Für meine Tante war es in den 1960er Jahren völlig klar: „Bua, wenn du kein Potschochta (Österreichisch-Steirisch für ‚ungeschickte Person‘) bist, dann wirst du Beamter!“ Die Beamtenlaufbahn mit stetig steigendem Einkommen, Beschäftigungssicherheit und klingenden Titeln war der Inbegriff beruflichen Erfolgs und damals zeitgemäß. Heute scheint die Welt eine andere: Vielfältige Lebensentwürfe und Formen von Arbeit sowie globale Möglichkeitsräume erzeugen buntere Vorstellungen von Karriereerfolg. Alles anders also, alles individuell verschieden? Nicht ganz. Denn es bleibt die Frage: Was wird aus mir? Und gleich danach: Wovon hängt das ab? Zwei Fragen, die Personen nicht nur privat, sondern auch im Berufsleben beschäftigen. Ebenfalls interessant ist diese Frage für Organisationen und Personalverantwortliche: Karrieren sind für Organisationen ein zentraler Weg, um die Entwicklung der Mitarbeiter zu steuern und damit unterschiedliche Arten von Leistungsbeiträgen abzurufen. Kein Wunder also, dass sich die Karriereforschung zentral mit diesen Fragen auseinandersetzt und mittlerweile viel Wissen über verschiedene Facetten von Karrieren generiert hat (siehe zum Beispiel Hugh Gunz und Maury Peiperl, 2007).

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Foto von yann maignan

Karriereerfolg

„Karriere machen“ heißt im Alltag meistens, beruflichen Erfolg zu haben. Das ist manchmal auch das Karriereverständnis der Forschung: Ein Individuum steigt in der organisationalen Hierarchie auf und verbessert seine Positionen. Eine erweiterte – und wohl auch bessere, weil realitätsnähere – Sicht von Karriere rückt nicht nur Aufwärts-, sondern auch Seitwärts- und Abwärtsbewegungen in den Blickpunkt. Damit verbunden ist auch die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Karriere (Everett C. Hughes, 1937). Erstere umfasst die Positionsbewegungen im Berufsverlauf, meist mit einem Fokus auf Bewegungen durch die Hierarchie und Struktur von Organisationen wie Unternehmen, Verwaltungseinrichtungen oder Non-Profit-Organisationen. Subjektive Karrieren bestehen aus der lebenslangen Sequenz von rollenbezogenen Erfahrungen und persönlichen Verarbeitungsprozessen. Auf dieser Basis konstruieren und bewerten Personen ihre individuelle Karriere.

Daraus leiten sich unterschiedliche Beurteilungskriterien für den Karriereerfolg ab. Der objektive Karriereerfolg zieht sichtbare und harte Fakten zur Beurteilung heran, wie zum Beispiel das Einkommen und seine Entwicklung oder das Ausmaß der übertragenen Führungsverantwortung, gemessen an der Zahl der unterstellten Mitarbeiter. Im Gegensatz dazu betont subjektiver Karriereerfolg die persönliche Dimension. Dazu zählen Faktoren wie die Karrierezufriedenheit und die wahrgenommenen Karriereoptionen. Empirisch zeigt sich, dass (a) Menschen auf der ganzen Welt sowohl zwischen diesen beiden Dimensionen unterscheiden als auch ein relativ differenziertes Bild von Karriereerfolg jenseits von Einkommen, Aufstieg und Zufriedenheit haben und (b) der objektive und der subjektive Karriereerfolg nicht immer synchron laufen.

Dimensionen des Karriereerfolgs

Die Arbeiten von Jon Briscoe von der Northern Illinois University (USA) und seinem Team aus der „Contemporary Cross-Cultural Career Collaboration (5C)“ belegen unter anderem, dass Personen unterschiedlichen Alters und Berufs in sieben Kulturkreisen der Welt nicht nur zwischen subjektivem und objektivem Karriereerfolg unterscheiden, sondern auch, dass weltweit durchaus differenzierte Vorstellungen von Karriereerfolgen existieren. Briscoes 5C-Studie konzentriert STST_Inserat_56x154 07.04.2008 10:22 sich auf ältere und jüngere Arbeitnehmer aus drei Berufsgruppen: Absolventen von Wirtschaftshochschulen, Krankenschwestern und -pfleger sowie Arbeiter (N=224) in elf verschiedenen Ländern (China, Costa Rica, Israel, Japan, Malaysia, Mexiko, Österreich, Spanien, Südafrika, USA und Serbien) aus den sieben zentralen Kulturclustern der Welt. Vier zentrale Dimensionen schälen sich heraus (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die vier Dimensionen des Karriereerfolgs

