3. Herausforderung:
Unterscheidung von Masse- und Insolvenzforderungen
Der Tag der Bekanntmachung der Insolvenz entscheidet über die Einteilung der Forderungen in zwei Kategorien: Insolvenzforderungen und Masseforderungen. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil Abwicklung und Besteuerung völlig unterschiedlich sind:

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Foto von Perry Grone

Masseforderungen entstehen beginnend mit dem Tag, der auf die Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung folgt, und sie sind vom Insolvenzverwalter laufend bei Fälligkeit zu bezahlen.

Insolvenzforderungen sind alle Forderungen, die bis zum und am Tag der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Zusätzlich gelten bestimmte Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer als Insolvenzforderungen, weil es das Gesetz ausdrücklich anordnet. Insolvenzforderungen dürfen nur mehr durch Verteilung der Insolvenzmasse bezahlt werden. Sprich: Der Betrag, der bei Abschluss des Insolvenzverfahrens noch übrig ist, wird verteilt. Die Gläubiger – zum Beispiel Dienstnehmer, Lieferanten oder das Finanzamt – melden sie im Insolvenzverfahren bei Gericht an. Generell werden sie nur mit der Insolvenzquote befriedigt. Das heißt, die Gläubiger erhalten in der Regel nur einen Prozentsatz der ursprünglichen Forderung, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Die Insolvenzquote errechnet sich aus dem Verhältnis der Insolvenzmasse zur Summe aller Verbindlichkeiten. Die Forderungen von Arbeitnehmern und Freien Dienstnehmern sind aber durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert.

Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgelehnt, sind die Ansprüche der Arbeitnehmer und Freien Dienstnehmer ebenfalls durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert.

Die Lohnabgaben (zum Beispiel Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge an die Mitarbeitervorsorgekasse, Lohnsteuer und Kommunalsteuer) werden, je nachdem ob sie mit Insolvenzforderungen oder Masseforderungen der Arbeitnehmer zusammenhängen, selbst auch zu Insolvenzforderungen oder Masseforderungen. Darum muss die Personalverrechnung im Monat der Insolvenzeröffnung auch zwei Beitragsnachweisungen an die Gebietskrankenkasse übermitteln: eine für die Insolvenzforderungen und eine für die Masseforderungen.


4. Herausforderung:
An wen können sich Arbeitnehmer wenden?

Arbeitnehmer, die Arbeiterkammerumlage bezahlen oder Mitglied einer Gewerkschaft sind, können sich an die Insolvenzkontaktstellen der Arbeiterkammer wenden. Der Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen (ISA) berät und vertritt sie unentgeltlich. Freie Dienstnehmer sind ebenfalls Arbeiterkammermitglieder und haben diese Möglichkeit auch.

Die ISA ermittelt die Forderungen der vertretenen Arbeitnehmer und Freien Dienstnehmer auf Basis der zur Verfügung gestellten Unterlagen und macht sie im gerichtlichen Insolvenzverfahren und gegenüber der IEF Service GmbH geltend. Arbeitnehmer sollten diese Beratung rasch in Anspruch nehmen, weil ihr Entgelt nur durch den Fonds gesichert ist, wenn sie bestimmte Fristen einhalten oder bei Zahlungsverzug rechtzeitig den Austritt erklären.

 

5. Herausforderung:
Welche Forderungen übernimmt der Insolvenz-Entgelt-Fonds?

Die IEF Service GmbH verwaltet den Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) und gewährt nach Prüfung der Ansprüche Insolvenz-Entgelt für vom Arbeitgeber nicht bezahlte Forderungen. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds tritt im Gegenzug in die Forderungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ein und hat einen Anspruch auf Zahlung der Quote im Insolvenzverfahren. 

Anspruch auf Insolvenzentgelt haben Arbeitnehmer, Lehrlinge, freie Dienstnehmer, Heimarbeiter und allenfalls die Hinterbliebenen dieser Personen. Voraussetzung ist, dass die österreichische Sozialversicherung zuständig ist. Mitarbeiter, die in einer ausländischen Niederlassung des Arbeitgebers beschäftigt sind und nicht der österreichischen Sozialversicherung unterliegen, können nur nach dem Insolvenz-Entgelt-Sicherungssystem dieses anderen Staates Ansprüche geltend machen.

