Für viele Unternehmen stellt die Geschäftstätigkeit über die Ländergrenzen hinweg nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel dar. In diesem Zusammenhang ist die effiziente Kooperation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern verschiedener Länder ein zentraler Erfolgsfaktor international tätiger Unternehmen.

pen, notebook, and smartphone on table
Foto von Dose Media

International eingesetzte Führungskräfte sehen sich nicht nur rechtlichen, technologischen und kulturellen Neuerungen im Gastland gegenüber, sondern haben zusätzlich die anspruchsvolle Aufgabe, Mitarbeiter aus einer anderen Kultur erfolgreich zu führen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf international eingesetzte Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Interkulturelle Mitarbeiterführung wird verstanden als die Beeinflussung der Einstellungen und der Verhaltensweisen von Mitarbeitern, die in der Regel einer anderen Kultur angehören als die Führungskraft.

In der Unternehmenspraxis ist häufig zu beobachten, dass länderübergreifende Kooperationen bereits in der Startphase scheitern oder dass die Ziele interkultureller Projekte nicht umgesetzt werden. Neben erheblichen Kosten führen gescheiterte länderübergreifende Kooperationen bei Führungskräften zu der Wahrnehmung, dass man mit dem Einsatz in solchen Projekten auf ein Abstellgleis geschoben wird.

Eine Ursache der dargelegten Probleme liegt darin, dass die internationalen Aktivitäten nicht hinreichend durch Strukturen im Unternehmen unterstützt und teilweise sogar behindert werden. In Unternehmen kann man beobachten, dass einzelne Bereiche optimiert und andere, ebenfalls wichtige Bereiche, vernachlässigt werden. Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen wird daher darin gesehen, den länderübergreifenden Einsatz von Führungskräften auf der Basis eines umfassenden Ansatzes zu managen. Der Ansatz Intercultural-Leadership- Excellence (I-LEAD) greift eine entsprechend umfassende Perspektive auf. Er wurde im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojektes am Fachgebiet für Marketing und Personalmanagement der TU Darmstadt entwickelt.

Charakterisierung des I-LEAD

Im Kern konzentrieren wir uns in diesem Ansatz auf folgende Aspekte: Von welchen Faktoren hängt der Erfolg international eingesetzter Führungskräfte direkt ab? Der Erfolg der interkulturellen Führung hängt direkt von der Führungskraft selbst sowie von den geführten Mitarbeitern ab. Von welchen Rahmenbedingungen hängt der Erfolg international eingesetzter Führungskräfte indirekt ab? Eher indirekten Einfluss haben unternehmensbezogene Rahmenbedingungen. Das Fehlen unterstützender Rahmenbedingungen muss durch die Führungskraft ausgeglichen werden und entzieht ihr Ressourcen für die eigentliche Aufgabenstellung. (Tab. 1)

Um den Erfolg interkulturell eingesetzter Führungskräfte zu messen, werden diverse Kennzahlen genutzt. Hier das Beispiel der Dimension „Interkulturelles Controlling“, die mit Kennzahlen beleuchtet und bewertet werden kann. (Tab. 2)

Umsetzung des I-LEAD

Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie auf Basis des I-LEAD ihren internationalen Erfolg steigern können. Bei der Umsetzung des I-LEAD durchlaufen Unternehmen einen mehrstufigen Prozess. Dieser reicht von der Analyse der interkulturellen Führungssituation bis hin zur Kontrolle des Erfolges. In der Analysephase (Phase 1) erfolgt die Auswertung der Stärken und der Schwächen in Bezug auf die Einfluss faktoren anhand von Checklisten. Für jede I-LEAD-Dimension werden unterschiedliche Fragen herangezogen. Mit Hilfe der Checklisten werden im Unternehmen Interviews mit Ansprechpartnern unterschiedlicher Unternehmensebenen und -abteilungen geführt (etwa mit Führungskräften und Personalverantwortlichen). Anschließend erfolgt eine quantitative Auswertung der gesammelten Daten.

Die Ergebnisse der Auswertung lassen sich grafisch anhand eines Stärken- Schwächen-Profiles darstellen (Phase 2). In der Unternehmenspraxis lassen sich vier Profile beobachten. Strategisches interkulturelles Management zeichnet sich dadurch aus, dass die langfristige Orientierung eines Unternehmens auf die Überbrückung interkultureller Distanzen ausgerichtet ist. Die Wichtigkeit internationaler Kooperationen ist in den langfristigen Zielen des Unternehmens verankert. Ein entsprechender Transfer der Strategie auf die Ebene der Führungskräfte findet nicht statt. Auch die Strukturen (wie die Organisationsstruktur) und die Systeme (wie die Personalentwicklung) sind noch nicht auf die internationalen Anforderungen ausgerichtet.