Eine erste Dimension bezieht sich auf die Person selbst und beinhaltet weiche Faktoren wie Zufriedenheit, Leistung, persönliche Entwicklung oder Selbstverwirklichung. Die zweite Dimension, das materielle Ergebnis, betrifft harte Faktoren. Sie umfasst Aspekte wie finanzielle Sicherheit, die Möglichkeit, materielle Güter zu kaufen, die finanzielle Unterstützung der Kernfamilie und des familiären Netzwerks sowie – vor allem in wirtschaftlich benachteiligten Ländern – die Sicherstellung des Überlebens. Die dritte Karriereerfolgsdimension ist eng mit dem Job verbunden. Als Erfolgsaspekte nennen die Befragten hier zum Beispiel Arbeitsplatzsicherheit, die Charakteristika des Arbeitsplatzes oder den eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Die vierte Dimension spricht die Beziehung zur Umwelt an, etwa die soziale Umgebung am Arbeitsplatz, das Erzielen von sozialer Anerkennung, die Einbindung in soziale Netzwerke und einen positiven gesellschaftlichen Beitrag (‚making a difference’).

Objektiver und subjektiver Karriereerfolg

Laufen objektiver und subjektiver Karriereerfolg nun synchron? Eine Studie der Interdisziplinären Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management (ivm) an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien im Rahmen des Vienna Career Panel Project (ViCaPP, www.vicapp.at) zeigt, dass Menschen recht deutlich zwischen objektivem und subjektivem Karriereerfolg unterscheiden (Abbildung 2).

Abbildung 2: Objektiver und subjektiver Karriereerfolg (Quelle: ViCaPP)

An der Studie nahmen mehr als 1.000 Wirtschaftsakademiker aus Österreich teil. Bei der Hälfte der Antworten stimmt der objektive mit dem subjektiven Karriereerfolg überein. Ein Drittel der Befragten bewertet den eigenen objektiven und subjektiven Karriereerfolg als gering. Ganz im Gegensatz dazu gehen 16,7 Prozent der Befragten davon aus, dass ihre berufliche Laufbahn sowohl objektiv als auch subjektiv hoch erfolgreich ist.

Die andere Hälfte der Studienteilnehmer ist der Auffassung, dass sich ihr objektiver Karriereerfolg deutlich von ihrem subjektiven Karriereerleben unterscheidet. Knapp ein Fünftel (20,4 Prozent) der Teilnehmer berichtet von einem hohen objektiven, aber einem geringen subjektiven Erfolg. Knapp ein Drittel (29,6 Prozent) erlebt demgegenüber einen geringen objektiven, aber hohen subjektiven Erfolg. Zugespitzt: Reichtum alleine macht also nicht glücklich und ein geringes Gehalt schließt Zufriedenheit nicht aus.

Interessant ist, dass Männer häufiger in der Gruppe der objektiv erfolgreichen, subjektiv aber unzufriedenen Personen vertreten sind. Frauen hingegen gehören häufiger der Gruppe der objektiv weniger, aber dafür subjektiv sehr erfolgreichen Menschen an. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Frauen tendenziell weniger Wert auf objektive Erfolgsmaßstäbe – wie Einkommen und Aufstieg – legen als Männer oder sich besser mit einem geringeren objektiven Erfolg arrangieren Einflussfaktoren auf den Karriereerfolg

Die Einflussfaktoren auf den Karriereerfolg

sind vielfältig und liegen auf unterschiedlichen Ebenen. Sie lassen sich in Form eines Schalenmodells mit unterschiedlichen Schichten darstellen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Schalenmodell der Einflussfaktoren auf Karrieren (Quelle: Wolfgang Mayrhofer, Michael Meyer und Johannes Steyrer 2005, S.16)