Gesellschafter, die einen beherrschenden Einfluss auf die Arbeitgebergesellschaft ausüben können, Vorstandsmitglieder einer AG und Werkvertragnehmer haben keinen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt und erhalten daher nur die Quote bei Beendigung des Insolvenzverfahrens.

Der Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) sichert das Entgelt der letzten sechs Monate vor Insolvenzeröffnung. Ist noch Entgelt offen, das länger als sechs Monate vor der Insolvenzeröffnung fällig war, so gebührt nur Insolvenz-Entgelt, wenn der Arbeitnehmer diese Ansprüche binnen sechs Monaten ab ihrem Entstehen gerichtlich geltend gemacht hat. Verjährte und verfallene Ansprüche werden nicht vom IEF gesichert. Dabei sind die Verfallsfristen des jeweiligen Kollektivvertrages besonders zu beachten.

Es gelten auch Betragsgrenzen: Das monatliche Brutto-Entgelt, das über die doppelte monatliche Höchstbeitragsgrundlage (die einfache Höchstbeitragsgrundlage beträgt 2016 4.860 Euro) hinausgeht, ist nicht gesichert. Für Abfertigungen gelten abweichende Betragsgrenzen. Freiwillige Abfertigungen deckt der IEF nicht. Für nicht gesicherte Forderungen steht ebenfalls nur die Quote bei Beendigung des Insolvenzverfahrens zu.

Zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört auch die Anfechtung von Zahlungen vor Insolvenzeröffnung, wenn dadurch beispielweise einzelne Gläubiger gegenüber der Gesamtheit der Gläubigerschaft begünstigt wurden oder noch Zahlungen vorgenommen wurden, nachdem das Unternehmen schon zahlungsunfähig war. Auch Zahlungen von Arbeitnehmerbezügen vor Insolvenzeröffnung kann der Insolvenzverwalter anfechten. Werden die angefochtenen Lohn- und Gehaltszahlungen prinzipiell vom IEF abgedeckt, müssen die Arbeitnehmer sie aber in der Regel nicht selbst an den Insolvenzverwalter zurückzahlen, sondern der Fonds wickelt die Rückzahlung direkt ab.

6. Herausforderung:
Besondere Besteuerungsregeln
Insolvenzforderungen unterliegen einer eigenen Insolvenzbesteuerung, egal ob sie durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds, durch Verteilung der Masse bei Abschluss des Insolvenzverfahrens oder im Rahmen eines Sanierungsplanes bezahlt werden. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge bleibt dabei ein Fünftel steuerfrei. Von den verbleibenden vier Fünfteln muss die Personalverrechnung einheitlich 15 Prozent Lohnsteuer abziehen, egal ob es sich um geringfügig Beschäftigte oder höhere Einkommen handelt. In der in diesem Fall verpflichtenden Arbeitnehmerveranlagung kommt es zu einer Rückerstattung von Lohnsteuer oder zu einer Nachversteuerung aufgrund der tatsächlichen Steuerprogression.

Die besondere Insolvenzbesteuerung gilt nicht für abgabenfreie Reisekosten, Abfertigungen im System Abfertigung alt, Pensionsabfindungen, Sozialplanzahlungen und bestimmte steuerfreie Leistungen.

Der Insolvenz-Entgelt-Fonds berechnet die Lohnsteuer für die ausbezahlten Bezüge auch nach dieser Spezialbestimmung. Darum ist der Nettobetrag nicht identisch mit dem, der sonst in den laufenden Abrechnungen durch den Arbeitgeber errechnet wurde.Masseforderungen werden in der Personalverrechnung nach den allgemeinen Bestimmungen abgerechnet und besteuert. Es ist allerdings wieder zu beachten, dass sie nicht im Lohnzettel an die Finanzverwaltung aufscheinen dürfen, wenn sie beispielsweise wegen Masseunzulänglichkeit nicht vom Insolvenzverwalter bezahlt werden.

Fazit
Im Insolvenzverfahren müssen Personalisten und Personalverrechner komplexe Sonderbestimmungen beachten und stehen unter großem Zeitdruck. Zur laufenden Tätigkeit kommen durch die Anfragen der Vertreter der verschiedenen am Verfahren beteiligten Parteien noch Aufgaben dazu. Insolvenzrecht, Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht spielen ineinander. Wer nicht mit der Materie vertraut ist, sollte Beratung in Anspruch nehmen.