Von organischem interkulturellen Management sprechen wir dann, wenn die weichen Faktoren, wie insbesondere die Kultur sowie die Einstellungen und die Verhaltensweisen von Führungskräften und Mitarbeitern, auf die internationale Zusammenarbeit ausgerichtet sind. Es fehlt eine umfassende Verankerung der Internationalisierungsaktivitäten in der Strategie sowie eine entsprechende Ausrichtung der Prozesse und der Systeme. Liegt der Fokus der Aktivitäten auf der Gestaltung der Strukturen und Prozesse, so ist dies kennzeichnend für ein technokratisches interkulturelles Management. Faktoren, wie die Unternehmenskultur oder die Einstellungen und die Verhaltensweisen von Führungskräften und Mitarbeitern, werden vernachlässigt.

Sind alle Dimensionen des I-LEAD gleichermaßen hoch ausgeprägt, so spricht man von einer ausgewogenen Unterstützung der international tätigen Führungskraft durch das Unternehmen.

Auf der Grundlage der identifizierten Schwächen erfolgen in Phase 3 das Formulieren und Priorisieren von Maßnahmen zur Verbesserung des Erfolgs der Führungskraft. Wenn die Schwäche im Unternehmensprofil beispielsweise eine schwach ausgeprägt interkulturelle Personalentwicklung ist, gilt es nun konkret festzustellen, in welchen Bereichen die Schwächen bestehen. Hierbei hilft eine Systematisierung der Instrumente der Personalentwicklung. Die Systematisierung basiert auf drei Leitfragen:

  • Um welche Art von Zusammenarbeit handelt es sich? (virtuell oder vor Ort)
  • An wen richten sich die Personalentwicklungsmaßnahmen? (Führungskraft und/oder Mitarbeiter)
  • Zu welchem Zeitpunkt erfolgen die Personalentwicklungsmaßnahmen? (vor, während, nach internationaler Zusammenarbeit)

Eine Systematisierung der internationalen Personalentwicklungsmaßnahmen auf der Grundlage der Leitfragen macht sichtbar, welche Bereiche nicht oder wenig durch den Einsatz geeigneter Instrumente unterstützt werden. In der Unternehmenspraxis bieten Unternehmen in der Projektvorbereitung oft eine gute Unterstützung. Die nachgelagerten Phasen werden meist vernachlässigt. Darüber hinaus wird den Mitarbeitern zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. (Abb.)

 

 
 

Da sich verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung der Führungskraft anbieten, aber nur ein begrenztes Budget zur Verfügung steht, müssen diese auf der Grundlage ihres Beitrags zur Zielerreichung und ihrer Kosten priorisiert werden. Anschließend kann man mit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen beginnen (Phase 4).

Um zu überprüfen, ob die Implementierung der Verbesserungsmaßnahmen zur Verbesserung des Erfolges beigetragen hat, muss eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden (Phase 5). Neben ökonomischen Kennzahlen ist es wichtig, die Erfolgskontrolle durch psychosoziale Erfolgsgrößen zu ergänzen. Darüber hinaus müssen situative Komponenten berücksichtigt werden. Beispielhaft sind politische Rahmenbedingungen im Gastland oder das Ausbildungsniveau der Mitarbeiter zu nennen.

Ausblick

Im Zusammenhang mit der Sicherstellung des Erfolges international eingesetzter Führungskräfte werden Unternehmen nicht daran vorbeikommen, ihr Management in zentralen Bereichen auf die Unterstützung der Führungskraft auszurichten. Der I-LEAD identifiziert und systematisiert Bereiche, die direkten oder indirekten Einfluss auf den Erfolg der Führungskräfte haben. Der Erfolg einer international eingesetzten Führungskraft hängt eben nicht nur von deren Ausstattung mit finanziellen und technischen Ressourcen ab, sondern auch von der Unterstützung durch unterschiedliche Unternehmensbereiche.

Lesetipp:

Ruth Stock-Homburg: Personalmanagement – Theorien – Konzepte – Instrumente.

Gabler Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN-103834905208,

39,90 Euro

Quelle: PERSONAL 10/2008