Im Kern dieses Modells stehen Karrieremuster als mehr oder weniger sichtbare Ergebnisse verschiedener Einflussfaktoren. Hinzu kommt der Karriereerfolg als Bewertung der Karrieremuster. Er umfasst häufig persönliche Zufriedenheit, Gehalt, hierarchische Position sowie fachliche oder berufliche Weiterentwicklung. Rund um diesen Kern ordnen sich zentrale Einflussfaktoren an. Zur Person gehören Persönlichkeitsmerkmale wie etwa die sogenannten „Big Five“ der Persönlichkeitsforschung, aber auch andere Eigenschaften wie die Selbstwirksamkeitsüberzeugung oder Führungsmotivation. Der Herkunftskontext umfasst sowohl die Herkunftsfamilie als auch die gegenwärtige Einbettung in soziale Beziehungen. Der Arbeitskontext stellt das berufliche Feld dar, in dem sich die Einzelnen bewegen. Beispiele dafür sind der externe Arbeitsmarkt oder die Organisation der Arbeit. Den Hintergrund dieser Einflussfaktoren bildet der gesellschaftliche und kulturelle Kontext, der wiederum in den globalen Kontext der weltweiten wirtschaftlichen und politischen Entwicklung eingebettet ist.

Zwei Fragen scheinen von besonderer Bedeutung für ein besseres Verständnis von Einflussfaktoren auf Karrieren zu sein. Erstens: Gibt es so etwas wie global wirksame Einflussfaktoren? Und zweitens: Welche Rolle spielen Faktoren jenseits der Person für den Karriereerfolg?

Globale Sichtweisen von Einflussfaktoren

Die 5C-Studie von Jon Briscoe geht unter anderem der Frage nach, ob es berufs-, altersund länderübergreifende Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Einschätzung wirksamer Karrierefaktoren gibt. Die Antwort lautet: „Nein“. Keiner der in den teilstrukturierten Interviews gewonnenen Faktoren ist universell, einige kommen dem aber doch nahe. Dazu gehören zum einen, wenig überraschend, Persönlichkeitseigenschaften sowie individuelle Arbeitsgeschichten und -erfahrungen. Zum anderen erwähnen die Befragten den Arbeitskontext – und hier vor allem arbeitsbezogene Netzwerke sowie die organisationale Situation. Bemerkenswert: Die Studienteilnehmer sehen auch Bildung, lebenslanges Lernen, eine dauernde persönliche Entwicklung sowie Unterstützung durch soziale Netzwerke außerhalb der Arbeit als bedeutsam an – alles Faktoren, die nicht direkt zur Arbeitswelt gehören. In einer sich ständig ändernden Arbeitswelt scheinen breite Qualifikationen und berufsunabhängige Netzwerke an Bedeutung zu gewinnen. Anders formuliert: Die Investition in Kultur- und Sozialkapital ist ebenfalls ein zentraler Karrierefaktor mit länder- und kulturübergreifender Gültigkeit.

Kontext und Karriereerfolg

Populäre Veröffentlichungen zum Thema Karriere betonen meist die Rolle der Person („Jeder ist seines Glückes Schmied“). Weniger prominent, aber trotzdem nicht weniger wichtig sind die kontextuellen Faktoren des Schalenmodells (Wolfgang Mayrhofer, Michael Meyer und Johannes Steyrer, 2005). Zu den meisten dieser kontextuellen Faktoren liegen Studien vor, die deren Wirksamkeit belegen.

Besonders bedeutsam ist der Faktor des Geschlechts, verstanden als gesellschaftlich konstruierte soziale Kategorie und damit Teil des Kontexts. Die Benachteiligung von Frauen im Beruf ist seit Langem gut belegt. Allerdings ändert sich das Bild, wenn auch nur langsam. Die Bildungschancen von Frauen nehmen zu und sie besetzen zunehmend auch führende Positionen in Politik und Wirtschaft. Trotzdem spielt der Geschlechterunterschied weiterhin eine wichtige Rolle. Polemischer formuliert: Objektiver Karriereerfolg ist mittelfristig männlich. Die ViCaPP-Studie unter Absolventen der WU Wien zeigt etwa, dass beim Berufseinstieg keine nennenswerten geschlechtsbedingten Unterschiede hinsichtlich des erzielten Einkommens festzustellen sind. Allerdings zeichnet sich, allen Bemühungen um Chancengleichheit zum Trotz, nach zehn Berufsjahren ein deutlicher geschlechterbezogener Unterschied ab. Das offenbaren die „virtuellen Zwillinge“ der Studie, je zwei Befragte, die sich mit Ausnahme des Geschlechts im Hinblick auf eine Fülle von Persönlichkeits- und Herkunftsmerkmalen fast vollständig gleichen. Unterschiede in den Entwicklungen lassen sich damit nicht auf häufi ge Erklärungsmuster rund um Herkunft und Persönlichkeit zurückführen. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse im Hinblick auf Einkommensunterschiede.

