Der Markt verändert sich immer rascher, und die Kundenbedürfnisse werden heterogener. Aus diesem Grund rief der Siemens-Konzern in der vergangenen Dekade mehrere Reorganisationsprojekte ins Leben. Sie zielten darauf ab, Wertschöpfung und Produktivität zu steigern sowie mit innovativen Ansätzen zu punkten, um eine wettbewerbsfähige Marktposition, insbesondere auf den neuen Märkten in Osteuropa, zu erreichen. Der Konzern veränderte seine Organisationsstrukturen und leitete Teilbereiche der bis dahin hierarchisch aufgebauten Linienorganisation in eine flexible, marktnahe Projektorganisation über. Dies hatte zur Folge, dass die Zahl der klassischen Managementpositionen abnahm. An diese Führungspositionen mit Personalverantwortung waren und sind jedoch traditionell Ansehen, Status, Vergütung sowie Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter geknüpft.

man standing in front of people sitting beside table with laptop computers
Foto von Campaign Creators

Siemens entschied sich, eine eigene Entwicklungslaufbahn für Projektmanager zu konzipieren und zu etablieren. Stellenbewertungen, Vergütungskonzepte, Aufstiegsmöglichkeiten, Personalentwicklungsaktivitäten und Ansehen sollten nicht mehr allein auf Führungskräfte mit disziplinärer Personalverantwortung fokussiert sein, sondern auch den Projektmanagern zugute kommen. Projektmanager und Führungskräfte der Linie wurden gleichgestellt. Da mit soll die Bedeutung dieser Mitarbeitergruppe betont, die Attraktivität des neuen Berufsbildes gesteigert und der Nachwuchs an qualifizierten Projektmanagern gesichert werden.

Um die Projektlaufbahn optimal zu etablieren, hat Siemens alle Personalprozesse hinsichtlich ihrer Hebelwirkung für das Projektmanagement analysiert. Daraus abgeleitet entstand ein Laufbahnkonzept, das sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzt:

Kompetenzmanagement

Dabei gilt es, erfolgskritische Kompetenzanforderungen zu definieren, die ein Projektmanager erfüllen muss, und – für das Gesamtunternehmen standardisiert – in einem Kompetenzmodell zu hinterlegen. Darauf aufbauend formuliert und beschreibt das Personalmanagement, über welche Fähigkeiten Projektmanager verfügen müssen, welche Aufgaben und Befugnis

se sie haben und in welcher Form ihre Entwicklung geplant ist.

Funktionsbewertung

Wesentliche Funktionen im Projektmanagement werden zunächst nach einer einheitlichen Struktur mit identischen Kriterien (zum Beispiel Projektvolumen, Organisationsgröße, Führungsspanne) bewertet. Diese Funktionen können dadurch auf einer

numerischen beziehungsweise alphabetischen Skala einander gegenüber gestellt werden. So können die Verantwortlichen

auch sehr unter schiedliche Projektmanagementfunktionen über Organisationsgrenzen hin weg miteinander vergleichen und deren Wertigkeit im Vergleich zu anderen Berufsbildern messen.

Vergütungssystem

Projekt-Incentive-Systeme oder Prämien können den Erfolg eines Projekts fördern. Voraussetzung für eine transparente Regelung ist allerdings die Definition von Projektzielen, die im Rahmen einer eigenen Vereinbarung konkretisiert werden müssen. Damit wird nach Projektabschluss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Honorierung sicht- und nachvollziehbar.

Auswahl von Projektmanagern

Auswahlentscheidungen zählen zu den wichtigsten und heikelsten Aufgaben der Führungskräfte, denn sie können weit reichende Folgen haben. Bei der Auswahl von Projektmanagern sollten Führungskräfte kompetenzbasierte Selektionsinstrumente anwenden, die die Kompetenzprofile der Mitarbeiter mit den Anforderungen des Berufsbilds Projektmanager matchen. Neben dem strukturierten Bewerberinterview erscheinen beispielsweise Projektmanagement- Assessment-Center oder Projektmanagement- Appraisals sinnvoll.

