Wenn das neue Schuljahr beginnt, stehen bei Schmuck & Uhren Ute Habenicht die Dienstpläne auf dem Prüfstand. Denn die zehn Mitarbeiterinnen des Klagenfurter Familienunternehmen können ihre Arbeitszeiten auf die Stundenpläne ihrer Kinder und die Dienstzeiten der Partner abstimmen. „Ich bin überzeugt davon, dass Menschen nur dann gut arbeiten, wenn sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren können“ sagt Geschäftsführerin Ute Habenicht. Die Situation berufstätiger Mütter kennt sie aus eigener Erfahrung. Sie selbst hat eine elfjährige Tochter. „Die ersten eineinhalb Jahre nach der Geburt habe ich Teilzeit gearbeitet und meine Tochter oft mit ins Geschäft genommen“, erzählt sie.

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Foto von Campaign Creators

Dass viele Frauen nach der Karenz zu Hause bleiben, liegt aus ihrer Sicht an den Arbeitgebern. Sie selbst hält den Kontakt zu Mitarbeiterinnen, die in den Mutterschutzurlaub gehen. Nach der Karenz kehren die meisten wieder an ihren alten Arbeitsplatz zurück, denn das Unternehmen bietet ultra-flexible Arbeitszeiten. „Eine Mitarbeiterin hat zum Beispiel nach der Geburt ihres Kindes zunächst nur drei Stunden pro Woche gearbeitet“, berichtet die Geschäftsführerin.

Eine tolle Chance für beide, fanden Chefin und Angestellte. Denn trotz Babypause stieg die Mitarbeiterin nicht völlig aus dem Geschäft aus und bekam aktuelle Veränderungen mit. Die familienfreundlichen Arbeitsbedingungen zahlen sich aus, betont Habenicht. Die Fluktuation im Betrieb sei gering, der Krankenstände sind niedrig. „Außerdem ist mein Team sehr motiviert. Das spüren auch unsere Kundinnen und Kunden.“

Zu demselben Ergebnis kamen die unabhängigen Gutachter des Ministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. Das Geschäft von Ute Habe nicht erhielt im Dezember 2003 das Grundzertifikat des Audits Familie & Beruf.

Das Interesse wächst

Seit rund sechs Jahren lassen österreichische Unternehmen ihre Familienfreundlichkeit von Audit-Gutachtern überprüfen. „In den vergangenen Jahren ist das Interesse stark gestiegen“, berichtet Elisa Zechner vom Audit Beruf & Familie. Bereits 140 österreichische Unternehmen verfügen über das Grundzertifikat, zehn davon besitzen ein Vollzertifikat. Zurzeit starten 30 bis 40 Unternehmen pro Jahr einen Auditierungsprozess, mehr als die Hälfte sind Klein- und Mittelbetriebe. 68 Prozent der Teilnehmerbetriebe entstammen dem Handel- und Dienstleistungsgewerbe.

Potenziale nutzen

„Die Unternehmen wollen das Potenzial ihrer Mitarbeiter besser nutzen“, beschreibt die Audit-Beraterin Doris Palz die Motive der Teilnehmerbetriebe. „Außerdem möchten sie positive Imageeffekte erzielen – nach außen und nach innen“. Ein auditiertes Unternehmen signalisiere Partnern und Kunden, dass es das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst nehme. Intern verschaffe der Auditprozess Klarheit darüber, welche amilienfreundlichen Ansätze ein Unternehmen bereits verfolgt und welche es ausbauen müsste.

„Viele Projektgruppen stellen erst während der Auditierung fest, dass ihr Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits stark fördert“, berichtet Palz. „Andererseits gelten familienfreundliche Regelungen oft nur für einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, schränkt sie ein. Der Auditprozess könne dazu beitragen, mehr Transparenz im Unternehmen und gleiche Spielregeln für alle zu schaffen.

Return on Investment

Dass sich Familienfreundlichkeit auszahlt, zeigt eine Studie der prognos AG aus dem Jahr 2003. Das Beratungsunternehmen untersuchte die Kosten-Nutzen-Relation von familienfreundlichen Aktivitäten in zehn deutschen Firmen. Das Ergebnis: Die untersuchten mittelgroßen Unternehmen erzielten Einsparungen in Höhe von mehreren 100.000 Euro. Sie erzielten durchschnittlich einen Return on Investment in Höhe von 25 Prozent.

Personalchefs, die eine Auditierung anregen, dürften bei vielen Mitarbeitern offene Türen einrennen. Die Hälfte aller Frauen und 45 Prozent der Männer wünschen sich familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Das bestätigt der internationale Familiy Fertility Survey (FFS) aus dem Jahr 1996. Wie sich die Beschäftigten eine Arbeitswelt vorstellen, in der Familie und Beruf vereinbar sind, hat das deutsche Bundesfamilienministerium im Jahr 2003 untersucht: Flexiblere und kürzere Arbeitszeiten, finanzielle Unterstützung, Freistellungsmöglichkeiten für Pflegeaufgaben und Vermittlungshilfen für Betreuungsangebote stehen ganz vorne auf der Wunschliste der Beschäftigten.

