Problempunkt

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Foto von Luca Bravo

Ausgangspunkt des Verfahrens war die Schließung eines Betriebs durch den Arbeitgeber im Januar 2002. Obwohl der Betriebsratsvorsitzende Ende Dezember 2001 und die stellvertretende Vorsitzende Ende Dezember 2002 in den Ruhestand eingetreten waren, übten beide noch nach der Betriebsschließung ihre Betriebsratsämter aus. Sie trafen sich zu zahllosen Betriebsratssitzungen und führten eine Reihe arbeitsgerichtlicher Beschlussverfahren gegen den Arbeitgeber. Für die hierfür aufgewandte Zeit begehrten beide eine Vergütung vom Arbeitgeber. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG schloss sich der Ansicht der Vorinstanzen an. Beachtenswert an seiner Entscheidung ist die Stellungnahme zu zwei Problemkreisen: Zum einen ging es um die Frage, ob beide Kläger durch ihre Pensionierung aus ihren Ämtern als Mitglieder des Betriebsrats im Restmandat ausgeschieden sind. Zum anderen beschäftigte das Gericht, ob sie Vergütungsansprüche gegen ihren Arbeitgeber für die Freizeit, die sie für ihre Betriebsratstätigkeit aufgewendet haben, geltend machen können.

Zur ersten Frage führte das BAG aus, dass ein Betriebsrat gemäß § 21b BetrVG im Falle des Untergangs seines Betriebs ein Restmandat für den untergegangenen Betrieb ausübt. Personell setzt sich der „Restbetriebsrat“ aus den Mitgliedern zusammen, die zum Zeitpunkt des Untergangs des Betriebs dort das Amt besaßen. Das Restmandat besteht so lange, bis sämtliche Fragen, die mit der Betriebsstilllegung bzw. dem Untergang des Betriebs zusammenhängen, geklärt sind. Das BAG hob dabei ausdrücklich hervor, dass das Restmandat demnach auch über die normale vierjährige Amtszeit eines Betriebsrats hinaus fortdauern kann. Ausgehend von diesen Standpunkten schlussfolgerte es überzeugend, dass die in § 24 BetrVG genannten Gründe für das Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds aus seinem Amt nicht für das Restmandat gelten. Vielmehr ist es notwendig, bei jedem der Gründe zu überprüfen, ob er nach Sinn und Zweck auch auf das Restmandat anwendbar ist. Der Rücktritt vom Amt etwa ist jederzeit möglich und beendet auch während des Restmandats die Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds. Dagegen ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen von Betriebsschließungen durchaus üblich und kann daher nicht zum Verlust des Restmandats nach § 21b BetrVG führen, wenn dieses einen Sinn haben soll.

Im Hinblick auf die Vergütungsfrage differenzierte das BAG zunächst nach den Zeiten vor und nach Rentenbeginn der klagenden Betriebsratsmitglieder. Die Vergütungsansprüche der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden für die Zeit zwischen Betriebsschließung und ihrem Renteneinstieg in 2002 verneinte es wegen mangelnder Substantiierung. Die Klägerin habe nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, warum sie die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Dienstzeiten habe leisten müssen und warum kein Freizeitausgleich möglich gewesen sei. Die Vergütung für Betriebsratsarbeit im Ruhestand, die also während der Freizeit geleistet wurde, verneinte das BAG unter Hinweis auf das Ehrenamtsprinzip. Nach der Gesamtkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes können Betriebsräte keine Vergütung für ihre Betriebsratsarbeit verlangen. § 37 BetrVG schützt „lediglich“ vor Vermögensverlusten. Sofern Betriebsratsmitglieder Zeit für ihre Tätigkeiten aufwenden müssen, sollen sie dies während der Arbeitszeit tun. Der Arbeitgeber ist dann gehindert, das Entgelt wegen nicht erbrachter Arbeit zu kürzen – es gilt das Lohnausfallprinzip. Ist Betriebsratsarbeit aus betriebsbedingten Gründen während der Freizeit zu erbringen, kann das Mitglied Freizeitausgleich verlangen. Nur wenn dies aus betriebsbedingten Gründen innerhalb eines Monats nicht möglich ist, hat es Anspruch auf Vergütung solcher Betriebsratsarbeit wie Mehrarbeit. Das Gesetz sieht Vergütungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern nur für Ausnahmefälle vor.

Im vorliegenden Fall bestand mangels eines Arbeitsverhältnisses keine Arbeitspfl icht mehr. Ein Freizeitausgleich nach § 37 BetrVG kam daher weder unmittelbar noch per Analogieschluss in Betracht. Da es sich bei dem Betriebsratsamt um ein Ehrenamt handelt, bestehen keine Vergütungsansprüche der Kläger.

Konsequenzen

Die Vergütung von „Rentner-Betriebsräten“ ist in der Praxis selten problematisch. Die Entscheidung des BAG lässt sich aber auf wesentlich häufi gere Fallkonstellationen übertragen: Ist die Schließung eines Betriebs – etwa bei einem Asset Deal – mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden, kommt es zu einem Restmandat des Betriebsrats. Dessen Mitglieder stehen dann in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber. Nach der Entscheidung des BAG kann es keinen Zweifel daran geben, dass die Betriebsratsmitglieder, die das Restmandat ausüben, keine Freistellungs- und Vergütungsansprüche gegen den Erwerber haben. Auch für „normale“ Betriebsräte hat die Entscheidung Relevanz. Verlangen sie Mehrarbeitsvergütung für Betriebsratstätigkeit, die sie in der Freizeit geleistet haben, müssen sie dies dem Arbeitgeber gegenüber und vor Gericht gut und im Einzelnen begründen können. Ein Recht, die Betriebsratsarbeit zeitlich nach Gutdünken zu planen und dann Vergütung dafür zu verlangen, gibt es jedenfalls nicht.

Praxistipp

Betriebsräte, die ein Restmandat gemäß § 21b BetrVG ausüben, sind häufi g zugleich Mitglieder eines Übergangsbetriebsrats nach § 21a BetrVG. Der Erwerber eines Betriebs hat die Mitglieder des Übergangsbetriebsrats entgeltlich für Betriebsratszwecke des Übergangsmandats freizustellen, nicht aber für Aufgaben des Restmandats. Er sollte daher darauf achten, dass die Betriebsratsmitglieder ihm mitteilen, in welcher ihrer beiden Funktionen sie jeweils tätig sein wollen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 03/11