Führungssystem

In der Projektorganisation ist es wichtig, Aufgaben festzulegen, Verantwortung zu übertragen und Projektziele zu vereinbaren. Dies allein reicht jedoch noch nicht. Die Organisation muss dem Projektmanager sehr klare Befugnisse übertragen, damit er die für das Projekt übernommene Verantwortung auch ausüben kann. Gerade in einer hierarchisch geprägten Linienorganisation ist es daher erfolgskritisch, die in der Organisation verankerten Führungsinstrumente dahingehend zu erweitern.

Zertifizierung

Projektmanager sollten einen Qualitätsnachweis in Form einer Zertifizierung erwerben können, der ihre Kompetenz im Umsetzen von Projekten bestätigt. Die Zertifizierungen können sowohl externe Institutionen (zum Beispiel IPMA – International Project Management Association, PMI – Project Management Institute) als auch unternehmensinterne Einheiten vornehmen.

Potenzialanalyse

Bei der Identifikation von Potenzialträgern sollte das Unternehmen zugleich nach potenziellen Projektmanagern Ausschau halten. Konkret geht es um die Frage: Wer könnte in Zukunft (Schlüssel-)Projekte – im Hinblick auf bestimmte Komplexitätsstufen und Projektrisiken – über nehmen? Idealerweise werden erfahrene (Senior-)Projektmanager bei der Analyse hinzugezogen. Denn sie können die bisherigen Leistungen (Performance) und die Fähigkeiten (Potenziale) von Projektmitarbeitern aus der täglichen Projektpraxis einschätzen und bewerten.

Personalentwicklung

Eine ganzheitliche Personalplanung erweitert ihre Entwicklungskonzepte um Funktionen im Projektmanagement. Die Entwicklungsstufen bilden dabei die notwendigen Kompetenzen auf den jeweiligen Ebenen ab (vom Junior-Projektmanager zum Project Director). Planungsinstrument dafür ist der Entwicklungs-Check im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergesprächs zwischen Projektmanager und unmittelbarer Führungskraft, bei dem auf Basis einer Kompetenzanalyse ein konkreter Personalentwicklungsplan generiert wird.

Aus- und Weiterbildung

Um die Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern, benötigt das Personalmanagement ein Ausbildungssystem, das sich an Entwicklungsstufen orientiert und ganz auf das Berufsbild zugeschnitten ist. Dieses Projektmanagement- Curriculum sollte die Methoden und Kompetenzendes Projektmanagements vermitteln – und dabei verschiedene Lernanlässe und Trainingsmedien einbeziehen.

Unternehmenskultur

Allen Mitarbeitern im Unternehmen sollte klar sein, dass die Projektlaufbahn ebenso erstrebenswert und für den Unternehmenserfolg ebenso bedeutend ist wie die Führungslaufbahn. Diese Überzeugung kann das Topmanagement festigen, indem es die Projektlaufbahn aktiv befürwortet. Kommunikationsoffensiven, Informationsveranstaltungen und das Adaptieren der Führungsleitlinien können ebenfalls dazu beitragen, die Projektlaufbahn zu etablieren.

Elemente der Projektlaufbahn bei Siemens

Ausblick

Auch wenn sich erst nach einiger Zeit abschließend beurteilen lässt, ob die Einführung der Projektlaufbahn bei Siemens erfolgreich war, stimmt die positive Resonanz zuversichtlich. Die Grundelemente der Projektlaufbahn werden nicht als „starres Korsett“ verstanden, sondern vielmehr als strukturierter Entwicklungsrahmen, der den Geschäftseinheiten und Mitarbeitern Ansätze für eine gezielte Personalentwicklung im Projektmanagement mit flexiblem Einsatz bietet.

Literaturtipps:

Leben in Projekten.

Projektorientierte Karriere- und

Laufbahnmodelle.

Von Karl Lang und Günter Rattay.

Linde Verlag 2005.

Projektmanagement.

Von Hans-Dieter Litke und Ilonka Kunow.

Haufe 2004.

Projektmanagement für Einzelkämpfer.

Von Wilfried Reiter.

Hoffmann und Campe 2004.Quelle: personal manager 4/2005