Eissorten erfinden bei Unilever

people around table in cafeteria
Foto von AllGo – An App For Plus Size People

Wer sich bei Unilever für das Traineeprogramm UniTrain bewirbt, muss zuerst eine neue Eiscreme-Sorte erfinden: Eine Online-Anwendung versetzt den Kandidaten in die Rolle eines Unilever-Mitarbeiters im Stammwerk des Konzerns im US-Bundesstaat Vermont. Gleich in der Eingangshalle begrüßt ihn ein Kollege, er wird durch mehrere Räume des Konzerns geführt und mit der Aufgabe betraut, die Eissorte „Indian Summer“ zu kreieren.

Seit 2004 unterstützt der Konzern den Auswahlprozess von Führungsnachwuchs mit seinem eAssessment „unique.st“, das Unilever gemeinsam mit dem Recruiting-Anbieter CYQUEST entwickelt hat. „Noch vor drei Jahren lud Unilever von den 5.000 Kandidaten, die sich jährlich für UniTrain bewerben, etwa 500 zum so genannten Vortag nach Hamburg ein“, berichtet Kay Flothow, Personalchef bei Unilever Deutschland. In der Hansestadt bearbeiteten die Bewerber kognitive Leistungstests und konnten sich damit für die nächste Stufe des Auswahlverfahrens qualifizieren: das strukturierte Telefoninterview. Heute absolvieren die Interessenten stattdessen das eAssessment an ihrem privaten Rechner.

Unique.st soll ihnen die Möglichkeit bieten, Unilever besser kennen zu lernen. „Um den Kandidaten einen möglichst realistischen Eindruck von unserem Unternehmen zu vermitteln, haben wir das Werk fotografiert und die Bilder anschließend digitalisiert“, erzählt Flothow. Auch die virtuellen Charaktere, denen die Bewerber im Lauf des Assessments begegnen, basieren auf Fotografien realer Mitarbeiter.

Im Lauf des Assessments lernen die Kandidaten die fünf Einstiegsbereiche des Programms UniTrain kennen: Absatzmanagement, Finanzmanagement, Technisches Management, Supply Chain Management und den Personalbereich. Unique.st umfasst Tests, die das numerische, verbale und figural-bildhafte Denkvermögen untersuchen und sich an den drei Dimensionen der kognitiven Leistungsfähigkeit nach dem Berliner Intelligenz-Struktur-Modell orientieren. Darüber hinaus müssen die Bewerber ihre Planungs- und Problemlösungskompetenz bei der Entwicklung der neuen Eissorte unter Beweis stellen.

Gegenüber traditionellen Testverfahren bietet unique.st einige Vorteile, urteilt Flothow. „Mit dem eAssessment können wir uns den Bewerbern als innovative Arbeitgeber präsentieren.“ Darüber hinaus habe das Verfahren dem Konzern geholfen, die Recruiting-Kosten deutlich zu reduzieren. Da die Reise- und Betreuungskosten entfallen, die durch den Assessment-Tag in Hamburg entstanden sind, spare Unilever jährlich rund 75.000 Euro.

Budgets planen für die Allianz

Beim Allianz Voyager schlüpfen potenzielle Absolventen und Young Professionals in die Rolle eines Projektleiters, der einen Budgetplan für das Formel-1-Sponsoring der Allianz erstellen soll. Da der Finanzdienstleister der offizielle Sponsor des BMW-Teams ist, sind verschiedene Bereiche der Allianz-Group an dem virtuellen Projekt beteiligt. Der Kandidat lernt im Lauf der Simulation einige reale Protagonisten des Unternehmens kennen – darunter den Pressesprecher sowie Ansprechpartnerinnen aus den Bereichen Marketing Research, Controlling und der Rechtsabteilung. In einem Teammeeting geben ihm die Experten erste Informationen. Anschließend muss er sein Budget auf verschiedene Projekte aufteilen.

Auch dem Allianz Voyager liegen psychologische Testverfahren zugrunde: „Wir haben eigene Testverfahren entwickelt und in das Spiel integriert“, erzählt Psychologin Christine Kirbach von der Firma eligo, die den Voyager im Auftrag der Allianz konzipierte und umsetzte. Die Anwendung analysiert die Fähigkeiten der Kandidaten in den Bereichen Projektmanagement, Leistungsmotivation, Konfliktfähigkeit, Handlungsorientierung und Risikobereitschaft. Die kommunikativen Kompetenzen fließen ebenfalls in die Bewertung ein. Nach Abschluss des Tests erhält jeder Kandidat eine rund 15-seitige Auswertung der Ergebnisse.

Seit Mitte 2004 ist der Voyager auf CD-ROM erhältlich. Zuvor war er sieben Monate lang auf der Homepage der Allianz online. Fast 10.000 Teilnehmer haben den Voyager in diesen sieben Monaten gespielt. Die besten 33 Kandidaten lud die Allianz zu einem Karrierewochenende in das Allianz Management Institute am Starnberger See ein. Dort konnten sie an Workshops zu Themen wie Projektmanagement, Führung und Konflikt teilnehmen, Karrierecoaching und Imageberatung nutzen sowie mit Führungskräften und Vorständen der Allianz ins Gespräch kommen.

