Der interessantere Teil des Artikels „Frauenförderung statt Frauenquote“ befasst sich jedoch mit geschlechterneutralen Erkenntnissen zu Topmanagern. Sydney Finkelstein konnte belegen, dass in nahezu jeder Branche viele Top-Führungskräfte die gleichen beruflichen Wurzeln haben. Dies traf in manchen Branchen auf neun von elf Topmanagern zu. Sie alle starteten ihre Laufbahn im Umfeld eines „menschlichen Inkubators“, wie Finkelstein diese Superbosse nennt, in deren Umgebung sich die neuen Führungskräfte entwickeln.

turned off MacBook Pro beside white ceramic mug filled with coffee
Foto von Lauren Mancke

Ein aktives Netzwerk, die richtigen Kontakte und ein gewisser Bekanntheitsgrad in den Managerkreisen sind somit unumgänglich für den Aufstieg in die Führungsebene. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Bestätigungen hierzu finden sich auch in Aussagen vieler Topmanagerinnen aus einer Interviewreihe des Manager Magazins. Kerstin Günther (Managerin bei der Telekom) spricht es direkt an: „Ohne Netzwerk geht es nicht, wobei es um Netzwerk geht, nicht um Seilschaft. Manager wählen oft die Personen aus, die sie kennen oder die von Vertrauten empfohlen wurde. Man muss also bekannt sein und sein Netzwerk pflegen. So werden aus Gelegenheiten Karriereschritte.“ Auch Marie–Theres Thiell (RWE Ungarn) wird hierzu eindeutig: „Glücklicherweise habe ich früher als andere erkannt, wie unumgänglich das Thema „Diversity“ wird und dass Karriere ohne Netzwerke nicht möglich ist, schon gar nicht für eine Frau.“

Wie ist diese Erkenntnis über die Wichtigkeit eines Netzwerkes mit dem Dauerthema „Familie und Beruf“ in Einklang zu bringen? Laut einer Umfrage des Magazins Die Führungskräfte sehen 31,4% der Befragten immer noch die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Hauptursache für die bisher geringe Anzahl an Frauen in den Chefetagen.

Kerstin Günther stellt die Verbindung zwischen diesen scheinbar voneinander unabhängigen Themen im Interview ganz einfach her: „Netzwerke zu pflegen kostet Zeit und hier haben Frauen oft den Nachteil, dass sie eigentlich immer zwischen Familie und Beruf wählen müssen.“

Ich sehe darin eine Aussage, die Hoffnung macht. Je mehr Menschen, ob Frau oder Mann, mit Familie in Führungspositionen arbeiten, je mehr Schnittstellen wird es auch in den nicht-beruflichen Situationen geben. Kennt man sich heute aus Fachgremien und vom Golfplatz, so kann man in Zukunft Networking auch in einem schulischen Ausschuss, Förderprogramm oder Sportverein betreiben. Und eines sei an dieser Stelle noch in Erinnerung gerufen: „Familie“ heißt nicht immer eigene Kinder. Bei dem Alterungsprozess den unsere Gesellschaft durchlebt ist die Pflege von Angehörigen im gleichen Maße zu berücksichtigen. Und „Kind von pflegebedürftigen Eltern“ sind Männer genau so oft wie Frauen.

(Sydney Finkelstein ist Professor an der Tuck School of Business und Direktor des dortigen Center for Leadership)