Aus der Praxis

Einige österreichische Unternehmen erfüllen bereits jetzt viele Arbeitnehmerwünsche. „Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt“, sagt Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer der KWB - Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH – und aus seinem Mund klingt es nicht wie eine Floskel. Der Vater von acht Kindern weiß, was es heißt, Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Deshalb will er die Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb möglichst familienfreundlich gestalten.

Seine 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren von flexiblen Arbeitszeiten und Gleitzeit. Berufsrückkehrerinnen bietet er eine breite Palette an Weiterbildungsmöglichkeiten an, damit sie wieder im Beruf Fuß fassen. Das Angebot reicht von EDV-Schulungen bis hin zu Kommunikationstraining. „Wir arbeiten mit externen Anbietern zusammen, führen aber auch Inhouse-Schulungen an, die einige qualifizierte Mitarbeiter leiten“, erläutert Stubenschrott.

Der Firmenchef legt großen Wert auf Gesundheitsförderung. Denn: „kranke und gestresste Mitarbeiter sind nicht leistungsfähig und nehmen ihre beruflichen Belastungen mit nach Hause.“ Deshalb hat er einen Fitnessraum eingerichtet, den seine Beschäftigten und deren Familienangehörige an sieben Tagen in der Woche nutzen können. Damit sich die Beschäftigten an ihren Arbeitsplätzen wohl fühlen, konnten sie diese mitgestalten. Eine Feng-Shui-Beraterin gab zusätzlich Tipps für die Möblierung.

Neben der Arbeit sei Feiern sehr wichtig, findet Stubenschrott. Deshalb lädt er die Partner seiner Beschäftigten bewusst zu Firmenfeiern und Betriebsausflügen ein. „Sie sollen wissen, was im Unternehmen passiert. Dann haben sie auch mehr Verständnis für die Arbeit ihres Partners.“

Auch im Pastoralamt der Diözese Linz gehören familienfreundliche Arbeitsbedingungen zur Firmenphilosophie. „Als kirchlicher Arbeitgeber haben wir hier eine besondere Verpflichtung“, betont Personalchef Franz Heinz. Die Arbeitszeiten der 270 Beschäftigten - darunter 180 Frauen - sind extrem flexibel. „Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich die Arbeit selbst einteilen, sie haben sehr viel Eigenverantwortung“, berichtet Heinz. 57 Prozent der Beschäftigten arbeiten Teilzeit, einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen sich einen Posten. Überstunden können bei flexibler Arbeitszeit - in gewissen Grenzen - auf Zeitguthaben angesammelt werden. „Diese Guthaben sollten jedoch nicht das zweieinhalbfache der Wochenarbeitszeit überschreiten. Das Zeitminus darf maximal eine einfache Wochenarbeitszeit betragen", schränkt der Personalchef ein.

Das Pastoralamt hat gemeinsam mit den anderen Ämtern der Diözese ein drittes Karenzjahr eingerichtet, in dem derselbe Kündigungsschutz gilt, der auch während der ersten beiden Karenzjahre greift. Bei der Betreuung der Kinder unterstützt das Pastoralamt seine Beschäftigten ebenfalls. Wenn Schulkinder im Pastoralamt auf ihre Eltern warten, können sie in einem soeben fertig gestellten Mehrzweckraum ihre Hausaufgaben machen. Mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz wurde vereinbart, dass seine Kinderkrippe auch Kindern von MitarbeiterInnen des Pastoralamtes und der anderen diözesanen Betriebe offen steht.

Pläne wie diese wird das Audit Familie & Beruf auch in Zukunft anregen, hofft Elisa Zechner. „Das Audit initiiert einen betriebsspezifischen Bewusstseinsprozess und setzt familienfreundliche Ziele in den Bereichen Arbeitsorganisation, Kommunikation und Personalentwicklung nachhaltig um.“

Der Auditierungsprozess

Während des Auditprozesses analysieren unabhängige Berater und Gutachter das Unternehmen anhand folgender Kriterien:

  • Arbeitszeit
  • Arbeitsabläufe und –inhalte
  • Informations- und Kommunikationspolitik
  • Führungskompetenz
  • Personalentwicklung
  • Entgeldbestandteile und geldwerte Leistungen
  • Flankierender Service für Familien
  • Betriebsspezifische Besonderheiten
  • Unternehmens- und personalpolitische Kennzahlen

Grundzertifikat

In einem halben Jahr können sich Unternehmen auf das Grundzertifikat vorbereiten. Die Schritte:

  • Orientierungsgespräch zwischen Audit-Berater und Unternehmensleitung (ca. 2 Stunden)
  • Audit-Workshop mit dem Projektteam (1 bis 2 Tage)
  • Abschlussgespräch mit der Unternehmensleitung (ca. 3 Stunden)
  • Begutachtung (1 Tag)

Vollzertifikat

Nach der Verleihung des Grundzertifikats müssen sich die Unternehmen drei Jahre lang auf die Verleihung des Vollzertifikats vorbereiten. Einmal jährlich müssen sie dem Audit-Rat über den Stand der familienfreundlichen Aktivitäten in ihrem Unternehmen berichten.

Webtipps:

www.familieundberuf.info

www.familie.bmsg.gv.at

www.familie.bmsg.gv.at

www.famwork.info