„Das Karrierewochenende war eine Netzwerkveranstaltung“, erläutert Harald Loew, Referent für Personalmarketing bei der Allianz. Eine Recruitingveranstaltung war es jedoch nicht. Denn im Unterschied zu anderen Recrutainment-Games dient der Voyager nicht der Personalauswahl. Den Teilnehmern bietet er die Möglichkeit eines spielerischen Self-Assessments. „Für die Allianz ist er ein reines Personalmarketing-Tool“, betont Loew. Im Voyager präsentiere sich der Konzern als internationaler Finanzdienstleister, dessen Karrieremöglichkeiten über die einer reinen Versicherung hinausgehen.

Dass sich das Arbeitgeberimage der Allianz durch den Voyager tatsächlich verbessert hat, zeigt eine Evaluation der Firma eligo aus dem Jahr 2004. Danach bewerten Kandidaten, die den Voyager gespielt haben, die Allianz als Arbeitgeber signifi kant positiver als Mitglieder einer Kontrollgruppe, die ihn nicht gespielt haben. „Interessant war, dass sogar Kandidaten, die den Voyager nicht zu Ende gespielt haben, letztlich ein besseres Bild von der Allianz hatten als die Vergleichsgruppe“, berichtet Kirbach. Auch die Bewerbungsneigung sei beim Spielen des Voyagers deutlich angestiegen. Und dies sogar bei der heiß umkämpften Gruppe der Right Potentials.

Mit der Deutschen Post ins Ausland

Ebenso wie die Allianz nutzt die Deutsche Post World Net Recrutainment, um an ihrem Arbeitgeberimage zu feilen. Denn das ist noch nicht so, wie die Konzernverantwortlichen es gerne hätten. „Dabei sind wir mit den Marken Deutsche Post, DHL und Postbank mittlerweile ein sehr internationaler und interessanter Arbeitgeber“, sagt Markus Olbert, Leiter eHR bei der Post. Um das Bild des Konzerns in den Köpfen potenzieller Bewerber zu verändern, hat die Post gemeinsam mit der Firma eligo den Ausbildungs-Explorer und den Self Explorer entwickelt, die seit 2005 online sind. Ähnlich wie der Allianz Voyager sind die Explorer Selbsttests, deren Ergebnisse ausschließlich den Teilnehmern, aber nicht dem Unternehmen gespiegelt werden. „Wir wollten den Usern, die unsere Karriereseiten besuchen, einen Mehrwert und berufliche Orientierung bieten“, erklärt Olbert.

Zum Beispiel den Auszubildenden: Rund 40.000 Ausbildungssuchende bewerben sich Jahr für Jahr bei dem Postkonzern, etwa 2.500 stellt das Unternehmen ein. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Bewerber nicht genau wissen, welche Ausbildungswege wir anbieten und welcher Beruf für sie der richtige ist.“ Der Ausbildungs-Explorer soll ihnen die Entscheidung erleichtern. Er stellt den Schulabgängern Fragen zu ihren Interessen und Stärken. Anschließend erhalten sie eine Empfehlung für bestimmte Ausbildungsbereiche - zum Beispiel „Informatik und Technik“ oder „Beratung und Vertrieb“. Mit einem weiteren Mausklick erhalten die Teilnehmer zudem eine Übersicht über die Ausbildungsberufe der Deutschen Post World Net. „In der Schule bekommen die künftigen Auszubildenden nur Rückmeldungen über Noten“, erläutert Maren Hiltmann von der Firma eligo: „Mit dem Ausbildungs-Explorer können sie zum Beispiel herausfi nden, ob sie eher alleine oder im Team arbeiten und besser prüfen, welche Berufe zu ihren Interessen und Neigungen passen.“ An Studenten und Young Professionals richtet sich Self Explorer des Postkonzerns. Zwei Module sind bislang online, ein weiteres ist in Vorbereitung: Der Cultural Explorer hilft den Kandidaten dabei, herauszufinden, ob sie sich für einen Auslandsaufenthalt eignen. Im Work Life Balance Explorer gehen sie der Frage nach, wie viel Wert sie auf ihr Privatleben legen. Der in Entwicklung befindliche Career Explorer soll sie bei der Entscheidung für eine Fach- oder Führungskarriere unterstützen.

„Der Self Explorer bietet Antworten auf Fragen, mit denen sich viele Absolventen beschäftigen“, erläutert Markus Olbert. Mit dem Selbsttest könne sich die Deutsche Post World Net somit als kompetenter Ansprechpartner für aktuelle Karrierefragen positionieren. „Tools wie der Self Explorer können eine wichtige Filterfunktion übernehmen“, ergänzt Maren Hiltmann, Projektleiterin bei der Firma eligo. „Durch die Digitalisierung bewerben sich viele Kandidaten beinahe wahllos bei den Unternehmen. Viele Personalchefs klagen über die schlechte Qualität der Bewerbungen.“ Der Self Explorer biete den Kandidaten Informationen über das Unternehmen. Anschließend könnten sie besser entscheiden, ob sie sich bewerben wollen oder nicht. „Diese informierten Bewerbungen sind viel brauchbarer als uninformierte“, so Hiltmann.

Quelle: personal manager 1/2006