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Foto von Christian Mackie
Herr Horacek, welche Kompetenzen erwartet die OMV von ihren Führungskräften?
im Forum Personal des ÖPWZ sehen wir, dass sich zurzeit viele Unternehmen mit Kompetenzen und deren Konkretisierung beschäftigen. Bei der OMV haben wir schon im Jahr 2002 in einem „top down approach“ fünf Schlüsselkompetenzen für Mitarbeiter und Führungskräfte entwickelt, die seitdem unverändert gelten. Dazu gehören Innovationsfähigkeit, Umsetzungsvermögen, Interaktionsfähigkeit, unternehmerische Orientierung und Führungskompetenz. Letztere erwarten wir natürlich vor allem von unseren leitenden Mitarbeitern, doch in eingeschränkter Form sollten möglichst alle Beschäftigten die Fähigkeit mitbringen, sich selbst und andere zu führen.

Was verstehen Sie denn unter Führungskompetenz?
Wir verstehen darunter vor allem die Fähigkeit, zielorientiert zu handeln und Visionen zu entwickeln, Commitment zu erzielen und Potenziale zu entfalten. Das klingt zunächst vielleicht allgemein und austauschbar. Denn es ist ja nie falsch über Commitment und Zielorientierung zu reden – und auf diesem abstrakten Level könnte auf unseren Schlüsselkompetenzen zugegebenermaßen auch Siemens oder IBM stehen. Aber wir haben die Kompetenzen sehr stark heruntergebrochen und mit Inhalten gefüllt, so dass man durchaus OMV-Spezifika erkennt.

Welche zum Beispiel?
Nehmen wir das Beispiel der Umsetzungsstärke. In der Vergangenheit haben wir bezogen auf diese Kompetenz in unserem Unternehmen einen gewissen kulturellen Nachholbedarf gesehen. Denn wir hatten immer relativ viele gute Konzepte und Ideen, aber wir haben diese nicht immer konsequent bis zum Letzten durchgezogen. Für uns war es daher wichtig zu betonen, wie entscheidend Commitment ist, wenn man etwas erreichen will. Unsere Schlüsselkompetenzen bestehen immer aus Ist- und Zielbeschreibungen. So können wir genau sehen, wo wir bezogen auf die Umsetzungsstärke aktuell stehen.

Inwiefern fließen die Schüsselkompetenzen der OMV in die HR-Arbeit ein?
Das Kompetenzprofil ist die Basis unserer HRArbeit. Wir haben innerhalb von zwei Jahren alle Personalinstrumente auf die Schlüsselkompetenzen ausgerichtet. In Bewerbungsgesprächen arbeiten wir beispielsweise mit einem strukturierten Fragenkatalog, der diese persönlichen Fähigkeiten hinterfragt. Auch das Seminar- und Trainingswesen ist auf die Kompetenzen abgestimmt. So finden sich in den Beschreibungen unserer Weiterbildungsveranstaltungen immer Hinweise darauf, wie die Trainings mit dem Kompetenzprofil verlinkt sind. Die Karriere- und Nachfolgeplanung basiert ebenfalls darauf. Unsere Beschäftigten können übrigens selbst überprüfen, welche Schlüsselkompetenzen sie besitzen – mithilfe eines Career-Self-Checks im Intranet.

Unser Verständnis von Kompetenzen wie Führungsstärke oder Interaktionsfähigkeit ist auch kulturell geprägt. Lassen sich die Schlüsselkompetenzen denn international gleichermaßen einsetzen?
Ja, sie gelten in allen Ländern, in denen die OMV aktiv ist. Um ein Beispiel zu geben: Wir haben in den Jahren 2004 und 2005 die rumänische Petrom mit 50.000 Mitarbeitern akquiriert – und einer der ersten Integrationsschritte war ein Management-Audit für die circa 1.300 Führungskräfte. Diese Audits haben wir mit einem externen Berater durchgeführt, dem wir unsere Schlüsselkompetenzen an die Hand gegeben haben. Sie sollten die Grundlage für die Einschätzung der Führungskräfte sein. Wir haben die Schlüsselkompetenzen auf einer Skala von 1 bis 5 indexiert und Anforderungsprofilen zugeordnet. So konnten wir festlegen, dass Führungskräfte auf einem bestimmten Level mindestens den Index 4 erreichen mussten. Diese Anforderungen an unsere Führungskräfte sind international vergleichbar. Denn es ist wichtig, dass unsere Personalsysteme ein großes Ganzes ergeben.

Was unternimmt die OMV, um ihre Führungskräfte zu entwickeln?
Unsere Weiterbildungen reichen von Meisterseminaren bis zu internationalen Managementseminaren auf der Top-Ebene. Wir haben zum Beispiel ein Programm für junge angehende Middle Manager in Zusammenarbeit mit dem IMD in Lausanne und ein weiteres für angehende Senior Manager mit Ashridge in London. Neu ist ein internationales Expertenprogramm, ebenfalls in Lausanne. Hinzu kommen relativ umfangreiche Coaching-Aktivitäten. Wir coachen sicher laufend zehn bis zwölf Führungskräfte – und zwar typischerweise für drei bis vier Monate, wenn sie eine neue Funktion antreten. Vor einigen Jahren war Coaching ja noch fast verpönt und wurde beinahe mit einer Therapie in Verbindung gebracht. Heute ist es bei uns nicht nur akzeptiert, sondern es ist bereits eine Art Statussymbol, gecoacht zu werden.

Wie lernen Führungskräfte aus Ihrer Sicht am besten?
Ich glaube, dass Führungskräfte über die Praxis eigentlich noch besser lernen als durch Veranstaltungen. Deshalb fördern wir das informelle Lernen sehr stark und bringen unsere Leute sehr bewusst in ein Umfeld, in dem sie Wissen und Fähigkeiten erwerben, ohne eine Lernwahrnehmung zu haben. Bei der Nachfolgeplanung stellen wir uns zum Beispiel regelmäßig die Frage, welche Projekte wir Führungskräften geben, damit sie sich beweisen können und für die Hierarchie wahrnehmbar werden. Außerdem bin ich ein großer Fan des Lernens durch Vorbilder. Ich selbst habe in der Vergangenheit viel von meinen Chefs gelernt – auch von deren Schwächen. Es gab einige Situationen, die mir heute noch sehr präsent sind, in denen ich gedacht habe, „so mache ich das später nie“. Frei nach Watzlawick: „Man kann eigentlich nicht nicht lernen“.


Interview: Bettina Geuenich


Quelle: personal manager 3/2009