Wer nicht schult, der muss sich nicht wundern, wenn er anschließend zahlen muss.“ Als der Freiburger Fachanwalt Dr. Peter Rambach mit dieser Aussage bei einer Podiumsdiskussion sein Statement zu den möglichen Folgen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes abschloss, kam Unruhe im Saal auf. Dabei hatte Rambach zunächst nichts anderes gemacht als auf einen brisanten Aspekt des neuen AGG hinzuweisen.

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Foto von Christian Mackie

Danach liegt eines der Hauptprobleme des vom Arbeitgeber zu leistenden Diskriminierungsschutzes nicht in der Forderung, gegen vorhandene Diskriminierungen aktiv vorzugehen, sondern mit „erforderlichen Maßnahmen“ ein diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. „Erforderliche Maßnahmen“, so bringt Rambach es auf den Punkt, werden aber fälschlicherweise nur auf den Schulungsbegriff reduziert. Tatsächlich umfassen sie aber ein ganzes Bündel von Maßnahmen, wobei die Frage, was denn wirklich „unbedingt“ notwendig ist, sich daraus ableiten müsse, wie hoch das Risiko beim Unterlassen der Maßnahme ist. So gesehen lässt sich ein betrieblicher Wegweiser für Arbeitgeber in einem Drei-Schritte-Katalog darstellen.

Schritt 1: Die Aushangpflicht

Mit dieser Forderung verlängert das Gesetz die Liste der „Aushangpflichtigen Gesetze“ um einen weiteren Aspekt und lässt dieses „betriebliche Gesetzbuch“ wohl endgültig auf einen solchen Umfang anwachsen, dass es sich lohnt, die oft im Unternehmen verstreut an Schwarzen Brettern oder in Regalen schlummernden Gesetze zusammenzufassen und an zentraler Stelle auszulegen. Wichtig: Angesichts der enormen Geschwindigkeit, in der sich Gesetze ändern (auch für das AGG ist schon das nächste Änderungsgesetz in Vorbereitung), wird die Pflege einer solchen Gesetzessammlung immer mühsamer. Das Einstellen der aushangpflichtigen Gesetzestexte in das firmeneigene Intranet ist sicherlich die komfortabelste Möglichkeit, es sollte aber beachtet werden: Gerade das AGG richtet sich ausnahmslos an alle Mitarbeiter und soll auch Aushilfskräfte und andere temporäre Arbeitskräfte schützen. Kaum ein Betrieb dürfte den ausnahmslosen Zugriff aller auf das Intranet garantieren können, sodass zusätzlich ein Hinweis am Schwarzen Brett mit dem Vermerk, dass „folgende Gesetze...“ in der Personalabteilung oder beim Betriebsrat jederzeit einzusehen sind.

Schritt 2: Die Grundinformation aller Mitarbeiter sicherstellen

Da bezüglich des AGG es mit der Aushangpflicht allein keinesfalls getan ist, bietet sich an, als allgemeine Maßnahme für alle Mitarbeiter zunächst ein Infoblatt herauszugeben und sicherzustellen, dass dieses wirklich jeder Mitarbeiter erhält. Warum ist aber eine solche Erstinformation so wichtig? Zu beantworten ist dies mit der Frage, wo das Haftungspotenzial liegt, wenn nicht informiert wird. Und hier droht doppelte Gefahr: Zum einen kann sich der Arbeitgeber von seiner Verantwortung nicht gegenüber einem „Schmerzensgeldanspruch“ exkulpieren, wenn er im Unternehmen gar nicht dargestellt hat, welche Diskriminierungen zu unterlassen sind. Zum anderen können Arbeitnehmer unter Umständen schlicht und einfach die Arbeit verweigern und behalten gleichwohl ihren Lohnanspruch, weil sich der Arbeitgeber wegen mangelnder Information „in Annahmeverzug“ befindet. Der größte Fehler dabei, so stellte auf einer Fachtagung kürzlich der bekannte Arbeitsrechtsprofessor Peter Hanau fest, „liegt vor, wenn versäumt wird, auf das Beschwerderecht aufmerksam zu machen“. Dies deswegen, weil der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht darauf verweisen kann, dass er von der Sache nichts gewusst habe, weil der Mitarbeiter sich ja nicht beschwert habe.

Schritt 3: Die Schulung der Vorgesetzten

Die wichtigste Unterscheidung zwischen Mitarbeitern, die „nur“ informiert und denen, die geschult werden müssen, ist deren faktische Stellung im Betrieb. Sie beantwortet dabei nicht nur die Frage, „ob“, sondern auch wie intensiv Schulungen durchzuführen sind, um das Kriterium „Erforderlichkeit“ zu erfüllen. Ein Ranking nach dem Motto: Leitende Angestellte müssen intensiv, bei einfachen Vorgesetzten darf es „etwas weniger sein“, verbietet sich dabei. Wichtiger ist die Zusammensetzung der unterstellten Mitarbeiter. Mit anderen Worten, die Schulungen müssen der konkreten „Diskriminierungsanfälligkeit“ des Unternehmens beziehungsweise seinen Untereinheiten entsprechen. So ist für den Leiter einer Produktionsabteilung, in der Mitarbeiter mit unterschiedlichen Nationalitäten arbeiten, ein anderer Maßstab anzusetzen, als für den Mitarbeiter der Personalabteilung. Letzterem sollte das Thema eher generalistisch näher gebracht werden, wenngleich, und da lässt auch AGG-Experte Rambach kein „ja, aber“ zu, die Schulung über Diskriminierung im Bewerbungsverfahren bei Personalern nicht fehlen darf.