Problempunkt

three people sitting in front of table laughing together
Foto von Brooke Cagle

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen. Die Klägerin war seit 1998 bei dem beklagten Drogerieunternehmen als Kassiererin und Verkäuferin angestellt. Nachdem Tageseinnahmen fehlten und sich der Tathergang nicht aufklären ließ, sprach ihr der Arbeitgeber schriftlich die fristlose Kündigung aus. Das Formular enthielt zusätzlich folgenden Passus:

„Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt. Auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet.“

Sowohl die Kassiererin als auch die Beklagte unterzeichneten das Schreiben. Später erhielt die Klägerin weitere Kündigungen. Sie erhob gegen alle Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht wies die Klagen wegen des Klageverzichts ab. Daraufhin legte die Kassiererin Berufung ein. Das LAG gab den Klagen in vollem Umfang statt und erklärte die Kündigungen für unwirksam. Hiergegen wandte sich der Arbeitgeber mit der Revision.

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatte die Kassiererin auf ihr Recht, gegen die Kündigungen zu klagen, nicht wirksam verzichtet.

Zwar kann sich ein Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichten, nach Ausspruch der Kündigung keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Handelt es sich bei der Verzichtserklärung aber um eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) nach § 305 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ist sie an den gesetzlichen Regelungen zur AGB-Kontrolle zu messen. AGB liegen vor, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter Vertragsbedingungen vorformuliert und sie für eine Vielzahl von Fällen verwenden will. Diese Voraussetzungen erfüllte die hier relevante Klausel „Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt, auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet“.

AGB sind hingegen nicht gegeben, soweit die Vertragsparteien die Vertragsbedingung im Einzelnen „ausgehandelt“ haben. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber sie ernsthaft zur Disposition stellt und dem Beschäftigten Gestaltungsfreiheit einräumt, um seine eigenen Interessen zu wahren. Der Verhandlungspartner muss die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vereinbarung zu beeinflussen. Daran fehlte es hier, so dass die Klausel nicht „ausgehandelt“ war.

Die Erklärung stellt einen sog. Klageverzichtsvertrag dar. Die Kassiererin sollte verpflichtet sein, gegen die ihr gegenüber ausgesprochenen Kündigungen keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Nach Ansicht des BAG ist ein solcher formularmäßiger Klageverzicht ohne kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Unternehmen versucht dabei, durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Mitarbeiters durchzusetzen, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Damit war der Klageverzicht unwirksam. Die Klägerin durfte sich gegen die Kündigungen gerichtlich zur Wehr setzen.

Konsequenzen

Die Entscheidung hat weit über den konkreten Fall hinaus Signalwirkung. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich bei allen von ihm vorformulierten Vertragsbestimmungen darauf achten, dass er die Belange der Arbeitnehmer nicht gänzlich missachtet. Sind die Regelungen so gestaltet, dass das Unternehmen seine Rechtsposition einseitig durchsetzt, ohne die Interessen des Beschäftigten zu berücksichtigen, kann dies zur Unwirksamkeit führen. Insbesondere in Fällen, in denen der Arbeitgeber dem Mitarbeiter elementare Rechte nehmen will, muss er prüfen, ob er ihm hierfür einen angemessenen Ausgleich gewährt.

Eine Klageverzichtserklärung nach ausgesprochener Kündigung gibt es für das Unternehmen nicht zum „Nulltarif“. Vielmehr muss es sie in bestimmter Form „erkaufen“. Hierfür kommt in erster Linie die Zahlung einer Abfindung in Betracht, aber auch die Festlegung eines Beendigungszeitpunkts, der den Arbeitnehmer begünstigt, ein Verzicht auf Ansprüche gegenüber dem Beschäftigten oder andere Vorteile für ihn. Zu beachten ist, dass der Mitarbeiter nicht schon im Voraus wirksam auf den gesetzlichen Kündigungsschutz verzichten kann, sondern erst nach Ausspruch der Kündigung.

Praxistipp

In der Praxis ist es nicht mehr möglich, formularmäßig einen wirksamen Kündigungsverzicht ohne Gegenleistung zu vereinbaren. Von einer derartigen Gestaltung ist daher abzuraten. Wegen des vom BAG verlangten Leistungs-Gegenleistungs- Verhältnisses ist Arbeitgebern stattdessen zu empfehlen, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, wenn sie eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden wollen. Dieser stellt regelmäßig nach § 305b BGB – Vorliegen einer individuellen Vereinbarung – keine AGB dar.

Von allergrößter Bedeutung ist es, hierbei eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug für den Arbeitnehmer nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu vermeiden. Unternehmen können sich die geänderte Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 144 SGB III zu Nutze machen (vgl. Lützeler/Bissels, AuA 3/08, S. 141 ff.). Danach liegt ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit der hypothetischen Kündigung vor, wenn

  • der Arbeitgeber eine Abfindung von 0,25 bis zu 0,5 Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr zahlt,
  • er betriebsbedingt unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum selben Zeitpunkt gekündigt hätte,
  • dabei die Kündigungsfrist eingehalten hätte und
  • der Mitarbeiter nicht unkündbar war.

RA Marc Spielberger, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 6/08