Der Einkommensverlauf weist am Beginn – wenn überhaupt – geringe, später allerdings zunehmende Einkommensverluste von Frauen aus. Für die Gesamtstichprobe ergibt sich für Frauen ein über zehn Jahre kumulierter Verlust von 71.321 Euro. Rechnet man Berufsunterbrechungen zur Kinderbetreuung heraus, ändert sich das Bild kaum. Noch immer gibt es einen Fehlbetrag von 61.390 Euro. Dabei spielt das dritte und vierte Jahr der Berufstätigkeit eine besondere Rolle. In diesem Zeitraum beginnt die Einkommensschere auseinanderzugehen. Das ist ein Indikator dafür, dass hier auf Basis der Eingangsphase, das heißt der ersten beiden Jahre, erste einkommensmäßig hoch relevante Karriereentscheidungen durch die Einzelnen und auch organisationale Entscheider fallen.

Erklärungen für diese Befunde liegen auf zwei Ebenen. Auf der einen Seite gibt es in der konkreten Arbeitswelt noch immer feine Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Frauen erhalten oft weniger anspruchsvoller Aufgaben und sie haben einen geringeren Zugang zu karriererelevanten Kontakten. Außerdem konfrontieren Kollegen und Vorgesetzte sie häufiger mit negativen Stereotypen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Auf der anderen Seite spielen wohl Selbstselektionseffekte der Frauen eine Rolle. Vielfach lösen sich Frauen aus eigenem Antrieb von traditionellen Erfolgsmaßstäben und nutzen vielfältigere Lebensentwürfe: Ihnen erscheinen häufiger als Männern Karrierewege attraktiv, die einkommensmäßig zwar Nachteile bringen, aber dennoch zufrieden machen.

Abbildung 4: Geschlecht und objektiver Karriereerfolg (Quelle: Guido Strunk, Anett Hermann und Susanne Praschak 2005, S. 239)

Ausblick

Aus den oben dargestellten Konzepten und Ergebnissen lassen sich mehrere Ansatzpunkte für eine verbesserte Personalpraxis ableiten. Ein erster Punkt betrifft die hohe Bedeutung von Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie permanentes individuelles Lernen. Das ist nicht nur für die Einzelnen ein subjektiv wahrgenommener Erfolgsfaktor für Karriere, sondern im Sinne der Investition in Karrierekapital auch für Organisationen von Bedeutung.

Zweitens eröffnet die Dualität von subjektiver und objektiver Karriere einen deutlich größeren Handlungsspielraum für organisationales Karrieremanagement. Nicht mehr allein die objektive Karriere mit ihrem Fokus auf hierarchischem Aufstieg und Steigerung des individuellen Einkommens ist ein Gestaltungsfeld, sondern auch die subjektive Karriere. Damit kommt dualen oder trialen Karrieresystemen, die Optionen für Fach-, Führungs- oder Projektkarrieren eröffnen, betrieblichen Anreizsystemen oder auch Fragen der entwicklungsfördernden Arbeitsgestaltung eine erhöhte Bedeutung zu.

Drittens sollten Arbeitgeber insbesondere bei der Gestaltung der Einstiegsjahre und der ersten Karrieretransitionen mit ‚Sortierungscharakter’ innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre auf offene und verborgene Barrieren für Frauen achten. Das wiederum hat potenzielle Konsequenzen für die Personalauswahl und -einführung oder für Angebote wie Mentoring, die über die Einführungsphase im engeren Sinne hinausgehen.

Viertens spielen die Erkenntnisse über das Zusammenspiel von subjektivem und objektivem Karriereerfolg eine wesentliche Rolle in der Gewinnung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Diskussion um Mitarbeiterbindung. Erst eine Gestaltung von Anreizsystemen, die beide Aspekte – also Recruiting und Retention – berücksichtigt, verspricht den gewünschten Erfolg.

Literaturtipps

Handbook of Career Studies. Hrsg. von Hugh Gunz und Maury Peiperl, Sage 2007. Contextual Issues in the Study of Careers. Von Wolfgang Mayrhofer, Michael Meyer und Johannes Steyrer, in: Handbook of Career Studies, hrsg. von Hugh Gunz und Maury Peiperl, Sage 2007, S. 215-239.

macht?erfolg?reich?glücklich? Einflussfaktoren auf Karrieren. Von Wolfgang Mayrhofer, Michael Meyer und Johannes Steyrer, Linde 2005.

Quelle: personal manager - Ausgabe 4/2008