Problempunkt
Der zwischen den Parteien im Jahr 2000 geschlossene Arbeitsvertrag enthält eine sog. zweistufige Ausschlussfrist. Danach muss jede Seite sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen. Lehnt die Gegenseite ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen, ist innerhalb von zwei weiteren Monaten Klage einzureichen.
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002. Daraufhin erhob der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage. Das Gericht stellte im Jahr 2004 rechtskräftig fest, dass die Kündigung unwirksam ist. Im Anschluss daran klagte der Beschäftigte auf Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber lehnte dies unter Hinweis auf die vereinbarte Ausschlussfrist ab. Der Ausgang des Verfahrens hing also davon ab, ob die Ausschlussklausel wirksam war.
Entscheidung
Der 5. Senat des BAG gab dem Mitarbeiter Recht. Die vertraglich vereinbarte Ausschlussklausel ist unwirksam. Diese Feststellung ist an sich nicht neu (vgl. zur Rechtsprechung des Senats Hunold, AuA 1/06, S. 22 f.).Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, obwohl es sich hier um einen Altvertrag (Abschluss vor dem 1.1.2002) handelt. Sie setzt voraus, dass die Gesetzeslage ohne eine Ergänzung des Vertrags keine angemessene Lösung bietet, die den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung trägt. Das war hier nicht der Fall, da die Verjährungsvorschriften (§§ 194 ff. BGB) und die Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen (§ 242 BGB) eine sachgerechte Lösung ermöglichten. Eine sog. geltungserhaltende Reduktion ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen.
Konsequenzen
Es sieht so aus, als ob die ergänzende Vertragsauslegung des 5. Senats bei einer unwirksamen Widerrufsklausel für übertarifliche Zulagen in einem Altvertrag ein Einzelfall war (Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AuA 3/05, S. 179 f.). Die Praxis wird sich wohl darauf einstellen müssen, dass das AGB-Recht auch bei Altverträgen stets zu 100 % gilt (so auch Grobys, NJW-Spezial 2008, S. 114).
Praxistipp
Vereinbart der Arbeitgeber Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag, ist – außer sie entsprechend hervorzuheben und klar zu formulieren – darauf zu achten, eine dreimonatige Frist einzuhalten. Ob die Möglichkeit besteht, kürzere Ausschlussfristen in Tarifverträgen – und damit einzelvertragliche (nicht von einem solchen Tarifvertrag abweichende) Bezugnahmeklauseln zu vereinbaren –, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Im Zweifel empfiehlt sich folgende Klausel:
Verfallfristen
„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und solche, die mit dem Anstellungsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Weist die andere Vertragspartei den Anspruch zurück oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Nicht erfasst von der vorstehenden Regelung werden Ansprüche aus strafbarer oder unerlaubter Handlung.“
Dr. Wolf Hunold,
Unternehmensberater, Neuss
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 4/09