Konsequenzen

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Im Hinblick auf die Unabdingbarkeit der gesetzlichen Regelungen zum Urlaubsanspruch nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG führt die neue Rechtsprechung des BAG dazu, dass Regelungen in vielen Sonderurlaubsvereinbarungen, wonach kein Urlaubsanspruch während der Freistellungsphase besteht oder anteilig zu kürzen ist, rechtsunwirksam sind. Eine solche Regelung ist somit nur noch in Bezug auf übergesetzliche Urlaubsansprüche möglich. 


Je nach Länge der Freistellungsphase entstehen so infolge der bislang nicht einkalkulierten Urlaubsabgeltung weitere beträchtliche Kosten, die man bei Abschluss einer solchen Vereinbarung berücksichtigen muss.

Praxistipp

Zwar ist in dem Urteil nur von einer Kürzung des gesetzlichen Erholungsurlaubs durch den Arbeitgeber die Rede, doch dürfte auch damit entschieden sein, dass eine vertraglich vereinbarte Verringerung mit Blick auf § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht wirksam ist. Den Arbeitsvertragsparteien verbleibt dementsprechend nur noch die Kürzung des vertraglichen – also des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gehenden – Urlaubs. Sollte der Beschäftigtedem nicht entsprechen wollen oder sollte die Kürzung des vertraglichen Urlaubs nicht im notwendigen Umfang möglich sein, kann das Unternehmen im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 315 BGB auf die entstehenden Kosten durch die Urlaubsgewährung verweisen und den Wunsch auf Sonderurlaub ablehnen. Es ist zudem angehalten, etwaige (freiwillige) Betriebsvereinbarungen, die Ansprüche auf Sonderurlaub, Sabbatical etc. regeln, unter Beachtung dieser neuen Rechtsprechung des BAG anzupassen und ggf. zu kündigen.

 

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht 10/14


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Problempunkt

Kann ein gesetzlicher Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, hat der Arbeitgeber den restlichen, dem Arbeitnehmer nach §§ 1, 3 BUrlG noch zustehenden gesetzlichen Urlaub gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Mit seiner Entscheidung vom 30.7.1986 (8 AZR 475/84) hatte das BAG zwar die Urlaubsabgeltung dahingehend konkretisiert, dass er berechtigt ist, den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters anteilig zu kürzen, wenn dieser zur Ableistung seines Wehrdienstes im Ausland durch das Unternehmen einvernehmlich ohne Vergütung von seiner Arbeitspflicht befreit wurde. Ob auch in jedem Fall des Ruhens der Arbeitspflicht oder bei einem vereinbarten Ruhen der beiderseitigen Hauptleistungspflichten Urlaubsansprüche entstehen können, wurde von der Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10, AuA 1/12, S. 54) allerdings bislang offen gelassen.

Das BAG hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindesturlaub zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch nach (unbezahltem) Sonderurlaub abgelten muss.

Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1.1.2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011.

Das ArbG wies die Klage ab, das LAG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

Entscheidung

Nach Ansicht des BAG ordnet das BUrlG keine Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Nach § 1 hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BUrlG unabdingbar. Das Gesetz bindet den Urlaubsanspruch weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordnet es eine automatische Kürzung des Urlaubanspruchs für den Fall des vereinbarten Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Voraussetzung für das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs ist lediglich der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie die einmalige Erfüllung der Wartezeit von sechs Monaten.

Abweichende Vereinbarungen von dieser Grundregel zwischen den Arbeitsvertragsparteien, in Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen sind daher gem. § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BurlG unwirksam und hindern grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs noch ist das Unternehmen zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt. Spezialgesetzliche Regelungen, die eine Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) zulassen, sind auf den Fall des vereinbarten Sonderurlaubs nicht übertragbar, da dies keinen allgemeinen Rechtsgedanken darstellt. Der Gesetzgeber hat gerade in dem 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz keine Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs vorgesehen, obwohl die Hauptleistungspflichten ruhen.

Auch Art. 12 GG gebietet keine einschränkende Auslegung, da der Arbeitgeber gesetzlich nicht verpflichtet ist, dem Mitarbeiter unbezahlten Sonderurlaub zu gewähren. 

Das Unionsrecht zwingt ebenfalls nicht zu einer Verringerung des Urlaubsanspruchs wegen des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses. Nach der Rechtsprechung steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen, sie dürfen dabei aber die Entstehung dieses Anspruchs selbst nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen (EuGH, Urt. v. 24.1.2012 – C-282/10, „Dominguez“). Vor diesem Hintergrund ist es unionsrechtlich unbedenklich, wenn das nationale deutsche Recht auch im Falle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vereinbarten unbezahlten Urlaubs das Entstehen von Urlaubsansprüchen vorsieht.