benachteilige sie unangemessen und sei unwirksam, zumal der Lohnabzug zu einer untertariflichen Bezahlung führe. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt.

Entscheidung

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der vom Lohn einbehaltenen Kostenpauschale für die Arbeitskleidung. Zwar steht es Arbeitgebern grundsätzlich frei, mit ihren Arbeitnehmern zu vereinbaren, dass Berufskleidung zu tragen ist und sie sich an den Kosten beteiligen müssen. Das gilt zumindest, wenn keine gesetzlichen Bestimmungen – insbesondere Unfallverhütungs- und Hygienevorschriften – das Tragen von Schutzkleidung vorschreiben und eine Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer nicht aufgrund einer kollektivrechtlichen Regelung ausgeschlossen ist.

Soweit eine solche Beteiligung an den Kosten – wie hier – in einem Formulararbeitsvertrag geregelt ist, darf die entsprechende Vertragsklausel den Arbeitnehmer jedoch nicht i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unbillig benachteiligen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Vorteilen, die der Mitarbeiter aus der Überlassung der Berufskleidung und ihrer Pflege durch den Arbeitgeber hat.

Im Übrigen scheidet ein Abzug des vereinbarten pauschalen Kostenbeitrags vom Nettoentgelt ebenfalls aus, wenn das Nettoentgelt unpfändbar ist. Dieses Abzugsverbot darf der Arbeitgeber auch nicht durch eine Verrechnungsabrede umgehen.

Im Streitfall konnte offenbleiben, ob die Vertragsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unwirksam ist. Das monatliche Nettoentgelt der Klägerin lag deutlich unter der Pfändungsgrenze. Daher war der Einbehalt der Kostenbeteiligung bereits wegen Verstoßes gegen die Pfändungsschutzbestimmungen unzulässig, § 850c ZPO.

Konsequenzen

Wenn der Arbeitgeber, z. B. aufgrund von Unfallverhütungs- und Hygienevorschriften, Schutzkleidung zur Verfügung stellen muss (§ 618 BGB), hat er deren Kosten – einschließlich der Reinigungskosten (LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2001 – 13 Sa 1804/00, NZA-RR 2001, S. 409) – zu tragen. Er darf sie nicht auf den Arbeitnehmer, der zum Tragen verpflichtet ist, abwälzen, § 619 BGB.

Ansonsten gehört es zur unternehmerischen Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Möglichkeiten auch das äußere Erscheinungsbild des Mitarbeiters zu bestimmen. Dieses Recht ist aber insbesondere begrenzt durch das

  • Grundrecht der Glaubensfreiheit (ArbG Hamburg, Urt. v. 3.1.1996 – 19 Ca 141/95; BAG, Urt. v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, AuA 9/03, S. 50 f.),
  • Diskriminierungsverbote (§ 1 AGG) sowie
  • Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: Bei der Einführung einer einheitlichen – nicht gesetzlich vorgeschriebenen – Arbeitskleidung hat die Arbeitnehmervertretung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen, weil es um das sog. Ordnungsverhalten geht. Dies gilt auch für die Anordnung, Namensschilder auf der Arbeitskleidung zu tragen (BAG, Beschl. v. 11.6.2002 – 1 ABR 46/ 01, NZA 2002, S. 1299).

Eine einheitliche Arbeitskleidung mit Firmenemblem, um das Erscheinungsbild und das Image des Arbeitgebers zu verbessern, verletzt grundsätzlich nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter nach § 75 Abs. 2 BetrVG. In einer Betriebsvereinbarung, die eine einheitliche Arbeitskleidung einführt, können die Betriebspartner nicht regeln, dass die Arbeitnehmer einen Teil der Kosten (hier knapp 50 %, ca. 1,75 Euro/Woche) für die Gestellung der Arbeitskleidung zu tragen haben. Dies stellt eine unzulässige Lohnverwendungsabrede dar, zu der die Betriebspartner nicht befugt sind. Nur wenn der Beschäftigte die Kleidung auch privat nutzen darf, kann dies anders zu bewerten sein (BAG, Urt. v. 1.12.1992 – 1 AZR 260/92, DB 1993, S. 990). Eine Einigungsstelle darf nicht regeln, wer die Kosten einer einheitlichen Personalkleidung zu tragen hat (BAG, Beschl. v. 13.2.2007 – 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 641).

Praxistipp

In der Praxis werden Arbeitgeber, die eine einheitliche Arbeitskleidung einführen wollen, meist die Kosten der Anschaffung und Reinigung tragen. In Betrieben mit Betriebsrat bedarf es dazu einer Betriebsvereinbarung, die Details regelt.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 7/10