//Seminartipp//

Aktuelles & Änderungen in der Personalverrechnung.
Seminar mit Heidi-Maria Gabl und Martina Limeck, PwC Österreich.

Nächster Termin:
21.11.2016, 9-17 Uhr | Wien
www.lindeverlag.at


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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 4  Juli/ August 2016.

 

Unternehmensinsolvenzen in Österreich
Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Arbeitgebers eröffnet das Insolvenzgericht auf Antrag von Gläubigern des Unternehmens oder des Unternehmens selbst ein Insolvenzverfahren als Sanierungs- oder Konkursverfahren.

Voraussetzung ist, dass ausreichendes Vermögen vorhanden ist, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Den Beschluss über die Eröffnung veröffentlicht das Justizministerium in seiner Insolvenzdatei im Internet (www.edikte.justiz.gv.at ). Abbildung 1 zeigt die Anzahl der Insolvenzen in Österreich zwischen 2013 und 2015.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt der Insolvenzverwalter die Funktion des Arbeitgebers. Er ist auch zur ordnungsgemäßen Personalverrechnung und zur Abfuhr und Meldung der Abgaben ab Insolvenzeröffnung verpflichtet. Nur im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung übernehmen Insolvenzverwalter und bisheriger Arbeitgeber diese Aufgaben gemeinsam. Meist greift der Insolvenzverwalter für die Abwicklung auf die im Unternehmen bestehende Personalverrechnungsabteilung oder eine Steuerberatungskanzlei zurück.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt die bisherige Vollmacht des Steuerberaters. Nur wenn der Insolvenzverwalter erneut eine Vollmacht erteilt, kann er weiter vertreten.

1. Herausforderung:
Fragen, Fragen, Fragen
Im Insolvenzverfahren benötigen gleich mehrere Parteien Personalverrechnungsinformationen. Gefragt sind Übersichten über aktive und karenzierte Arbeitnehmer, Kündigungsschutz und Kündigungsfristen dieser Arbeitnehmer, bezahltes und offenes Entgelt, arbeitsrechtliche Ansprüche, Verträge, Abrechnungsunterlagen und dergleichen. Der Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen (ISA) benötigt Daten und Informationen für die Geltendmachung der Forderungen der Arbeitnehmer beim Insolvenz-Entgelt-Fonds. Der Insolvenzverwalter muss seinen Aufgaben als Arbeitgeber nachkommen, die Ansprüche prüfen und allenfalls über die Art der Beendigung von Dienstverhältnissen entscheiden. Die Abgabenbehörden nehmen eine Prüfung der Sozialversicherungsbeiträge, der Lohnsteuer und anderer lohnabhängiger Abgaben für den Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor. Personalverrechner und Berater sind im Insolvenzverfahren wirklich gefordert.

2. Herausforderung:
Korrektur der Lohnabrechnungen
Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, wurde oft schon in den Monaten davor nicht das gesamte Nettoentgelt laut Abrechnung an die Arbeitnehmer ausbezahlt. Sachbezüge wie zum Beispiel Dienstautos gelten hinge­gen als bezahltes Entgelt, weil die Arbeitneh­mer sie ja laufend nutzen konnten. 

In den Meldungen an das Finanzamt (L16), die bis zum Ende des zweitfolgenden Monats nach Insolvenzeröffnung zu übermitteln sind, dürfen nur die tatsächlich bezahlten Bezüge aufscheinen. Das ist besonders wichtig, weil der Insolvenz-Entgelt-Fonds die offenen Ansprüche der Arbeitnehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen übernimmt. Der Fonds übermittelt ebenfalls Meldungen an das Fi­nanzamt. Werden Bezüge doppelt gemeldet, kommt es zu einer zu hohen Versteuerung in der Arbeitnehmerveranlagung. Zu versteuern sind außerdem nur die Bezüge, die dem Ar­beitnehmer auch zufließen.

An die Gebietskrankenkasse ist im Unter­schied dazu der gesamte Entgeltanspruch zu melden, auch wenn er nicht voll ausbezahlt wurde. 

Nach Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung setzen Finanzamt und Gebietskrankenkassen häufig eine Sonderprüfung der lohnabhängigen Abgaben an.